Janet und Brad sind wieder unterwegs in der "Rocky Horror Show" Quelle: Unbekannt

Tarantula kriecht über die Hügel: Die "Rocky Horror Show" hat in der Liederhalle begonnen.

Stuttgart - "Science-Fiction Double Feature", sang einst der feuerrot geschminkte Mund, das singt nun die Schauspielerin neben der Leinwand, auf der Szenen aus Schwarz-Weiß-Filmen der 1950er Jahre flimmern: Tarantula kriecht über die Hügel, die "Rocky Horror Show" im Hegelsaal der Liederhalle beginnt.

Das ist Richard O'Briens trashiges Musical, das die Ästhetik der B-Movies mit Travestie und Rockmusik verquirlt und das die Geschichte vom biederen amerikanischen Pärchen Brad und Janet erzählt, das in seiner Hochzeitsnacht eine Autopanne hat nahe beim Frankensteinschloss. Drinnen, im Schloss, haust der Transvestit Frank N. Further, der just in dieser Nacht plant, seinen künstlichen Menschen, den Super-Lover Rocky, zum Leben zu erwecken.

1973 kam diese schräge Hochzeitsnacht erstmals in London auf die Bühne, zwei Jahre später entstand der Film mit Tim Curry, Susan Sarandon und Meat Loaf, den seine Fans bei jeder Aufführung ausgelassen feierten: mit Reis und Wasserpistolen, Strapsen und greller Schminke. All dies schien in Vergessenheit geraten zu sein, all dies ist nun wieder da: Der englische Regisseur Sam Buntrock hat die schrille Show neu in Szene gesetzt - ein "Time Warp", der den grausig-lüsternen Frank N. Further in die Gegenwart holt und aus der "Rocky Horror Show" ein zeitgemäßes Musical macht, das Frank und seinen Hofstaat als gut eingespieltes Ensemble über die Bühne wirbeln lässt. Buntrocks Inszenierung weicht nur gering ab vom Original. Es singt und tanzt ein englisches Ensemble mit Rob Morton Fowler in der Rolle des blondierten Transvestiten, Jon Hawkins als Brad und Daisy Wood-Davis als Janet. Der Text bleibt, wie man das aus der Filmversion kennt, englisch. Als Erzähler jedoch fungiert der Schauspieler Klaus Nierhoff, der aber Deutsch sprechen darf. Allein die fünfköpfige Live-Band, musicalerfahren wie Nierhoff, wirkt insgesamt fast ein wenig zu routiniert und virtuos - mehr Rock'n'Roll hätte es schon sein dürfen, bei der Rocky Horror Show.

Publikum wird zurückgebeamt ins Jahr 2011

Aber darauf kommt es nicht an. Denn hier ist das, was vor der Bühne geschieht, so wichtig wie das, was auf ihr geschieht. Und auch in Stuttgart will man feiern: Einige sind zur Vorpremiere am Freitagabend in schriller Verkleidung erschienen, im Brautkleid oder im Netzstrumpf, mit wilder Perücke, dicker Schminke, bizarrem Accessoire.

Man muss Brad und Janet nicht weit folgen, um eine Rolle Toilettenpapier an den Kopf zu bekommen, Regenwasser aus Spritzpistolen ins Gesicht, Reis und Konfetti ins Haar. Wer das Zubehör zum Rocky-Horror-Kult zu Hause vergessen hat, der kann es sich noch im Foyer besorgen. Die Plätze unmittelbar vor der Bühne sind die schlechtesten: Dort steht man wahrhaft im Regen, der von der Tribüne strömt. Im Zuschauerraum springen die Doppelgänger auf und tanzen, der Reinigungsbedarf im Hegelsaal dürfte beträchtlich sein nach einem solchen Abend.

Indes fährt Riff Raff mit seinen langen Klauen dem armen Brad immer wieder übers Gesicht, Eddie brettert mit seinem Motorrad auf die Bühne, Rocky verführt Janet ("I want to be dirty!"), und Frank N. Further stirbt mit seinem Geschöpf, nicht ohne zuvor voll glamourösem Schmalz gesungen zu haben: "Don't dream it, be it!" Dann kommt noch mal die bekannteste Nummer der Show, der "Time Warp" - und das Publikum wird zurückgebeamt ins Jahr 2011.

Weitere Aufführungen bis zum 11. September