Bis heute ist die Lorettokapelle auf der Hammerhalde ein Symbol des Glaubens und erinnert an die Geschichte der Belagerung der Stadt durch französische Truppen. Foto: Martin Disch

Der Bau der Villinger Lorettokapelle geht zurück auf die Belagerung durch Franzosen im Jahr 1704. Sie entstand an der Stelle, an der sich das Zelt des Marschalls befand.

Seit dem ersten Maiwochenende ist die Villinger Lorettokapelle traditionell am Sonntagnachmittag für Besucher offen. Oft wird auch ein Rosenkranz gebetet.

 

Am Festtag Christi Himmelfahrt trafen sich traditionell Gläubige aller katholischen Gemeinden in der Seelsorgeeinheit an der Lorettokapelle auf der Hammerhalde, um das Bittamt zu begehen. Die Bezeichnung Bittamt für den feierlichen Gottesdienst, den die katholischen Villinger Pfarreien seit langem gemeinsam möglichst unter freiem Himmel feiern, rührt noch aus den Zeiten, als es Bitt- und Flurprozessionen an den Tagen vor Christi Himmelfahrt gab. Vielerorts ist dies auch heute noch in ländlichen Gemeinden der Brauch.

Noch vor 50 Jahren pilgerten in den Tagen rund um den Feiertag Gläubige um die Felder durch das Warenbachtal oder hinauf zur Hammerhalde. Meist begann die Flurprozession in der Früh, und die Schulkinder wurden dazu vom Unterricht freigestellt.

Der Bau der Kapelle geht auf die Belagerung der Stadt durch den französischen Marschall de Tallard vom 16. bis 22. Juli 1704 zurück. Damals gelobten Magistrat und Villinger Bürger auf Vorschlag des Pfarrrektors Johann Jakob Riegger, bei glücklicher Rettung aus Feindesnot zu Ehren Mariens, der Schutzpatronin der Stadt, eine Lorettokapelle zu bauen. Am siebten Tag hob der Feind die Belagerung auf und zog unverrichteter Sache ab. Die Stadt war gerettet.

Mit Feuerkugeln die Häuser in Brand gesetzt

Genau an der Stelle, an der einst das Zelt des Marschalls Tallard stand, wurde die Kapelle erbaut. Sie blieb ein Zeichen der Menschen, die Kraft aus dem Glauben schöpften, als der übermächtige Feind mit 30 000 Soldaten die 4000 Bürger zählende Stadt angriff und mit Feuerkugeln die Häuser in Brand setzte, bis es aus heiterem Himmel zu regnen anfing und die Soldaten in verschlammten Laufgräben standen. Die Kanonen konnten kaum mehr bewegt werden, und es hätte Tage gebraucht, um das „Loch“, wie es der der Marschall betitelte, einzunehmen. Da er unter Zeitdruck stand, zog er ab.

Am 8. Oktober 1709 geweiht

Auf der Anhöhe des Engelhard, „eine Viertelstunde nordwestlich der Stadt, allwo die belagernde Armee gestanden, wurde aus „gemeiner Stadt mittel“ die Lorettokapelle gebaut. Genau ein Jahr nach der Belagerung wurde durch Dekan Frank aus Bräunlingen der Grundstein gelegt. Am 17. September 1706 wurde die Kapelle durch Abt Michael Glücker aus St. Georgen gesegnet und am 8. Oktober 1709 durch den Weihbischof aus Konstanz geweiht.

Die Kapelle hat die gleiche Bauform wie alle Lorettokapellen, sie ist nach dem Vorbild derjenien aus Konstanz gebaut. Im 17. Jahrhundert war es eine verbreitete Sitte, Kapellen nach dem Vorbild der „Casa Santa“, des Heiligen Hauses in der Wallfahrtskirche zu Loretto bei Ancona in Italien, zu errichten. Der Sage nach sollten 1291 Engel die Hütte der heiligen Familie in Nazareth nächtens nach Dalmatien in die Stadt Loretto versetzt haben. Alle Maße entsprechen einander, auch die Nachahmung der rohen Backsteinstruktur der Wände und der fragmentarischen Verputzflächen angebrachter Wandbilder. Auf einem Satteldach ist ein kleines Glockentürmchen.

Die Glocke wird heute noch mit einem Seil zum Klingen gebracht, was die Ministranten erfreut. Zwei schmale Türen auf der linken Längsseite führen in den Innenraum. Auf der Westseite befindet sich ein Anbau mit Pultdach. Im Innern wird die Kapelle durch eine Holzwand in zwei Räume geteilt. Der kleinere bildet die Behausung der Gottesmutter. Die Kapelle ist mit einer Marienfigur und einer Kreuzigungsgruppe verziert und einfach gestaltet.

Bittprozessionen

Geschichte
Die Buße – die Umkehr zu Gott – dient immer dazu, wenn die Kirche feierlich um etwas bittet. Darum hat schon der heilige Bischof Mamertus von Vienne in Frankreich die Menschen zu Fasten und Buße aufgerufen, als er nach Erdbeben und Missernte im Jahr 496 an den drei Tagen vor Christi Himmlfahrt Bittprozessionen abhielt. Diese Prozessionen – und die Bitttage – verbreiteten sich über ganz Europa und wurden um das Jahr 800 durch Papst Leo III. zum festen Bestandteil der Liturgie. Die Prozessionen, bei denen vor allem um eine gute Ernte und das Ausbleiben von Naturkatastrophen gebetet wird, haben weiterhin auch Bußcharakter. Heute sind in den ländlichen Gegenden, in denen die Ernte wirtschaftlich eine Rolle spielt, die Bittprozessionen über die Felder – Flurprozessionen – in den Bitttagen immer noch verbreitet. Es gibt sie vereinzelt aber auch in der Stadt.