Im Chemiekurs der Hector-Kinderakademie können die Grundschüler ins Labor gehen und selbst experimentieren. Dabei lernen sie auch, wie viel Chemie im Alltag steckt. Foto: Grundschule Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Hector-Akademie für besonders Talentierte seit Oktober in Loßburg / Hauptsächlich Kurse aus dem Mint-Bereich

Kreis Freudenstadt. Eine Hector-Kinderakademie gibt es seit Oktober in Loßburg an der Grundschule Wittendorf-Lombach. Durch spezielle Kurse außerhalb der Unterrichtszeit werden begabte Grundschulkinder besonders gefördert. Kurse finden hauptsächlich im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (Mint) statt, aber auch politische Bildung, Kunst und Sprachen stehen auf dem Programm. Teilnehmen können auch Kinder anderer Schulen im Kreis. Andrea Krauß, Rektorin der Grundschule Wittendorf-Lombach und Geschäftsführerin der Loßburger Hector-Kinderakademie, erklärt das Projekt genauer.

Wie viele Kinder sind derzeit bei der Loßburger Hector-Kinderakademie angemeldet und was zeichnet sie aus?

Bei uns sind 148 Kinder angemeldet. Dass die Kinder besonders begabt sind, erkennt man vor allem an ihren mündlichen Äußerungen. Wenn die Kinder einen Gedanken haben, muss der abgeschlossen werden. Sie suchen für alles eine Begründung und sind ehrgeizig. Das ist aber bei Weitem nicht alles. Ich habe ein ganzes DIN-A4-Blatt mit Merkmalen erstellt und den teilnehmenden Schulen zur Verfügung gestellt, denn grundsätzlich suchen die Lehrer die Kinder für die Hector-Kinderakademie aus. Häufig wird angenommen, dass sich begabte Kinder im Unterricht langweilen. Das ist aber nur selten der Fall.

Zur Rolle der Eltern: Woran erkennen sie, dass ihr Kind begabt ist, und wie können sie es fördern?

Bei begabten Kindern kann es vorkommen, dass es in der Schule allgemein eben nicht ganz so gut läuft. Das fällt den Eltern dann auf, was auch dazu führen kann, dass Begabungen unentdeckt bleiben.

Wie hoch ist der Prozentsatz der begabten Kinder? Sind es mehr Jungen oder mehr Mädchen?

Es sind etwa zehn Prozent und ungefähr gleich viele Jungen und Mädchen.

Ist ein begabtes Kind ein Segen oder eher anstrengend?

Allgemein muss man unterscheiden zwischen "hochbegabt" und "interessiert und begabt". Hier möchte ich gleich mit einem Vorurteil aufräumen: Hochbegabte Kinder müssen nicht schwierig sein! Es kann sein, dass ein hochbegabtes Kind etwas anstrengend ist, aber das ist nicht der Regelfall. Ein begabtes Kind ist auf jeden Fall ein Segen.

Inwieweit ist eine Begabung schon vorhanden, und inwiefern ist sie anerzogen?

Was die Veranlagung angeht, gelten beide Momente: Das Grundtalent ist genetisch bedingt, aber wenn es nicht gefördert wird, liegt es irgendwann brach. Eltern sollten natürlich Zeit für das Kind haben, die Begabung wahrnehmen und durch passende Angebote unterstützen.

Wie lange dauerte es, bis die Akademie in Loßburg eingerichtet werden konnte? Welche Schritte waren dafür nötig?

Von der Antragstellung bis zur Einrichtung verging ein Schuljahr. Nachdem entschieden war, dass unsere Schule sich um diese Aufgabe bewirbt, musste man mit den zuständigen Gremien vor Ort sprechen: Bürgermeister, Ortsvorsteher, dem Kollegium der Schule und den Schulleitern der Kooperationsschulen. Darauf folgten Gespräche mit dem Schulamt und die Suche nach Dozenten und Themen. Das Konzept wurde im Gemeinderat und im Kultusministerium vorgestellt. Schließlich genehmigte das Ministerium die Hector-Kinderakademie in Loßburg.

