Um die Wasserversorgung in Nagold auch künftig zu sichern, müssen einige Baustellen angegangen werden. Foto: ©samopauser-stock.adobe.com

Das Trinkwasser kommt aus dem Wasserhahn. Auch in Nagold. Zuverlässig. In bester Qualität. Denkt man. Dass dahinter eine Heidenarbeit und viele Gefahren und Risiken stecken, offenbart jetzt ein "Strukturgutachten".

Nagold - "Das muss Sie nicht beunruhigen", gab Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann am Ende des allerdings irgendwie doch ziemlich beunruhigenden Vortrags der Gutachter seinen Gemeinderäten mit auf den Weg – als er wohl deren viele Sorgenfalten in der Runde sah. "Das ist eine kontinuierliche Arbeit, die wir leisten."

Aber, so schob der OB auch nach, eine Arbeit, "die mehr Personal" brauche. Demnächst. Wenn man "die Mannschaft" der zuständigen Stadtwerke Nagold (SWN) ergänzen wolle. Was die Räte aber – im Anschluss an die Vorstellung des Krisen-Haushalts für 2023 – auch nicht wirklich beruhigen konnte.

Die To-Do-Liste ist lang

Denn die "ToDo"-Liste für Peter Haselmaier, Werksleiter der Stadtwerke Nagold, und sein Team ist lang. Sehr lang. Minutiös und sehr detailreich hatten die beiden Gutachter von der SchwarzwaldWASSER GmbH aus Bühl (nicht zu verwechseln mit dem Zweckverband Schwarzwaldwasser), Holger Glaser und Joachim Rapp, Status und "Mängelliste" der Nagolder Wasserversorgung vorgetragen. Bange Frage am Ende von Stadtrat Eberhard Haizmann (Freie Wähler): "Welche Investitionen sind in den nächsten fünf Jahren wichtig?" Und was werden die kosten? Er habe bewusst "keine Kosten" genannt, so Gutachter Rapp. Weil man da "jeweils in die Details gehen" müsste, um "sehr intensiv darüber nachzudenken", was technisch möglich ist – und was man tatsächlich will. Aber allein beim Aufwand für die Wasseraufbereitung sei man "im mehrere Millionen-Bereich!"

Die schon auch besorgniserregenden Fakten – allein bei der Trinkwassergewinnung im Nagoldtal: Im Moment befindet sich zum Beispiel der dortige Tiefbrunnen in Flussrichtung "hinter" dem Auslauf des Nagolder Klärwerks. Folge: Der Eintrag von beispielsweise Süßstoffen, die bisher nicht oder nicht vollständig aus dem Klärwasser eliminiert werden können, in die Nagold findet sich folgerichtig auch im Rohwasser wieder, das in den vorhandenen Tiefbrunnen im Nagoldtal entnommen wird. Die Empfehlung der Gutachter daher: Verlegung des Auslaufs des Nagolder Klärwerks nagoldabwärts hinter die Entnahmestelle der dortigen Tiefbrunnens. Grobe Schätzung der Kosten allein dafür: 750 000 Euro. Plus weitere 75 000 Euro nur für die Entwicklung eines Konzept für eine "Aufbereitungs-Strategie" etwa durch eine Ozon- und Filteranlage zur Süßstoff-Eliminierung.

Einige Tiefbrunnen mit Problemen

Doch die Qualität des Rohwassers ist die eine Seite – wobei auch einige der weiteren Tiefbrunnen, die die Stadt Nagold und ihre Ortsteile für die Trinkwassergewinnung nutzen, zum Teil erhebliche Probleme mit natürlichen Schadstoffeinträgen (Schwermetalle aus dem Gestein) oder Belastungen aus früheren industriellen oder gewerblichen Kontaminationen haben. Die andere Herausforderung ist die schiere Wassermenge, die das – stark – wachsende Nagold zur Versorgung seiner Bürger sowie Betriebe und Unternehmen braucht.

So liegen für die Nagolder Kernstadt mit Pfrondorf und Iselshausen aktuell "Wasserrechtliche Genehmigungen" in Bezug auf die genutzten Tiefbrunnen von 800 000 Kubikmeter pro Jahr (m³/a) vor. Die durchschnittliche, tatsächliche Entnahme der letzten Jahre lag bei 765 000 m³/a – allerdings über die Jahre stark ansteigend, entsprechend der lebhaften Bevölkerungszunahme in Nagold. Im Jahr 2019 etwa lag die Entnahmemenge bereits bei 830 000 m³/a – also deutlich über den eigentlich genehmigten Entnahmemengen. Prognose der Gutachter – denn Nagolds Bevölkerungswachstum geht ja unvermindert weiter: Bis zum Jahr 2040 braucht Nagold jährliche Wasserbezugsrechte für mindestens knapp 900 000 Kubikmeter. Wobei diese zusätzlichen Wassermengen nicht aus den bestehenden Entnahmestellen gewonnen werde könnten, denn die sind bereits weitgehend "am Anschlag" (Tiefbrunnen), beziehungsweise haben mit rückläufigen Schüttungen (Quellwasser) aufgrund der Klimaveränderungen zu kämpfen.

Nagold braucht einen neuen Brunnen

Konsequenz: Nagold braucht neue, weitere Wasserbezugsrechte – etwa durch einen Brunnenneubau im Nagoldtal, wobei hier ein Standort auf der Ostseite des Nagoldtals etwa auf Höhe von Emmingen avisiert wird, wo es bereits Testbohrungen gegeben habe. Allerdings wurden auch dabei Grenzwertüberschreitungen von Schadstoffen im Grundwasser gefunden – etwa bei Calcit, Eisen und Aluminium – die eine Aufbereitung des hier gewonnenen Rohwassers zu Trinkwasser notwendig machen würden. Geschätzte Kosten für die Erschließung: 650 000 Euro inklusive wasserrechtlicher Genehmigung.

Notstromaggregate für die Hochbehälter

Eine weitere Empfehlung der Gutachter zielt auf die langfristige Versorgungssicherheit Nagolds mit Trinkwasser auch in Krisensituationen ab. So sollten dafür feste Notstromaggregate für die Hochbehälter, aber auch mobile Aggregate für die Pumpstationen angeschafft werden.

Außerdem wird eine "dringende Empfehlung" für den Abschluss einer Vereinbarung über eine mögliche "Noteinspeisung" von Trinkwasser in das Nagolder Wassernetz durch den Zweckverband Gäuwasserversorgung ausgesprochen. Eine Leitungsverbindung gebe es hier bereits etwa für die Versorgung des Industriegebiets Wolfsberg, aber keine vertraglich fixierten Mengenvereinbarungen etwa eben bei Notversorgungs-Lagen.