Geschichte: Ein Rindslederpergament mit großer Bedeutung / Matthias Wider führt durch die Stadthistorie
"Spannend, informativ, lehrreich", so urteilte Elfriede Krämer vom ökumenischen Bildungswerk über die Streifzüge durch die Geschichte Löffingens im Mittelalter, die der Geschichtskenner Matthias Wider vor großer Zuhörerkulisse präsentierte.
Löffingen. Mit Widers Vortrag "Der ferne Spiegel" hatte das Ökumenische Bildungswerk zu Beginn des Jubiläumsjahrs anlässlich der ersten urkundlichen Erwähnung Löffingens vor 1200 Jahren voll ins Schwarze getroffen. Mehrfach musste der Saal der Tourist-Info nachgestuhlt werden, denn Besucher über das Öch hinaus wollten beim Blick in den Spiegel der Vergangenheit hautnah mit dabei sein.
Teufelsorgien auf Alenberg
"Der Alenberg in Löffingen ist ein besonderer Ort, der noch manche geschichtliche Überraschung bereit halten könnte, falls man hier graben würde, um das Gebiet archäologisch zu untersuchen", erklärte Wider. Da es wenig abgesicherte Kenntnisse vom Dorf Löffingen gibt, sind es teilweise Vermutungen oder Erkenntnisse, welche zu der einen oder anderen Annahme berechtigen. Das Mittelalter beginnt um das Jahr 500.
Das römisch-antike Staatswesen bricht in Europa zusammen, die Germanen gründen Reiche und übernehmen die Herrschaft. "Man kann annehmen, dass auf dem Alenberg eine aufgegebene römische Villa rustica (Gutshof) stand. Diese nimmt eine Sippe mit 70 bis 100 Personen unter Sippenführer Leffo, Leif oder Leiff in Beschlag", so Wider. Die Germanen nutzen gerne die bereits kultivierten Flächen, bauen aber ihre Häuser aus Holz neben den germanischen Steinbauten. Die zweite Arbeitshypothese, so Wider, sei, dass die Germanen hier ein Freiluftheiligtum – einen geheiligten umzäunten Ort – errichteten, um den Göttern Opfer zu bringen. Er stützt dies auf den Flurnahmen Alaberg (1290 historisch belegt). Die uralte heidnische Bedeutung des Alenbergs lebt in vielen Sagen wieder. So soll er 1635 Schauplatz von Teufelsorgien gewesen sein, 1910 Hauptversammlungsort der Schwarzwaldhexen.
Grabfunde mit Skeletten
Die ersten greifbaren Funde hat man zwischen 1780 und 1935 in Löffingen gemacht. Es handelt sich um Steinkistengräber. Während auf dem Käppelebuck neben den Skeletten auch Grabbeigaben gefunden wurden, war dies auf dem Alenberg nicht so. Die Grabfunde wie Hieb- und Stichwaffen und Schmuck liegen heute im Museum in Donaueschingen. Sie zeigen, dass die Menschen glaubten, im Jenseits das irdische Leben auf höherem Grade weiter zuführen. Bei christlichen Bestattungen reichte es, das Gebet mitzugeben. So kann man davon ausgehen, dass das Grab auf dem Alenberg, in dem vier Skelette unterschiedlichen Alters gefunden wurden, jünger sein muss.
Urkunde von hohem Wert
Man kann es kaum glauben, dass ein Stück Rindslederpergament (22 Zentimeter hoch und 14 Zentimeter breit) für Löffingen und Rötenbach eine solche Bedeutung hat und für ein ganzes Festjahr verantwortlich ist. Die Urkunde vom 16. Januar 819 ist das erste schriftliche Zeugnis der Kirche Sankt Martin in Löffingen. "Das Material wurde in einem sehr aufwendigen Verfahren hergestellt und kostete nach den heutigen Bemessungen soviel wie ein Kleinwagen", erklärte Wider. Das Pergament mit der Besonderheit von 17 horizontalen gravierten Linien, dürfte aus einem Kloster stammen und war wohl ursprünglich für einen Kodex (Buch) vorgesehen. Geschrieben wurde mit Tinte aus Dornen (Schlehen).
Die Stadt Löffingen
Es gibt keine Gründungsurkunde, der Beweis ist der Grundriss der Stadtanlage. 1261 wurde die Stadt angelegt, die nicht aus dem alten Dorf wuchs. Graf Heinrich von Fürstenberg versprach sich mit der Stadtgründung Zoll- und Steuereinnahmen.
Die Löffinger bekamen lediglich zwei Privilegien zugesprochen, sie mussten keine Hühner an Fastnacht und Weihnachten abgeben und keinen Frontdienst leisten. Aber es gab keine persönliche oder kommunale Selbstbestimmung. "Der Grund liegt auf der Hand, der Fürst konnte sich darauf verlassen, dass die Menschen aus dem Dorf Löffingen in die Stadt zogen. Andere Neugründungen wie Neustadt oder Fürstenberg bekamen mehr Zugeständnisse", so Wider.
Zeit innerer Spannungen
Warum ist das Mittelalter für die Menschen von heute so faszinierend? "Eine Zeit voller innerer Spannungen, Widersprüche und Gegensätze", so Wider. Die Menschen waren brutal, jederzeit hemmungslos, um Gewalt- und Grausamkeiten anzuwenden. Und doch auch fein- und tiefsinnig, es war die Zeit der Liebeslyrik und hoch entwickelter Kunst und Architektur, aber auch eines tiefen Glaubens an das göttliche Mysterium.