Die ehemalige Kurklinik in Bad Rippoldsau steht nun wieder zum Verkauf. Archiv- Foto: Schmid

Ein "Lost-Place"-Besuch in der ehemaligen Schwarzwaldklinik in Bad Rippoldsau-Schapbach hatte jetzt ein Nachspiel vor dem Amtsgericht Freudenstadt.

Freudenstadt/Bad Rippoldsau-Schapbach - Die beiden jungen Männer auf der Anklagebank, die wegen Einbruchs, Hausfriedensbruchs und Diebstahls dran sind, sind jeweils 28 Jahre alt, haben beide einen festen Arbeitsplatz und wirken grundsolide. Wohnhaft sind sie im Ortenaukreis. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft waren sie im November 2019 in die ehemalige und seit Jahren leerstehende Schwarzwaldklinik bei Bad Rippoldsau eingebrochen. Aus dem verlassenen Gebäude, so die Anklage, hätten sie Teile eines Röntgengeräts ausgebaut und mitgenommen. Schätzwert: 10 000 Euro.

Doch gewöhnliche Einbrecher, deren oberstes Ziel es ist, Diebesgut zu entwenden, um es später zu Geld zu machen, sind die beiden Beschuldigten dennoch nicht. Es sind ganz andere Reize, die sie zu den Einbrüchen verführten, wie der Prozess ans Tageslicht bringt. Einer der beiden Angeklagten gibt als Beruf Softwareentwickler mit Informatikstudium an, der andere beschreibt seine Tätigkeit als Neuwagenkoordinator. Es ist also nicht Geld, was sie in die Schwarzwaldklinik führte, sondern etwas anderes.

Beide sind vollumfänglich geständig, wie es im Juristendeutsch heißt. "Es ist ein klarer Fall, wir sind eingebrochen", sagt einer der Beschuldigten. "Ich habe eine gewisse Faszination für technische Geräte", versucht der einstige Informatikstudent die Anziehungskraft des Röntgengeräts zu beschreiben. Das sei "so eine Art Hobby".

Riesiges Gebäude

Die größte Anziehungskraft, so der Tenor der Angeklagten, aber sei das riesige, seit Jahren leerstehende ehemalige Krankenhausgebäude selbst gewesen. Vor gut zehn Jahren hatte das Krankenhaus Insolvenz angemeldet. Das riesige, zehn Stockwerke hohe Gebäude ist seitdem verwaist, ein Investor mit hochfliegenden Plänen längst abgesprungen, diverse Geräte und Einrichtungsgegenstände wurden seitdem bereits versteigert – die ehemalige Klinik ist zu eine Art Geisterhaus geworden, das manche anlockt. "Lost Places" nennen Freunde solcherart leerstehende Gebäude – zu deutsch etwa: verlassene Orte.

Regelrechte Szene

"Wir waren interessiert an der Erforschung des gesamten Gebäudes", sagt denn einer der beiden Angeklagten. "Ich habe mitgemacht aus Abenteuer und Spaß an der Sache." Wie sie denn auf das ehemalige Krankenhaus gekommen seien, will die Richterin Trauthig wissen. Antwort: "Durch das Internet." Sie seien nicht die Einzigen gewesen, es gebe eine ganze "Community", die zu "Lost Places" in Baden-Württemberg pilgere – verlassene, ehemalige Hotels etwa und andere Gebäude.

Tatsächlich seien "gewisse Gruppen dorthin gepilgert", sagt ein Polizeibeamter, der seinerzeit in dem Fall ermittelte. Auch für die Angeklagten sei es vermutlich ein Spaß gewesen. Es sei offensichtlich gewesen, dass "die eine oder andere Gruppe" in dem ehemaligen Klinikgebäude unterwegs seien. Allein seit 2018 seien den Behörden 36 Einbrüche bekannt geworden – der morbide Charme eines verfallenden Orts habe sie angelockt. Das Gebäude sei riesig. "Das Areal durchlaufe ich nicht unter drei Stunden." Es sei wie ein Irrgarten gewesen, "es wurden Markierungen angebracht, dass man wieder herausfindet." Eine Lost-Place-Party dort endete um ein Haar tragisch für manchen Teilnehmer.

Wie ein Irrgarten

Szene-Trend oder nicht – für die Staatsanwaltschaft handelt es sich schlicht und ergreifend um Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl. Strafmildernd sei das Geständnis der Angeklagten zu bewerten. Angemessen sei eine Geldstrafe, von jeweils weit über 200 Tagessätzen zu je 70 und 75 Euro, lautet die Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer Verständigung mit der Verteidigung. Das Urteil fällt ein wenig milder aus: 200 Tagessätze zu je 65 Euro für den einen, 180 Tagessätze zu je 75 Euro für den anderen.