Harald Schmidt, hier noch ohne Bart, hat sich durch den österreichischen Nationaldichter gefuttert. Foto: imago images/photothek/Janine Schmitz/photothek.de via www.imago-images.de

Harald Schmidt und Denis Scheck haben sich im Literaturhaus Stuttgart dem Kulinarischen im Werk Thomas Bernhards angenähert – doch die Küche blieb kalt.

Thomas Bernhard hatte keine allzu hohe Meinung von Österreich. Und seine Hassliebe erstreckte sich auch auf die Küche. Aus Brandteigkrapfen, riesigen Schnitzeln und tranigen Fettaugen blickt in seinem Werk die Eigenart eines Landes, an dem er sich ein Leben lang abgearbeitet hat. Merkwürdig ist, wie sehr im Nachleben des Autors aus dem in obsessiven Sprachattacken beackerten „menschenfeindlich architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischen Todesboden“ seiner Heimat zusehends kultverdächtige Komik sprießt. Der Finsterling ist zum Fall humoristischer Kulinarik geworden.

 

Und den beiden Herren auf dem Podium im Stuttgarter Literaturhaus ist förmlich der Appetit anzusehen, ihren Gesprächsgegenstand vollends auf die Seite leicht verdaulicher Heiterkeit zu ziehen: hier der für seine zynischen Bitternoten bekannte Talkvirtuose Harald Schmidt, der ein Buch mit dem schönen Zitat-Titel „In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe“ (Brandstätter Verlag) herausgegeben hat, das Bernhards Spuren in österreichischen Wirtshäusern nachgeht; dort Denis Scheck, dem nicht nur als Literaturchecker, sondern auch als Feinschmecker ein gewisser Ruf vorauseilt.

Trink langsam!

Doch wer erwartet hat, die zwei würden sich nun durch die schönsten Menüpunkte des Bernhard’schen Œuvres futtern, sieht sich getäuscht. Wenn zwei Plaudertaschen beieinandersitzen, wird das Essen schnell einmal kalt. Und so erfährt man erst etwas über die verschiedenen Sichtweisen auf den Stuttgarter Bahnhof. Scheck: „Völker der Welt, schaut auf die zerstörte Stadt.“ Schmidt: „Das liegt doch gut in der Zeit, in Köln hat das mit dem Dom auch halt mal 500 Jahre länger gedauert.“

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Überhaupt zeigt sich der in Nürtingen aufgewachsene Schmidt Stuttgart gewogener als Scheck, wenngleich dieser, wie man erfährt, hier offensichtlich schon als 13-Jähriger im Dreiteiler und Bela-Lugosi-Cape eine florierende Literaturagentur betrieb. Vermutlich zur gleichen Zeit, in der sich der junge Schmidt im Restaurant Kupferspieß des Kaufhauses Horten aussuchen durfte, was er wollte, allerdings mit der Aufforderung: „Trink langsam, wir sitzen hier noch eine Weile.“ Auch ein guter Buchtitel.

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Über Geldanlagen, Immobiliengeschäfte, Johnny Depp und Amber Heard, Schubert-Lieder und den Erfinder von Talk im Turm, Friedrich Hölderlin, nähern sich die beiden tatsächlich irgendwann ihrem Gegenstand: Wie eine Geigerin, die mit nassem T-Shirt vermarktet wird – die Töne finden wir noch –, sei er zu der Herausgeberschaft gekommen, sagt Schmidt und schmunzelt in den gewaltigen Bart, der sein Gesicht neuerdings überwuchert: „Schrecklich, diese Bärte – aber mich macht er jünger.“ Zwischendurch lesen die beiden mit verteilten Rollen zu zwei gedachten Schnitzeln den Bernhard-Klassiker „Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese“. Munter perlen die Pointen dahin. Und dann ist auch schon wieder Schluss. Wer noch Hunger auf Frittatensuppe verspürt, muss wohl zum Buch greifen.