Gibt es Besonderheiten beim Loßburger Kursangebot?

Ich denke, jede Akademie ist "besonders" – Loßburg auch. In Loßburg orientiert sich das Kursangebot an der besonderen ländlichen Situation. Wir bieten zum Beispiel Blockkurse an, die gerne von Kindern gewählt werden, deren Eltern weiter fahren. Beeindruckend war übrigens: Von Schülern aus Besenfeld und Bad Rippoldsau-Schapbach kamen die ersten Anmeldungen, die mir vorlagen. Diese Orte liegen am weitesten von Loßburg entfernt. Außerdem wechselt das Angebot von Sommersemester zu Wintersemester, bedingt durch die Wetterlage im Nordschwarzwald. Besonders ist in meinen Augen vor allem das Dozententeam, das aus Personen aus Loßburg und Umgebung besteht, die sich alle in ihrem Bereich besonders weitergebildet haben.

Welche Kurse gibt es an der Loßburger Hector-Kinderakademie?

Wir haben vier "Hector-Core Courses" auf dem Programm, die komplett ausgebucht sind. Da sind die Kurse "Fit für die Mathematik-Olympiade" und "Kleine Forscher – Wir arbeiten wie die Wissenschaftler", die beide an unserer Schule stattfinden. Die Kinder lernen Tricks kennen, wie man schwierige Mathematik-Aufgaben lösen kann. Im Rahmen von "Kleine Forscher" werden Experimente zum Beispiel zum Sehen oder zum Geschmackssinn gemacht. Am Beispiel des Aufprallschutzes lernen Kinder, wie die Wissenschaftler an Probleme herangehen. Auch steht ein Ausflug zum Schülerlabor für Neurowissenschaften nach Tübingen auf dem Programm.

Zudem gibt es den Kurs "Sicher experimentieren im Chemielabor" an der Gemeinschaftsschule Loßburg. Ein Pneumatik-Kurs wird bei Arburg angeboten. Dabei geht es um strömende Luft und Dinge, die man damit bewegen kann. Neben den "Core Courses" gibt es Kurse zu informatischem Denken, Wintersternbildern oder elektronischen Grundschaltungen. In der Reihe "Intelligente Tiere" beschäftigen sich die Schüler mit der Ameise, dem Fuchs und der Honigbiene. Auch im sprachlichen und künstlerischen Bereich gibt es Angebote, wie Spanisch für Anfänger und "Segni Mossi", ein Projekt, das eine Beziehung herstellt zwischen der zeichnerischen Sprache und der Körpersprache. Zudem können die Kinder lernen, wie eine Gemeinde funktioniert, oder bei dem sozialen Projekt "Kaffee und Klatsch" mitmachen.

Soll das Kursangebot noch weiter ausgebaut werden?

Ja, es kamen bereits in den vergangenen Monaten noch vier Angebote zum ausgeschriebenen Programm hinzu. Zum Beispiel Exkursionen nach Oberwolfach in Zusammenarbeit mit dem Mathematischen Forschungsinstitut oder nach Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Leiterin der Schülerlabore und dem Netzwerk des "Hauses der kleinen Forscher" vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Was genau ist das Ziel der Förderung?

Der Leitsatz der Hector-Kinderakademien ist "Begabte Kinder finden und fördern". Wir wollen gute Angebote schaffen, die den Kindern Spaß machen. Die Kinder sollen an den Themen aber nicht nur allein arbeiten, sondern auch in Teams.  Die Fragen stellte Ina Frank

Der Gedanke, begabte Kinder zu unterstützen, geht zurück auf das Ehepaar Hans-Werner und Josephine Hector. Im März 2008 wurde zu diesem Zweck die "Hector-Stiftung II" gegründet, die die Hector-Kinderakademien finanziell unterstützt. Die "H. W. & J. Hector Stiftung" – die erste Hector-Stiftung – wurde bereits 1995 gegründet und fördert unter anderem medizinische Forschung sowie Kunst und Museen.