Voll besetzt ist der Saal der Tourist-Information beim Vortrag von Heimatforscher Rudolf Gwinner über den demokratischen Neuanfang Löffingens nach dem Zweiten Weltkrieg. Fotos: Bächle Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläumsjahr: Rudolf Gwinner blickt auf den demokratischen Neuanfang Löffingens in den Jahren 1945/46

Ein weiterer Blick in die wechselvolle Geschichte des Baarstädtchens Löffingen ermöglichte Heimatforscher Rudolf Gwinner anlässlich der Vortragsreihe im Jubiläumsjahr 1200 Jahre Löffingen.

Löffingen. Gwinner ging dem demokratischen Neuanfang in den Jahren 1945/46 auf den Grund. Auch hier war der Saal der Tourist-Information voll besetzt, und die interessierten Gäste bereicherten den spannenden Vortrag. Die Zeitzeugen Hans Hasenfratz (83) und Irma Hasenfratz (82) konnten so manche Neuigkeit zum Vortrag beitragen.

Am 25. April 1945 marschierten die Franzosen in Löffingen ein. Zwei Stunden zuvor fand der letzte Bombenangriff auf Löffingen statt. Insgesamt gab es acht Fliegerangriffe, am 30. September 1944, und dann Schlag auf Schlag am 19., 22., 24. und 27. Februar, 4., 14. und 25. April 1945. "Das Ziel war der Löffinger Bahnhof, um die Munitionstransporte zu stoppen, die aus dem Munitionslager im Löffinger Stadtwald transportiert wurden. Gleichzeitig sollte auch das Benz-Sägewerk zerstört werden, da hier die Munitionskisten hergestellt wurden", so Gwinner. Zeitzeuge Hans und Irma Hasenfratz sowie Zeitungsberichte von damals berichteten über die Situation nach dem Bombenhagel, den Schock und die Angst der Menschen, die im Luftschutz-Keller von Wagner Schelling Schutz gesucht hatten.

Die weibliche Feuerwehr unter der Leitung von Karl Glunk und Franziska Heiler – sie wurden unterstützt von den Feuerwehren aus Bonndorf, Neustadt, Göschweiler und Rötenbach – waren im Großeinsatz, um dem Feuer Herr zu werden. Am Ende gab es mehrere Tote und viele Verletzte zu beklagen. 456 Personen waren obdachlos, insgesamt wurden 19 Gebäude durch die Angriffe total zerstört, 14 schwer beschädigt und 169 leicht beschädigt. Das Bahnhofsareal glich einem Kraterfeld, zerstört wurde das Telefonnetz, die Wasser- und Stromleitungen, die Bahnverbindung war unterbrochen, und das Löffinger Krankenhaus musste sogar kurzfristig geräumt werden. Der Gebäudeschaden wurde auf 528 444 Deutsche Mark beziffert.

Am 27. Mai 1945 wurde der Grundstein für den demokratischen Neubeginn in Löffingen gelegt. Auf Initiative von Schneidermeister Hermann Ganter hatte Bürgermeister Wilhelm Maier 38 "unbelastete Bürger" zu einer Versammlung ins Löffinger Rathaus eingeladen. Diese wählten einen provisorischen Gemeinderat, bestehend aus Altbürgermeister Adolf Kuster, Ernst Messmer, Paul Benitz, Hermann Ganter, Fritz Adrion Senior, Josef Egle, Wilhelm Maier wurde zum Bürgermeister ernannt. Das Gremium wurde von den Franzosen zwar nicht anerkannt, aber geduldet. "Im Vergleich zu anderen Gemeinden hatte Löffingen einen relativ großen Gestaltungsfreiraum", so Gwinner.

