Interview: Frank Radynski bietet Existenzgründer-Beratung jetzt auch im Loßburger Rathaus an

Freudenstadt/Loßburg. Eine eigene Firma eröffnen, obwohl sich große Betriebe grade förmlich um gute Leute reißen? Es gibt zwar durchaus einen optimalen Zeitpunkt dafür, sich selbstständig zu machen. Aber der ist nicht konjunkturabhängig, findet Frank Radynski. Er berät und begleitet Gründer, darunter viele aus dem Raum Freudenstadt. Auch im Rathaus Loßburg gibt es jetzt Sprechstunden. Wir unterhielten uns mit ihm, worauf es ankommt.

Herr Radynski, hat jeder das Zeug dazu, selbstständig zu sein?

Mit einem guten Geschäftskonzept und der richtigen Einstellung hat jeder die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen. Ich habe schon Bezieher von Arbeitslosengeld II erfolgreich in die Selbstständigkeit begleitet und manchen Akademiker scheitern sehen.

Gibt es so etwas wie einen richtigen Zeitpunkt oder eine Altersgrenzen für diesen Schritt?

Der jüngste Gründer, den ich begleitet habe, war 18 Jahre alt. Er gründete direkt nach dem Abitur. Die älteste Gründerin war 60 Jahre alt. Entscheidend für den Zeitpunkt ist das richtige Timing. Der Markt wartet nicht. Dazu kommen eine gute Idee sowie eine solide Anschubfinanzierung. Darüber hinaus hilft auch ein belastbares Netzwerk an Türöffnern und Multiplikatoren.

Woran erkennen Sie, ob jemand eine reelle Chance auf Erfolg hat?

Ich erkenne das an der Person, besonders daran, ob jemand für seine Geschäftsidee brennt. Aus der Idee entwickeln wir erste Planzahlen und wissen dann ziemlich schnell, ob das Geschäftskonzept überhaupt tragfähig ist.

Was ist entscheidender – die Person oder die Geschäftsidee?

Ich sehe die Verteilung hier bei 50 zu 50. Die beste Idee nützt wenig, wenn die Person nicht in der Lage ist, sich, seine Firma und sein Produkt oder seine Dienstleistung zu bewerben und zu verkaufen. Kommunikation auf diversen Kanälen wird immer wichtiger.

Gibt es so etwas wie aktuelle Trendbranchen?

In meinen aktuell laufenden Coachings erkenne ich einen Trend zu allem, was mit Gesundheit und Wellness zu tun hat. Darüber hinaus sind die Themen Handel, E-Learning, E-Commerce, Digitalisierung, Robotik und alles, was mit Industrie 4.0 zu tun hat, voll im Trend. Besonders die letzten Branchen werden auch mit diversen staatlichen Fördermöglichkeiten stark unterstützt.

Ist es sinnvoll, sein Hobby zum Beruf zu machen?

"Mach Dein Hobby zum Beruf, und Du musst nie mehr arbeiten" – vor dieser Einstellung kann ich nur warnen. Zu einer erfolgreichen Gründung gehört viel mehr als nur fachliches Know-how.

Wie viele Existenzgründer haben Sie bereits begleitet?

Parallel betreuen wir im Team immer etwa zehn Unternehmensgründer. Darüber hinaus arbeiten wir im Bereich der Unternehmensnachfolge auch mit Übergebern- und Übernehmern oder Handwerksbetrieben und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen. In den vergangenen elf Jahren habe ich sicher mehrere hundert Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet. Da bekommt man ein Gespür dafür, was geht und wo es haken könnte.

Und wie viele davon sind heute noch selbstständig?

Da wir den Schwerpunkt unserer Beratung auf die Erarbeitung solider Planzahlen legen, diese beinhalten unter anderem detaillierte Investitions- und Umsatzplanungen sowie Rentabilitäts- und Liquiditätsvorschauen, haben die meisten Mandanten die kritischen ersten drei Jahre nach der Gründung überlebt, weil die Risiken kalkulierbar waren. Entgegen dem Trend, sehe ich die Anzahl der Gründungen, die gescheitert sind, bei etwa zehn Prozent.

Wo liegen Ihrer Erfahrung nach die Risiken und Knackpunkte, die zum Scheitern führen können?

Persönlich liegen die Risiken in einer oft schnellen Selbstzufriedenheit der Gründer nach dem Motto: Es läuft schon, was kann mir denn noch passieren? Aus fundierten Statistiken geht hervor, dass Unternehmen überwiegend an fehlendem oder zu geringem Kapital oder an fehlender Planung und mangelndem Controlling scheitern.

Wie weit reicht Coaching? Bis zum Eintrag ins Handelsregister?

Nur bis zum Eintrag in Handelsregister zu begleiten, reicht oft nicht aus. Die wahren Herausforderungen beginnen ja erst nach dem Start der operativen Geschäftstätigkeit. Je nach Bedarf kann mittel- und langfristig auch in den Bereichen Neue Medien, Vertrieb und Betriebswirtschaft gecoacht werden.

