Herzlich winkt Bundespräsident Joachim Gauck den Schaulustigen auf dem Münsterplatz in Freiburg zu. Foto: Salzer-Deckert Foto: Schwarzwälder-Bote

Bundespräsident Joachim Gauck und 150 Diplomaten aus aller Welt erkunden Südbaden

Von Ralf Deckert Freiburg/Breisach. Mit fünf Reisebussen und Punkt 11.07 Uhr trifft der riesige Tross in Breisach vor dem THW-Zentrum ein. An Bord: Bundespräsident Joachim Gauck und rund 150 Diplomaten aus aller Welt.

Es ist der Tag des Besuchs des Bundespräsidenten in Südbaden. Und es ist Tradition, dass er einmal im Jahr die hierzulande tätigen Botschafter zu einer Deutschlandreise einlädt. Vor ihrer Ankunft in Breisach sind die Diplomaten und Gauck mit einer Maschine der Luftwaffe von Berlin kommend in Basel am Euro Airport gelandet: "Nach Süddeutschland fliegen, in Frankreich landen", fasste Gauck später die gelebte grenzüberschreitende Realität am Oberrhein zusammen. Sie war das Kernthema der "Informations- und Begegnungsreise" des Bundespräsidenten mit den Missionschefs des Diplomatischen Korps.

Es sei "ein toller Tag" für Breisach, die Stadt könne sich bei dem herrschenden "Präsidentenwetter" – wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobt – "von ihrer besten Seite" zeigen, freut sich Bürgermeister Oliver Rein (CDU). Der Besuch sei "eine Motivationsspritze" für die ehrenamtlichen Rettungskräfte, so Rein weiter. Genauer: In Breisach im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald steht eine Vorführung der grenzüberschreitenden Rettungskräfte von THW, DRK, DLRG und der Feuerwehren beider Rheinseiten auf dem Programm. "Wir sind mit 140 Ehrenamtlichen im Einsatz", berichtet THW-Zugführer Dirk Wiebeck. Hochwasserrettung und Maßnahmen beim Einsturz eines Gebäudes werden den internationalen Gästen vorgeführt. Das sei Routine, so Wiebeck: "Wir machen solche Übungen auf beiden Seiten der Grenze mindestens zweimal im Jahr."

Der Bundespräsident ist beeindruckt, lobt die "riesige Helfer-Community". Besonders gut gefalle ihm der grenzüberschreitende Aspekt der ehrenamtlichen Arbeit. "Und, dass hier schon so viele Kinder und Jugendliche mitmachen." Es gehe bei der Reise im Dreiländereck nicht nur darum, "eine berühmte Kirche und einen berühmten Ministerpräsidenten" zu sehen und die "berühmte Küche" Südbadens zu genießen. Vielmehr sei es ihm ein Anliegen, nicht nur "große Köpfe" zu begrüßen, sondern "jeden Einzelnen von Ihnen!"

Der isländische Botschafter hätte gern mehr Zeit: für eine Bratwurst in Freiburg

Dass so ein Besuch gut für die Stadt sei, ist auch aus den Reihen der Zaungäste zu hören, die die Rettungsübung hinter Absperrgittern verfolgen. Landrätin Dorothea Störr-Ritter (CDU) freut sich über die Werbung für Südbaden. Ob das auch bis in die Heimatländer der Botschafter durchdringe, will sie allerdings nicht mit Sicherheit sagen: "Da muss man Realist sein." Oder bereits Freiburg-Fan, wie Botschafter Elio Menzone aus Italien: "Ich war schon einmal hier, als ich 22 war", erinnert er sich. Nun, wenige Monate nach seinem Amtsantritt, sei er froh, wieder einmal die Stadt besuchen zu können, die für ihre italienische Lebensart so bekannt sei. Auch der isländische Botschafter Gunnar Snorri Gunnarsson kennt die Region gut: "Ich habe familiäre Verbindungen hierher, meine Nichte studiert in Freiburg." Schade sei nur, dass er bei dem streng durchorganisierten Besuchsprogramm keine Zeit für eine Bratwurst auf dem Münsterplatz habe.

Mehr Details erfahren Gauck und die Diplomaten beim Mittagessen im "Schloss Reinach" in Freiburg-Munzingen – bei Lachsforelle mit Raucharomen auf Kopfsalatherzen mit Erbsen und eingelegten Zitronen, rosa Kalbstafelspitz auf getrüffeltem Kartoffelpüree und geschmorten Karotten. Dort kommt Gauck auf die Tagespolitik zu sprechen: Der Bundespräsident meint mit Blick auf die aktuellen Spionageaktivitäten der USA, diese erfüllten ihn "mit großer Sorge". Gauck erinnert an den US-Präsidenten Benjamin Franklin und dessen Satz, wonach "wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, beides verliert".

