Den „Zauber des stillen Waldtales“ sollten die Kranken im Haus Waldeck in Nagold genießen. Heute ist es ein Lost Place, zum Abriss freigegeben. Doch wie sah es dort wohl früher aus?
Die Radios kommen gut an. An allen Plätzen gibt es nun einen Anschluss. Sicher sehr zur Freude der Patienten. Und durchaus mit einem gewissen Stolz heißt es im Jahresbericht der Anstaltsleitung: Die Radios würden „viel zur Erheiterung und Beruhigung der Kranken“ beitragen.
Es ist das Jahr 1927. Etwas Erheiterung ist für die Patienten sicher dringend nötig. Denn im Haus Waldeck sind sie über viele Monate untergebracht. Vor allem Lungenkranke sind unter ihnen. Das Schreckgespenst der Tuberkulose – im Haus Waldeck wird es unter anderem mit viel frischer Luft und Ruhe bekämpft.
Und wie sah es in dem heute noch imposant wirkenden Gebäude einst aus? Im Stadtarchiv Nagold sind vereinzelt Jahresberichte aus dem Waldeck erhalten. Und die geben zum Teil sehr lebendige Einblicke in das Innenleben dieser einstigen Nagolder Heilanstalt.
Im heutigen Lost Place standen 33 Liegebetten in Waldliegehallen
Viel ruhen müssen die Patienten vor rund 100 Jahren. Nicht nur in ihren Zimmern, sondern oft an der frischen Luft und in der Sonne. In der Nähe des Waldecks gibt es drei Waldliegehallen – von 33 Liegebetten ist die Rede. Diese seien „völlig dem Staub entrückt“, wie der Berichtende den nahen Straßenverkehr am Waldeck auf der „20 Schritt entfernten“ Landesstraße umschreibt.
Mit der Inbetriebnahme der dritten Waldliegehalle im Sommer 1927 kommt es zu einem schönen Nebeneffekt: Die untere Veranda neben dem Speisesaal wird nun nicht mehr als Liegehalle benötigt und zu einem „gartenähnlichen Tagesraum“ umgestaltet.
Im Jahresbericht gibt es ein Sonderlob für die Schwestern. Durch deren „Fürsorge wurde ein reicher, immer grüner und immer blühender Blumenschmuck geschaffen“. Mit schwäbischem Stolz wird auch erwähnt: „…fast ohne Kosten.“ Und auch für den „fußkalten Plättchenboden“ findet man eine Lösung: mit dicken Kokos-Velours-Matten wird der Boden belegt.
Kranke genossen Lage und Garten im Haus Waldeck in Nagold
„Die Kranken genießen sehr den Zauber des stillen Waldtales, das sich unmittelbar um die Kuranstalt ausbreitet“, heißt es schwärmerisch. Zudem ist die Rede von „heiteren, beruhigenden Landschaftsbildern“, die einem auf sonnigen Randwegen und schattigen Waldwegen begegnen.
Auf alten Ansichten und Postkarten fällt auf, dass das Haus Waldeck von einem üppigen Garten umgeben ist. Von einem „parkähnlichen Garten“ wird berichtet. Mehrfache Reihen an Kastanien und Ahorn-Bäume stehen dort – die Staubentwicklung der nahen Straße würden von diesen Bäumen abgefangen.
Die Größe des Grundstücks wird mit drei Morgen angegeben. Weiter heißt es in dem Bericht: „Der Garten ist parkähnlich mit Rasen-, Busch- und Baumgruppen angelegt. In der Mitte, im Schatten von Kastanienbäumen, ist ein freier Platz mit Luftkegelspiel, das von den Kranken viel benützt wird.“
Küche, Krankensäle und Wintergarten: So war das Ambiente im Lost Place
Und wie hat man sich das Ambiente im Waldeck vorzustellen? Viel ist dazu nicht überliefert. Das Hauptgebäude umfasst neben Verwaltungsräumen eine Küche, drei Schwesterzimmern, zwei Krankensäle mit je zehn Betten und zehn kleinere Zimmer mit zwei bis vier Betten. Weiter wird von einem großen Speisesaal im Erdgeschoss berichtet, von einem Wintergarten und einer Bibliothek.
Im Speisesaal steht auch ein Klavier. Gelegentlich gibt es Abendunterhaltungen – mit „humoristischen, belehrenden oder musikalischen Darbietungen“. Hinzu kommen Nebengebäude, das „freistehende Waschhaus mit zwei Baderäumen für die Kranken“ und einem Badezimmer fürs Personal sowie ein Fachwerkhaus mit Personalwohnungen. Am Waldrand liegt das Dienstwohngebäude für „Arzt und Inspektor“.
1930 heißt es in dem „Jahresbericht der Versorgungskuranstalt Waldeck“: „Das Haus macht im Ganzen noch einen schmucken, sauberen Eindruck.“ Die Zimmer sind zum Teil sogar tapeziert. Diese Tapeten der Marke Salubra hätten sich „glänzend bewährt“, heißt es. „Sie sehen noch wie neu aus, blassen nicht ab und vertragen das Abwaschen ohne Schaden.“
Bei jenen Zimmern, die mit Ölfarbe gestrichen sind, bemängelt der Berichtende dagegen, dass immer wieder größere und kleinere Risse auftreten. Die Vermutung, woher die Risse stammen könnten: „…wohl infolge der Erschütterungen durch vorbeifahrende Lastautos und Sprengungen im benachbarten Steinbruch“.
So alt sind die Anstriche da eigentlich auch noch gar nicht. Erst 1927 ist das Haus Waldeck auch im Inneren von einer Hochwasserkatastrophe schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Es folgen umfangreiche Renovierungen. Der alte Anstrich machte durch „seine verwaschene graue Farbe einen unfreundlichen Eindruck“.
Also kommt nun Farbe ins Spiel: „Das ganze Innere erhielt eine freundliche farbige Ausgestaltung“. In den Fluren wird „frische grüne Farbe“ aufgetragen. Und die Krankenzimmer sind mit Ölfarben oder Salubra-Tapeten in „frischen gelben, roten und blauen Tönen gehalten“.
Haus Waldeck
Von der Kaltwasserheilanstalt zum Asylbewerberheim:
Seit mehr als 120 Jahren prägt das Haus Waldeck den östlichen Nagolder Stadteingang. Nun soll das Gebäude im schönen Kreuzertal abgebrochen werden. Damit verschwindet ein Stück Stadtgeschichte. Mit Funden aus dem Stadtarchiv Nagold und alten Zeitungsberichten erinnern wir an bemerkenswerte Episoden aus der wechselvollen Geschichte dieses historischen Nagolder Bauwerks.