Am 15. September 1946 gab es in Löffingen nach 1932 erstmals wieder freie Kommunalwahlen. Angetreten waren die Christlich-Soziale Volkspartei (CSVP), die Sozialistische Partei (SP) und die Kommunistische Partei (KP) auf einer Einheitsliste. Gewählt wurden Paul Benitz, Hermann Ganter, Adolf Schelling, Adolf Heizmann, Bernhard Strobel und Josef Egle. Ehemalige NSDAP-Mitglieder hatten kein Wahlrecht.

Am 5. Dezember 1948 fand in Löffingen die erste freie Bürgermeisterwahl statt, es gingen 801 Einwohner zur Urne. Die Bevölkerung wählte Paul Benitz mit 335 Stimmen zum Bürgermeister. Ein vorgesehener zweiter Wahlgang – Karl Zepf hatte 326 Stimmen, wurde abgelehnt, da Zepf als Mitläufer eingestuft wurde und deshalb nicht wählbar war.

Rudolf Gwinner ging auf Löffinger Persönlichkeiten ein.

Wilhelm Maier: Wilhelm Maier war bis 1933 Stadtrat, er hatte sich im Ersten Weltkrieg hohe Auszeichnungen erworben. 1943 beauftragten ihn die Nationalsozialisten mit der Leitung der Gemeinde Löffingen. Er wagte es aber trotzdem – als einer der wenigen in der Region – demonstrativ an der Fronleichnams-Prozessionen teilzunehmen und trug den Himmel. Maier besaß großes Ansehen in der Bevölkerung, und da er sich nichts zu Schulden kommen ließ, wurde er von der französischen Kreiskommandantur auf dem Bürgermeisterposten behalten, während andere NS-Bürgermeister ins Internierungslager mussten. Im November 1945 trat Maier (der langjährige Leiter der Sparkasse) aus Enttäuschung über die Intrigen gegen seine Person zurück.

Heinrich Andris: Blickt man in die Geschichte zurück, so ist NS-Bürgermeister Heinrich Andris, den Maier abgelöst hatte, laut Gwinner eine zweifelhafte Person. Andris wurde 1934 als ehrenamtlicher Bürgermeister eingesetzt, 1936 zum hauptamtlichen Bürgermeister ernannt und 1943 aus dem Amt entfernt, da er 1942 wegen verschiedener Dienstvergehen rechtskräftig verurteilt wurde. "Mit perfiden Mitteln schikanierte er die katholische Kirchengemeinde St. Michael. Dafür schrieb er auf seine Erfolgsfahne, was Bürgermeister Adolf Kuster (1920 bis 1933) angefangen hatte. So den Schul- und Festhallenbau oder Bau des Waldbades", so Gwinner.

Parteien und Vereine: 1946 wurden in den französischen Zonen Parteien zugelassen. Im Mai 1946 wurde die CSVP (später CDU) gegründet, im Oktober 1946 die SP (SPD), ebenso die KP (KPD) und die DP (später FDP). 1946 beginnt auch die Zulassung der Wiedergründung von Vereinen. Die erste Lizenz ging an den FC Löffingen, der damals mit dem Turnerbund als TUS installiert war. 1950 folgten Stadtmusik, TUS, MGV, Kirchenchor, Zitherclub, Ziehharmonika Club, Verein der Laternenbürder, Naturfreunde und Kolpingsfamlie.

Fritz Adrion Senior: Große Verdienste um die Stadt hat sich Fritz Adrion erworben. Mehrfach trat er vermittelnd zum Wohl der Stadt bei der Besatzungsmacht erfolgreich auf, ebenso auch Stadtpfarrer Karl Weickardt. 1946 wurde Fritz Adrion mit einem überdurchschnittlichen Stimmenergebnis in den Kreistag gewählt. Er engagierte sich auch in den Vereinen, seine Kreativität und sein Organisationstalent waren geschätzt. Seine Handschrift trugen viele große Veranstaltungen. "Er hat auch denen nach Kriegsende geholfen, die ihn zwischen 1933 und 1945 eingeschüchtert und seine Existenz gefährdet hatten", unterstrich Rudolf Gwinner abschließend.