Eine Talkrunde will die vielen Aspekte von Demenz aufzeigen. Foto: Pixabay/Altmann

Demenz: Diese Diagnose macht vielen Angst. Umso wichtiger ist es, das Thema zu enttabuisieren. Eine Talkrunde im Burghof will dies tun. Teilnehmerin ist auch Andrea Rufle. Sie ist Tagespflege-Leiterin – und versucht, Ängste zu nehmen.

Auf die Gesprächsrunde mit Experten im Burghof am Freitag, 25. Oktober, 17.30 Uhr, folgt am Samstag ein Tanzabend. Demenzerkrankte aus dem Publikum werden auf der Burghof-Bühne mit dem Ensemble mittanzen. Ein außergewöhnliches Projekt, das die italienische imPerfect Dancers Company bietet. „Empty Floor“ heißt ihr Stück. Darin wird das verborgene Universum von Betroffenen ausgelotet. Verschiedene Aspekte der Krankheit werden erforscht: Angst, Liebe, Solidarität, Stürze, Peinlichkeiten, Kontrollverlust.

 

Was die Expertin sagt

Andrea Rufle ist Leiterin der Tagespflege des Evangelischen Altenwerks in Lörrach. Seit 28 Jahren arbeitet sie mit Demenzerkrankten. Sie wird an der Gesprächsrunde am Freitag teilnehmen – und ist sehr gespannt auf den kulturellen Beitrag der Tanzkompanie am Folgetag. „Ich war sehr überrascht, dass das Thema auf die Bühne kommt. Die Reaktion Demenzerkrankter ist ja wenig plan- und vorhersehbar.“ Sie freut sich indes, dass über Demenz gesprochen wird. „Wir müssen mit dieser Krankheit leben lernen. Es ist eine Alterserkrankung, die immer mehr Menschen betrifft“, sagt sie. Sie versteht natürlich die Ängste, die mit der Diagnose verbunden sind. „Die Krankheit bedeutet ja Kontrollverlust, anders als bei anderen schweren Erkrankungen. Und das erschreckt auch das Umfeld.“

Szene aus dem Tanzstück der imPerfect Dancers /Camille Fenech

Sie möchte im Gespräch im Burghof Betroffene ermutigen. Es gehe nicht um ein Abschieben der Erkrankten. Aber die Angehörigen sollten sich möglichst früh ein Netzwerk aufbauen, sich Hilfe suchen. „Bis eine Entlastung organisiert ist, das dauert in Deutschland meist viel zu lange. Da müsste mehr geholfen und informiert werden, beispielsweise über die Hausärzte.“ Erschwerend komme hinzu: Viele alte Ehepaare hätten sich ja einst geschworen, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein.

Betroffene ermutigen

„Sie denken dann, sie müssten das alles alleine schaffen.“ Das führe dazu, dass viele Pflegende bis an ihr Limit gehen, bevor sie die Unterstützung aufgegleist hätten, die es brauche. Denn auch Angehörige müssten Zeit für sich haben, um Kraft zu tanken, erfährt die Expertin tagtäglich bei ihrer Arbeit. „Man muss auch wieder man selbst sein.“

Ohne Distanz

Sie appelliert aber auch an das weitere Umfeld: Freunde sollten sich möglichst nicht distanzieren, obwohl sie versteht, dass viele nicht damit umgehen können, wenn jemand nicht mehr leistungs- und kommunikationsfähig ist.

Ohne Scham

Andererseits habe sich generell der Umgang mit Alzheimer und Demenz im Vergleich zu früher verändert. „Das Schämen ist weggefallen, man redet offener darüber.“ Die Betroffenen selbst versuchten indes zu Beginn der Erkrankung, ihren Zustand zu verbergen, zu überspielen. „Das ist reiner Selbstschutz. Sie merken, dass etwas nicht mehr stimmt, obwohl sie doch ihr Leben bis dahin im Griff hatten, leistungsstark waren.“ Das mache Angst, was sich auch in einer extremen Muskelverspannung äußere, so Andrea Rufle. In dieser Phase sind die Erkrankten bemüht, möglichst nichts falsch zu machen. Dies lasse dann nach, je schlechter die kognitiven Fähigkeiten werden.

Humor hilft

Doch wie geht man mit Demenzerkrankten um? Humor sei immer ein guter Weg, findet die Tagespflege-Leiterin: „Mit den Menschen lachen, das hilft über Vieles hinweg.“ Tipps für den Umgang gibt es einige: Zeit nehmen, Blickkontakt aufbauen, in kurzen, klaren Sätzen kommunizieren, ruhig bleiben, eine ruhige Atmosphäre schaffen. „Dauerndes Radiogedudel oder Fernsehen sind nicht förderlich“, erklärt Andrea Rufle.

Wie mit Demenz umgehen?

Man sollte den Erkrankten im Gespräch seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit widmen und nicht nebenher telefonieren oder aufs Handy schauen. Reagiert der Erkrankte mit Aggression oder Verweigerung, rät sie dazu: Kurz aus der Situation herausgehen, einen neuen Anlauf nehmen: „Diskutieren nützt da nichts.“ Für viele Angehörige seien solche Tipps ein echtes Aha-Erlebnis. Und wie geht sie selbst mit den Anforderungen um? „Ich helfe gerne, versuche, den Angehörigen Brücken zu bauen. Ich kann Empathie zeigen, mitfühlen – ohne mitleiden zu müssen.“

Mit Empathie

Burghof-Talk: Freitag, 25. Oktober, 17.30 Uhr: Demenz im Fokus: Pflege Gesellschaft und Kunst im Dialog mit Waltraud Keller, Projektleitung Netzwerk Demenz und Pflegebegleitung Freiburg, Giannis M., Psychologe mit beginnender Demenz, Andrea Rufle, gerontopsychiatrische Fachkraft und Leitung der Tagespflege, Evangelischen Altenwerk Lörrach sowie Mitwirkende der imPerfect Dancers Company, Eintritt frei

Tanzaufführung „Empty Room“: Samstag, 26. Oktober, 20 Uhr, Burghof