Masterplanschantle mit hoch erhobener umweltfreundlicher Schuttigfackel Foto: Reimer

Nachdem 2021 die närrische Zeit in Oberndorf der Pandemie zum Opfer gefallen war, waren die Schantle und ihr Publikum froh, den Schantlesonntag wieder in fast gewohnter Weise begehen zu können und somit ein Stück Tradition am Leben zu erhalten.

Oberndorf - Das Don-Bosco-Haus, eine der Fasnetshochburgen, war sehr gut besucht und auch sechs Schantlegruppen oder Einzelschantle statteten einen Besuch ab. Den Anfang machten zwei Schantle, die als "Narredagsretter" einen Masterplan entwickelt hatten, um den Narrentag 2024 in Oberndorf gut über die Runden zu bringen. Sie sahen allerdings wegen der vielen Baustellen größere Schwierigkeiten, den Narrentag im Städtle durchführen zu können, und entwickelten einen Plan, diesen auf den Lindenhof zu verlegen.

Mit geschlossenen Augen sollten die Besucher des Don-Bosco-Hauses den Zugweg verfolgen. Die Auflösung war bei der Aspenklause vorgesehen. Dort, so der Masterplan, sei genügend Gelände. Auch der Sternmarsch mache keine Schwierigkeiten. Wegen des Klimawandels und der Vermeidung unnötigen CO2-Ausstoßes, hatten sie für die Elzacher Narren eine umweltfreundliche Schuttigfackel entwickelt.

Wildschweine singen keinen Narrenmarsch

Die zweite Gruppe, der "Schantelstammtisch" hatte sich im Schwarzwälder Boten kundig gemacht, was in den vergangenen zwei Jahren in der Stadt für Schmunzeln sorgte. Ein Oberndorfer Bürger ging abends im Wald spazieren. Es dunkelte. Ohne Lampe im Wald sang er lauthals den Narrenmarsch, denn er dachte: Ein Wildschwein singt keinen Narrenmarsch, also weiß der Jäger, dass er kein Schwarzkittel ist.

Ganz langsam und vorsichtig fuhr ein Bürger aus der Schützensteige mit seinem Wagen durch das Städtle. Das fiel der Polizei auf – Kontrolle. Wie sich herausstellte, war dieser Bürger mit einer sehr druckempfindlichen Ware unterwegs. Es waren Erdbeeren, die er ohne Druckstellen nach Hause bringen wollte.

Fast leidtun konnte einem ein Zeitgenosse, der auf seinem Grundstück, das an einen viel begangenen Hundespazierweg grenzt, mittels Rasentrimmer den Feldrain säubern wollte.

Keinen Friseurtermin ergattert

"Bitte Abstand halten" hatte sich eine weitere Gruppe auf ihre Abstandhalter geschrieben. Sie gaben gleich zu, ein Gedächtnis "wie ein Elefant" zu haben. So erinnerten sie sich an eine besondere Geschichte: Im ersten Lockdown hatte ein Bürger erhebliche Probleme mit seiner wild wuchernden Haarpracht. Keine Chance, den "Pelz" loszuwerden. Er bat seinen Friseur inständig darum, ihn nach Lockerung der Vorschriften sofort anzurufen, um ihm einen Termin zu geben. Der Friseur rief an; der Mann war aber nicht zu Hause, dafür seine Frau. Daraufhin hatten Frau und Tochter neu gestylte Haare, er aber weiterhin seinen "Pelz".

Eine Bürgerin hatte ein bezauberndes blaues Kleid, fand aber in Oberndorf nicht die von ihr dazu gewünschten gelben Schuhe. Natürlich gab es diese im Online-Handel. Bei der Bestellung gab sie als Lieferadresse ihre Nachbarin an. Wochen vergingen, die gelben Schuhe kamen nicht. Bei einem Haustürgespräch – früher sagte man Schwätzle – meinte die Nachbarin es sei allerhand, was man heutzutage erlebe. Vor Wochen habe sie ein nicht bestelltes Paket bekommen, mit gelben Schuhen. Die Dame hätte wohl früher mit ihrer Nachbarin schwätzen sollen.