Wie sieht Coaching konkret aus?

Coachingmaßnahmen werden bei uns grundsätzlich individuell und nach dem Bedarf des Gründers oder des Unternehmers abgestimmt und umgesetzt. Im Gegensatz zur Beratung soll Coaching die Menschen dabei unterstützen, die täglichen Herausforderungen an Unternehmer selbst zu meistern. In den meisten Fällen werden die Lösungsansätze in Workshops erarbeitet. Darüber hinaus können Coachingmaßnahmen auch in den Unternehmen oder bei Kunden, auf Messen oder sonstigen Veranstaltungen durchgeführt werden.

Eine Firma zu gründen, kostet auch Geld. Wer investiert in Risikokapital? Die eigene Oma?

Viele Gründungen werden tatsächlich nach dem Prinzip "FFF – Family, Fools and Friends" finanziert. Wir empfehlen grundsätzlich, Gründer und Unternehmer über günstige stattliche Fördermittel mit tilgungsfreien Anlaufjahren zu finanzieren.

EU, Land, Bund, Arbeitsagentur – es gibt Hunderte von Förderarten für Firmengründungen und -erweiterungen. Wie findet man da den passenden Topf?

Wenn Sie Fliesen legen wollen, gehen Sie zum Fliesenleger. Daraus können Sie ableiten, dass es sich empfiehlt, bei Fragen und im Rahmen der Beantragung von Fördermitteln mit einem erfahrenen Fördermittelberater zusammen zu arbeiten. Wir haben zum Beispiel Zugriff auf eine Datenbank, in der alle Landes-, Bundes- und EU-Fördermittel gelistet sind.

Ist es nicht sehr mühselig und ein Geduldsspiel, hier zum Zuge zu kommen?

Je besser man sich vorbereitet, desto schneller bekommt man Geld aus den Fördertöpfen. Wichtig ist, die Anträge vollständig und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des jeweiligen Fördermittels auszufüllen. Oft liegt es auch an wenigen Formulierungen, ob eine Förderung bewilligt wird oder nicht. Nach meinen Erfahrungen dauert es in den meisten Fällen etwa drei Monate von der Antragsstellung bis zur Bereitstellung des Förderdarlehens.

Wie hoch sind die Auflagen für Zuschüsse, die nicht zurückbezahlt werden müssen?

Hier gelten dieselben Rahmenbedingungen wie bei den geförderten Darlehen: Gründliche Recherche und sauber aufbereitete Anträge, dann sind die Auflagen gut zu bewerkstelligen.

Zuletzt herrschten in der Region Nordschwarzwald Vollbeschäftigung und Facharbeitermangel. Wie groß ist da die Bereitschaft, einen geregelten Job mit festem Einkommen aufzugeben?

Die Bereitschaft zu gründen war und ist zu allen Zeiten da. Nach meinen Erfahrungen laufen Gründungen, die nicht aus der Not heraus umgesetzt werden müssen, langfristig erfolgreicher. Überwiegend arbeite ich mit Menschen zusammen, die aus einem sicheren Arbeitsverhältnis gründen, aber an ihre Idee glauben und selbst bestimmen wollen, wie und mit wem sie arbeiten möchten. In vielen Branchen reizen auch die höheren Verdienstmöglichkeiten als Selbstständiger im Vergleich zum Angestellten.

Sie haben sich mit 45 selbstständig gemacht und dafür einen sicheren Job aufgegeben. Haben Sie Ihre Entscheidung zwischenzeitlich auch mal bereut?

Ich habe die Entscheidung nie bereut! Allerdings gab es zum Start auch Phasen, die nicht so gut gelaufen sind. Kleinere Krisen können in jeder Unternehmensphase mal aufkommen. Wichtig sind der Glauben an sich selbst, die Bereitschaft, sein Geschäftsmodell stetig zu prüfen und notfalls zu verändern, und eine gewisse Leidensfähigkeit.

Was hilft durch Dürre-Phasen mit Zweifeln und Misserfolgen?

Das wichtigste sind der Partner und/oder die Familie. Ich frage ziemlich früh ab, wie der Partner oder die Familie zum geplanten Vorhaben steht. Oft binden wir auch die Partner in die Workshops mit ein. Ein Unternehmen aufzubauen und zu führen, ist kein "Nine-to-five-Job". Deshalb benötigt man innerhalb seines Lebensumfelds verständnisvolle Menschen, die einen stützen und aufbauen, wenn es mal nicht so läuft. Des Weiteren werden Beratungs- und Coachingleistungen in jeder Unternehmensphase in der Regel zu 50 Prozent bezuschusst. Gute Beratung muss nicht teuer sein und ist im Zweifel immer billiger, als das Unternehmen aufzugeben.  Die Fragen stellte Volker Rath