Sportchef Uwe Gensheimer (li.) arbeitet bei den Rhein-Neckar Löwen eng mit Cheftrainer Maik Machulla zusammen. Foto: Imago/foto2press

Uwe Gensheimer hat die Rhein-Neckar Löwen umgebaut. Vor dem Duell mit Frisch Auf Göppingen spricht der Sportchef über die Ziele, seine Rolle und die Rauswürfe von Kollegen.

Der langjährige Nationalmannschafts-Kapitän Uwe Gensheimer hat seinen Rollenwechsel zum Sportchef der Rhein-Neckar Löwen gemeistert. Vor dem baden-württembergischen Derby gegen Frisch Auf Göppingen (Donnerstag, 19 Uhr/SAP-Arena) gibt der 38-Jährige Einblicke in seine Arbeit und schätzt die Bundesliga ein.

 

Herr Gensheimer, wie viel Spaß macht die Liga?

Ich glaube, das können Sie fast besser beurteilen. Weil Sie nicht direkt betroffen sind und es freier einschätzen können. Aber es macht schon Spaß zu sehen, wie alles immer enger zusammenrückt. Das hat sich in den letzten Jahren abgezeichnet, und der Trend verstärkt sich.

Sie haben mit den Löwen am Sonntag beim 31:31 in Kiel dem THW den ersten Punkt abgenommen, viele dachten, der SC Magdeburg kommt vielleicht sogar verlustpunktfrei durch die Saison, lässt dann aber beim HC Erlangen einen Zähler liegen.

Und trotzdem bleibt der SCM mein Meisterschaftstipp, davon rücke ich nicht ab. Sie haben den eingespieltesten und stärksten Kader. Und man darf nicht vergessen, die Magdeburger haben jetzt bei der Club-WM in Ägypten gespielt. Als sie den Punkt beim HCE ließen, haben sie 48 Stunden vorher noch in der Champions League beim FC Barcelona ein Riesenspiel gemacht und gewonnen. Das ist brutal anstrengend und macht was mit einer Mannschaft.

Ihre Löwen haben die Belastung nicht, dreimal in den vergangenen vier Jahren verpasste man die Teilnahme am Europapokal.

Genau. Und jetzt sind wir auch noch im DHB-Pokal raus.

Sie sagen aber nicht den Satz: „Jetzt können wir uns auf die Liga konzentrieren.“

Jein. Wir haben einen breiten Kader zusammengestellt, da wäre es nicht schlecht, häufig zu spielen. Aber, und das kann ich nur auch immer wieder betonen, wir haben viele Neuzugänge, die die Liga noch nicht kennen, und so haben wir zwischen den Spielen ausreichend Zeit, unsere Abläufe zu festigen.

In den vergangenen beiden Spielzeiten landeten die Löwen, abgehängt von den Spitzenteams, nur auf den Plätzen zwölf und neun. Das kann nicht Ihr Anspruch sein – oder?

Wir wollen die europäischen Plätze wieder angreifen, ein Herausforderer sein – und trotzdem bin ich auch realistisch genug, um zu wissen, dass viele Teams den gleichen Anspruch haben und uns manch ein Club in den vergangenen zehn Jahren wirtschaftlich überholt hat.

Uwe Gensheimer gewinnt mit den Löwen 2023 den DHB-Pokal. Foto: imago/Sven Simon

Wie schwer war es, die Serie an Fehlentscheidungen, die die Löwen ins graue Mittelmaß führte, zu korrigieren?

Es waren nicht nur Fehlentscheidungen, es kam auch Verletzungspech dazu. Wir haben auch letztes Jahr gezeigt, dass wir in Vollbesetzung mit den Topteams mithalten können. Aber wir müssen konstanter werden und ein gewisses Niveau immer abrufen. Das ist die Kunst in dieser Liga, in der du in jedem Spiel zu 100 Prozent fokussiert sein musst und dir keine Schwächephase erlauben darfst.

Seit Sommer 2024 sind Sie Sportchef. Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach dem Rollentausch aus?

Es war mit Sicherheit nicht einfach, zumal es auch einen Geschäftsführerwechsel gab. Dann haben Sebastian Hinze und wir die Entscheidung getroffen, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Maik Machulla war frei und hat perfekt in unser Anforderungsprofil und zu unserer Spielidee gepasst. Neben der Position des Cheftrainers galt es auch, die Position des Co-Trainers und des Torwart-Trainers neu zu besetzen. Wir haben den Kader mit acht Neuzugängen komplett verändert. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen, habe aber schnell gelernt zu schwimmen.