"Dank" an die Politik

Zwei Schantle hatten sich auf das Dankesagen verlegt. Ein Dank an die Narrenzunft, ein Dank an die Wirtsleute. Das wurde mit großem Applaus bestätigt. Der wohl spöttisch gemeinte Dank an die Politik für die glänzende Planbarkeit von Unternehmungen erntete eisiges Schweigen.

Auch dieses Duo wusste so manche Geschichte zu erzählen. Beispielsweise von einem jungen Mann, der seine Ausbildung zum Schneider mit der Meisterprüfung abschloss. Doch die Feier wurde immer wieder verschoben. Der Meisterbaum, von der stolzen Familie im Vorgarten aufgerichtet, fiel zunächst um und wurde dann hinters Haus verfrachtet. Als die Meisterfeier endlich hätte stattfinden können, hatte der Meisterbaum seine Gestalt gewandelt: Er war nun Brennholz.

Narrenzunft-Ausweis bei Blutspende

Immer wieder eine Rakete an Heiterkeit zündete die nächste Gruppe, die das schlechte Gewissen schilderte, das einen leidenschaftlichen Modelleisenbahner überkam, als er Steuerungssoftware nicht ganz legal aus dem Internet herunterlud. Dass Ameisen auf dem Bildschirm erscheinen, ist eigentlich nichts Alarmierendes; vielleicht sogar das Ergebnis seiner frevelhaften Tat. Aber dass sie auf der Bildschirmoberfläche krabbeln, ließ den Fachmann stutzig werden. Es gab tatsächlich eine Ameisenstraße.

Wenn man zum Blutspenden geht, ist das eine lobenswerte Tat. Dass man dabei einen Ausweis vorzeigen muss, selbstverständlich. Wenn man aber an Stelle seine Impfausweises der Schwester den gelben Ausweis der Narrenzunft aushändigt, darf man sich über einen fragenden Gesichtsausdruck nicht wundern.

Eisige Stimmung im E-Auto

Dass auch ein ausgewiesener Autofachmann mit der neuen Technik Schwierigkeiten bekommen kann, wusste diese Gruppe zu einer gewissen unverhohlenen Schadenfreude des Publikums zu erzählen. In einem "höchst innovativen" E-Mobil startete jener zu einer Fahrt in die Pfalz. Es war Winter. Mit 70 Stundenkilometer tuckerten er und seine Frau auf dem Spätzlehighway in Richtung Stuttgart. Die Batterie schwächelte bedenklich, also Radio aus, Heizung aus. Stimmung eisig. Das Ziel wurde erreicht, aber auf den letzten Drücker. Wieder einmal die 3G – gefroren, gezittert, gestritten.

Der Bau-Schantle hatte viel vorbereitet. Er verteilte sieben Fotos an Damen, die dann seine jeweilige "Arbeitstelle" nennen und auf einem Stadtplan bezeichnen sollten. Baustelle eins war "Linde 13", das Mehrgenerationenhaus, an dem schon lange gebaut wird. Er sehe aber Chancen, dass die Baustelle belebt werde. Als zweite Baustelle hatte er ein Bild des Oberndorfer Narrenpräsidenten, des "Ersten Oberndorfer Absagepräsidenten". Baustelle drei: die Gymnasiumsturnhallen, deren Sanierung dazu führte, dass der Narrentag erst 2024 in Oberndorf stattfinden kann. Auf dem vierten Bild war eine Treppe zu sehen, die durch eine Rutsche von der Oberstadt ins Tal ersetzt werden soll. Der Umbau des katholischen Pfarrhauses und die Baustelle des Hauses für die Lebenshilfe folgten.