Feierstunde: Stolperstein vor dem Geburtshaus des Löffingers im Pflaster eingebracht / Sohn der Stadt

Löffingen hat jetzt einen Stolperstein, der an ein Opfer des Nationalsozialismus erinnert: Der Kölner Künstler Gunter Demning hat den Stein im Beisein von rund 30 Bürgern verlegt.

Löffingen. Auch an Löffingen und seinen Bürgern ging die Zeit der Nationalsozialisten nicht spurlos vorüber und fordert so manches Opfer. Eines davon war Kilian Götz, der im Konzentrationslager Neugamme bei Hamburg am 15. Januar 1943 ermordet wurde.

Der Hintergrund: Es war der aus Löffingen stammende Historiker Jörg Waßmer, der nach seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung über das Leben des Löffinger Kleinkriminellen Kilian Götz einen solchen Stolperstein anregte. Die 120 Euro für den Stein mit der Inschrift wurden von den Zuhörern damals bei Waßmers Vortrag schnell gesammelt und nach der Zustimmung der Stadt und des Hauseigentümers war es der Kölner Künstler Gunter Demning, der den Stein am Dienstagnachmittag im Pflaster einbrachte. Umrahmt wurde dieser denkwürdige Augenblick durch die Trompetenstücke "Largo" aus der Sinfonie Nr. 6 und "Näher dein Gott zu Dir" durch Waldemar Zepf von der Stadtmusik.

Ein Sohn der Stadt: Jörg Waßmer ging nochmals kurz auf das nicht einfache Leben von Kilian Götz ein. "Am 2. Juli 1897 brachte die Dienstmagd Sophie Götz an der Vorstadtstraße ihren unehelichen Sohn Kilian zur Welt, ein Stigma, das ihm lebenslang anhaftete". Kilian Götz wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei den Großeltern auf und fühlte sich zeitlebens verstoßen. Allerdings sei dies keine Entschuldigung, dass er auf die schiefe Bahn kam, informierte Jörg Waßmer vor einer rund 30 Personen großen Schar interessierter Löffinger Bürger. Er war laut Waßmer sicherlich kein Vorzeige-Löffinger, keine Persönlichkeit, sondern ein Kleinkrimineller, der für seine Taten, vor allem Diebstähle und Betrügereien, zwischen 1920 und seinem Tod mehr als zwölf Jahre in Gefängnissen und Zuchthäusern inhaftiert war. "Aber es besteht kein Zweifel, niemand war zu Recht im KZ, auch Kilian Götz nicht und sein Tod war Mord", sagte Jörg Waßmer. Kilian Götz sei ein Opfer des NS-Regimes, das viel zu lange vergessen wurde. Waßmer verheimlichte nicht, das Götz schon zu Lebzeiten ein gesellschaftlicher Außenseiter war. Mit dem Stolperstein bekenne sich die Stadt Löffingen nun zu dem Sohn der Stadt.

Menschenwürde und Courage: Bürgermeister Tobias Link verdeutlichte, dass Kilian Götz ein Opfer einer NS-Diktatur wurde, die den Wert jedes einzelnen Menschen verachtete. Der Parlamentarische Rat habe noch unter dem tiefen Eindruck der Katastrophe der Nazi-Zeit das Grundgesetz ausgearbeitet. Gerade heute sei der Artikel 1 "Die Würde des Menschen ist unantastbar", wieder von großer Bedeutung geworden. Immer wieder müsse man auf diese Formulierung hinweisen, denn die Würde des Menschen gelte nicht nur für das deutsche Volk oder die im Land lebenden Menschen, sondern für alle, egal welcher Herkunft, welcher Religion, unabhängig vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung. So könne es nicht sein, dass geflüchtete Menschen pauschal als Taugenichtse und Messerstecher abqualifiziert würden oder gar das Nazi-Regime als "Vogelschiss unserer Geschichte" zu bezeichnen. Der Stolperstein, der später mit roten Rosen durch die Bürger belegt wurde, sei ein Ansinnen, auch in Zukunft die Menschenwürde als unumstößlich zu sehen.

Löffingen war Heimat: Obwohl Kilian Götz zuletzt im Allgäu lebte, war seine Heimat laut Jörg Waßmer Seppenhofen, wo seine Mutter mit den Stiefgeschwistern lebte. Nur allzu deutlich werde dies im letzten Brief des Ermordeten, den er an seine Schwester Agathe schrieb. Zeilen, welche nie bei der Familie ankamen, sondern die in der Gefangenenakte abgelegt wurden. "Kilian Götz wurde mundtot gemacht, bevor er physisch ermordet wurde", sagte Jörg Waßmer.

Kilian Götz war ein Kleinkrimineller, der laut Historiker Jörg Waßmer am 27. Februar 1942 ein letztes Mal vor Gericht stand. Er wurde als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher mit Sicherheitsverwahrung eingestuft. 1942 beschlossen Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, und Justizminister Otto Georg Thierack, derartige Gefangene als asoziale Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit zu überstellen. Kilian Götz kam am 6. Januar 1942 als Häftling Nummer 13 369 ins Konzentrationslager Neuengamme, neun Tage später war der 45-Jährige schon tot.