Gauck, Kretschmann und der Doyen (Älteste) des Diplomatischen Korps, der Apostolische Nuntius (Botschafter des Papstes) Erzbischof Jean-Claude Perisset, loben in ihren Tischreden ein weiteres Mal die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Region, für die es "viele faszinierende Beispiele" gebe. Kretschmann erwähnt den Zoll und die Polizei. Baden, so Gaucks Fazit, sei nicht nur eine wunderschöne Landschaft, die es zu entdecken gelte, sondern auch dank der Badischen Verfassung von 1818 so etwas wie eine Wiege der Demokratie und des Parlamentarismus. Grenzübergänge seien ein Fremdwort geworden.

Der Bundespräsident erfüllt mit seinem Wissen und seiner Begeisterung für das Dreiländereck, was einige Zaungäste draußen vor der Tür sich mit am meisten von so einem Besuch aus Berlin erwarten: "Dass er weiß, was hier Thema ist und sich mit der Region auseinandergesetzt hat", erzählt eine Dame aus einer Freiburger Umlandgemeinde.

Es folgt ein "Walking Dessert im Garten" für die Gäste, darunter neben Gauck und Kretschmann auch Innenminister Reinhold Gall (SPD), Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne), Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (parteilos) und Freiburgs Unirektor Hans-Jochen Schiewer.

Schaulustige erhoffen sich vom Besuch genauso wie Politiker einen Prestigegewinn

Die internationale Reisegruppe des Bundespräsidenten lässt dem Besuch in Munzingen einen Abstecher ins Freiburger Münster und das Historische Kaufhaus folgen, wo Gauck sich wie in Breisach im Goldenen Buch der Stadt verewigt. Dort ist zuvor der einzige Fauxpas passiert: Im Rathaus von Breisach soll sich auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) ins Goldene Buch der Stadt eintragen. In edler Schönschrift wird er dort als Innenminister von "Baden-Würrtemberg" bezeichnet. Ein T zu wenig, ein R zu viel. Bürgermeister Rein ist das sichtlich peinlich. Die Freude über Gaucks Besuch kann der Fehler am Ende aber nicht trüben. Der Bürgermeister von Vogtsburg, Gabriel Schweizer, fasst es so zusammen: "Einen besseren Werbeträger als den Bundespräsidenten können wir uns nicht vorstellen."

Im Münster treffen Gauck und der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof, Robert Zollitsch, aufeinander. Zollitsch stellt dem Präsidenten das Münster als "imponierendes Meisterwerk der Baukunst" vor, bei dem vor allem der Hochaltar von Hans-Baldung Grien den Besuch aus Berlin begeistert. Orgelmusik von Richard Wagner, César Franck und Charles-Marie Widor wird gespielt.

Auf dem Münsterplatz und später in der Innenstadt schüttelt Gauck zahlreichen Schaulustigen die Hand. "Meine Frau hat dem Erzbischof, dem Oberbürgermeister und dem Präsidenten die Hand geschüttelt", witzelte dort ein Mann aus dem Hochschwarzwald: "Jetzt darf sie die nicht mehr waschen." Andere Passanten sagen, dass sie sich von dem Besuch einen Prestigegewinn für die Stadt erhoffen. Auf den setzt auch Freiburgs OB Salomon: Der Besuch sei eine "große Ehre und Auszeichnung". Man wolle den Besuchern "europäische Identität und Zukunft" vermitteln.

Nachdem sich die Diplomaten ohne Gaucks Begleitung den Ökostadtteil Vauban angeschaut haben, geht es auf Einladung Kretschmanns ins Weingut von Gleichenstein in Vogtsburg-Oberrotweil. Erzbischof Perisset sagt, "geistig und geistlich" solle es ein "erhebender und gesegneter Ausflug" werden. Staatstragender fasst Kretschmann die Reise zusammen. "Südbaden repräsentiert damit auf besondere Weise unser ganzes Bundesland: bunt und facettenreich mit einer engagierten Bürgerschaft, einer starken mittelständischen Wirtschaft und einer ausgezeichneten Wissenschafts- und Forschungslandschaft", sagt der Ministerpräsident am Abend – bevor die Gäste von Lahr im Ortenaukreis aus den Heimflug nach Berlin antreten.

u Das Ziel Seit 1996 gibt es die Tradition, dass der Bundespräsident einmal im Jahr eine "Informations- und Begegnungsreise" für Diplomaten aus aller Welt in eine bestimmte deutsche Region anbietet. In diesem Jahr war mit Freiburg die am weitesten von Berlin entfernte deutsche Großstadt Ziel der Reisegruppe.

u Der Zweck

Die Reise hat eher den Charakter eines bunten Ausflugs, als einer politisch wichtigen Angelegenheit. Gleichzeitig ist die Reise eine logistische Anforderung ersten Ranges, wie ein Sprecher des Bundespräsidialamts erklärt. So viele hochkarätige Diplomaten auf einmal organisiert zu bekommen, sei nicht einfach.

u Die Gruppe

Der Ausflug nach Freiburg wurde von einem 70-köpfigen Pressetross und zahlreichen Polizeibeamten begleitet. Der Einsatz sei reibungslos gelaufen, sagte Polizeisprecherin Laura Riske kurz vor Ende des Besuchs. Die Kosten der Reise sind laut Bundespräsidialamt von Jahr zu Jahr verschieden und schwer abzuschätzen.