Wundern Sie sich nicht, wie Bennet Wiegert in Magdeburg , Nicolej Krickau in Berlin oder auch Ben Matschke bei Frisch Auf es schaffen, Trainer und Sportchef in Personalunion zu sein?

Ich selbst bin ja auch bei den Auswärtsspielen dabei und bei 80 Prozent der Trainingseinheiten, das ist schon sehr zeitaufwendig. Bei den Trainern kommt die ganze Vor- und Nachbereitung dazu. Von daher, klar: Vor allem für Bennet, der mit dem SCM auch in der Champions League unterwegs ist, ist das schon ein brutales Ding. Da gibt es im Leben nicht viel außer Handball.

Zuletzt kam es mit Stefan Kretzschmar bei den Füchsen und Michael Allendorf in Melsungen zur Trennung von zwei Sportdirektoren. Ist das ein neuer Trend in der Sportart?

Ich hoffe nicht. Beide Entscheidungen haben mich extrem überrascht, weil es Personen getroffen hat, die sehr erfolgreiche Arbeit geleistet und für die besten Ergebnisse in der Historie ihrer Vereine gesorgt haben. Diese Trennungen haben mich nachdenklich gemacht und zeigen, wie schnelllebig das Geschäft sein kann.

Bei den Löwen bekommen Sie in der neuen Saison mit Patrick Groetzki, Ihrem langjährigen Freund und Zimmerkollegen in Verein und Nationalmannschaft, einen Kollegen. Steht schon fest, welche Tätigkeit im Club-Management er genau ausübt?

Es ist noch nicht final ausgegoren. Aber ich freue mich, dass eine solche Identifikationsfigur nach ihrer aktiven Karriere dem Verein erhalten bleibt. Patrick trägt wie wenig andere die Löwen-DNA in sich, das kann nur positiv sein.

Am Donnerstag steigt das baden-württembergischen Derby . . .

. . . und Frisch Auf kommt nach dem Sieg gegen Hannover mit Rückenwind. Das ist ein unangenehmer Gegner, der mit unserem Ex-Spieler Ymir Gislason in der Abwehr Beton anrühren kann, es waren immer enge Spiele.

Löwen-Jubel: Sebatian Heymann (li.), Patrick Groetzki. Foto: imago/speedshot

Auf Ihrer Seite steht mit Sebastian Heymann ein Ex-Göppinger. Warum hat er nur so wenig Spielanteile?

Basti muss man zu Gute halten, dass er in der vergangenen Rückrunde gar nicht einsatzfähig war. Er hatte eine Fußverletzung, dann wurden freie Gelenkkörper am Ellbogen entfernt. Damit hat er noch zu kämpfen, genauso mit der Anpassung ans Spielsystem. Bisher konnte er uns noch nicht so viel helfen, aber wir werden ihn mit seinen Qualitäten noch brauchen. Wir hoffen, dass er schnell an sein riesiges Leistungspotenzial herankommt.

Und Nationalspieler Jannik Kohlbacher wird seinen auslaufenden Vertrag bei den Löwen verlängern?

Wir sind natürlich in Gesprächen mit Kohli. Ich bin da ganz positiv.

Zur Person

Karriere
Uwe Gensheimer kam am 26. Oktober 1986 in Mannheim zur Welt. 2005 stieg er mit den Rhein-Neckar Löwen in die Bundesliga auf. Von 2016 bis 2019 spielte der Linksaußen für Paris Saint-Germain. Dann kehrte er als Spieler zurück, im Sommer 2024 wurde er Sportchef. Erfolge: EHF-Pokalsieger (2013), Meister (2016) und Pokalsieger (2023) mit den Löwen, Meister (2017, 2018, 2019) und Pokalsieger (2018) mit Paris; Olympia-Bronze (2016) mit der deutschen Nationalmannschaft. Gensheimer bestritt 204 Länderspiele und erzielte 921 Tore. Von 2014 bis zu seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft 2021 war er Kapitän des DHB-Teams.

Auszeichnungen
Torschützenkönig der Champions League (2011, 2017, 2018); Bundesliga-Torschützenkönig (2012), Deutschlands Handballer des Jahres (2011, 2012, 2013, 2014). (jüf)