Die Hintergrundmusik steuerte Peter Panka Pfau bei. Foto: Bender

Übers Internet finden nicht nur einsame Herzen zueinander, sondern auch kreative Geister, beispielsweise der Albstädter Holger Much und die Berlinerin Florentine Joop. Bei den Albstädter Literaturtagen traten sie gemeinsam auf.

Albstadt-Tailfingen - Eigentlich fanden sie ja, dass es nicht der Rede wert sei, das mit dem Internet – aber dann wurde es halt doch verlautbart, und damit war es gut. Dass die Beiden im – ausverkauften – Foyer des Tailfinger Maschenmuseums auftraten, leuchtete ein; Joops Vater ist schließlich Modeschöpfer, und kein ganz unbekannter. Sie selbst illustriert Kinderbücher, schreibt und malt; in der Kulisse der Lesung hingen einige ihrer gemalten Porträts. Dazwischen schwebten anmutige Fabelwesen, Kreationen von Holger Much; den Reigen der Hintergrundphänomene komplettierte mit eingängigen Melodien Gitarrist Peter Panka Pfau, der für den erkrankten Pianisten Wolfgang Fischer eingesprungen war.

Und so teilten sich die Berlinerin und der Tailfinger einen Tisch. Und dazu ein Märchen, das derzeit nach dem Muster Fortsetzungsroman abwechselnd in Berlin und Albstadt entsteht und bisher noch kein Ende gefunden hat – hoffentlich geht es gut aus. Die beiden Fantasy-Liebhaber spielten einander verbale Bälle zu; zwischendurch erschien in "Bruderherz" ein Waldgeist und gewährte Irene, die durch einen Schnitt in den Finger drei Tropfen Blut verloren hatte, einen Wunsch – würde sie sich nun tatsächlich für den ersehnten Bruder entscheiden, der bislang nur gemalt an der Zimmerwand prangte? Man wird sich wohl im nächsten Jahr das gemeinsame Werk kaufen müssen, wenn man es erfahren will. Bei modernen Märchen kann man sich schließlich nicht so sicher sein, dass da zum guten Schluss zwei "glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebten".

Was ist ein "Goose-Whatever-Outfit"?

Die erste Hälfte des Abends hatten die beiden Autoren noch mit jeweils eigenen Werken bestritten – Holger Much mit Texten aus seinem fast vergriffenen Lyrikband "Das Licht im Dunkeln", die mit sparsam gewählten Worten Emotionen weckten und dem lauschenden Kiunstfreund viel Raum für die eigene Fantasie ließen, Florentine Joop mit Auszügen aus ihrer Kolumne, langen Texte mit kunstvoll verschachtelten Sätzen, amüsanten Wortkreationen wie "Goose-Whatever-Outfit" und hintersinnigen Räsonnements: Kann ein Darmparasit eine höhere Stufe der Reinkarnation erreichen? – wenigstens kommt er in der Welt herum. Kann man es wagen, sich Kugelfischtoxine in die Denkfalte spritzen zu lassen? Florentine Joop gab ihre gelegentlich recht abstrusen Assoziationen in einem so atemberaubenden Tempo von sich, dass dem Zuhörer bei ihren Wortexplosionen selbst der Atem zu stocken drohte.

Schauriges Irland

Und manchmal schauderte es einen auch. Etwa, als Holger Much – nein, nicht das Mikrofon zum Singen ergriff, sondern sein Publikum an Reminiszenzen an einer Irlandreise teilhaben ließ, in denen Naturgeister eine tragende Rolle spielten. Spannend, amüsant und gruslig zugleich – es war ein märchenhafter Abend für Erwachsene.