Der Calwer Marktplatz – so schön er heute ist, so schrecklich sind die Ereignisse, die sich hier zum Teil zugetragen haben. Foto: Thomas Fritsch

Das Schafott im Wimberger Wald gilt als Zeugnis dunklerer Zeiten. Dort, so hieß es lange, sei der letzte Mensch in Calw öffentlich hingerichtet worden. Neueste Untersuchungen haben nun aber ergeben: Das blutige Geschehen könnte sich mitten in der Stadt zugetragen haben.

Calw - Die Raubmörderin Gertrude Pfeifflin aus Teinach wurde am 28. August 1818 in Calw hingerichtet. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung im Oberamt Calw. Lange Zeit hatte man geglaubt, die Exekution wäre auf dem Schafott im Wimberger Wald vollzogen worden. Doch vieles spricht für den Calwer Marktplatz.

Wilhelm Mönch, Lehrer aus Rötenbach, hat in seiner "Heimatkunde zum Oberamt Calw" von 1925 (zweite Auflage) auch den Fall Pfeifflin behandelt. Diese hatte 1817 die Vagantin Anna Maria Blocher aus Nordstetten bei Horb, mit der sie unterwegs war, in Baiersbronn-Obertal mit einem Beil erschlagen und danach ausgeraubt. Sie wurde deswegen am 22. August 1818 vom "Königlichen-Criminal-Gerichtshof" in Esslingen zum Tode verurteilt.

Erste Hinweise gab es 1989

Pfeifflin war im Langen in Calw inhaftiert und soll, nach Mönch, dort so dick geworden sein, dass sie mit einem Karren zur Richtstätte gefahren werden musste. Am Schafott angekommen, hätte die "Arme Sünderin" eine Ohnmacht bekommen, sodass sie vollends hinaufgetragen werden musste. Woher der Rötenbacher Lehrer seine Informationen hatte, ist nicht bekannt. In seinem Buch machte er dazu keine Angaben. Die von Mönch dargestellten Schilderungen der Hinrichtung sind bis heute von vielen Autoren übernommen worden.

Erste Hinweise, dass wohl doch der Calwer Marktplatz der Ort der Hinrichtung gewesen war, fanden sich in dem Buch "Unterwegs – Frauen zwischen Not und Normen" von Sabine Kienitz aus dem Jahre 1989. Kienitz ist heute Professorin für Volkskunde und Kunstanthropologie an der Universität Hamburg.

Widerspruch zu anderen Darstellungen

Um endlich Licht ins Dunkel zu bringen, wurde vom Stadtarchiv in Calw der Fall Pfeifflin erneut unter die Lupe genommen und eingehend beleuchtet. Dabei ist auch die im Staatsarchiv Ludwigsburg befindliche, über 500 Seiten umfassende, amtliche Straf- und Gerichtsakte, durchgesehen worden.

Für den Ablauf des Hinrichtungstages gibt es dort ausführliche Aufzeichnungen, die im Widerspruch zu den Darstellungen von Mönch stehen. Allerdings ist der Ort der Hinrichtung nicht ausdrücklich genannt. Pfeifflin wurde demnach am Morgen des Hinrichtungstages vom Langen in ein Zimmer im Calwer Rathaus gebracht, da ein geeigneter Raum im Königlichen Oberamt nicht zur Verfügung stand. Die Delinquentin habe sich ruhig und standhaft verhalten.

Um 10.45 Uhr erfolgte die Hinrichtung

Ihr wurde nochmals Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Bei ihr waren ihre Mutter und zwei Schwestern. Pfarrer Buttersak aus Liebenzell reichte ihr noch das heilige Abendmahl, bevor sie, begleitet durch ihn und Pfarrer Essig aus (Unter)Reichenbach, sich zur Hinrichtungsstätte aufmachte. Nach dem Exekutionsbericht ging sie den ganzen Weg zu Fuß. Um "10 ¾ Uhr", so heißt es in den Unterlagen (vermutlich 10.45 Uhr), erfolgte die Hinrichtung mit dem Schwert durch Scharfrichter Belthle aus Tübingen. Danach hielt Stadtpfarrer Buttersak noch eine Rede an die versammelte Menge.

Die Hinrichtung muss also auf dem Marktplatz und nicht auf dem Schafott stattgefunden haben. Dies wird auch von Expertin Kienitz so gesehen, mit der das Stadtarchiv deswegen mehrfach Kontakt hatte. Zumal nach einem Bericht des Ministeriums des Innern des damaligen Königreichs Württemberg vom März 1812 es in der Landvogtei Calw damals weder einen Galgen noch eine andere Richtstätte gab.

Info: Das Schafott

Trotz intensiver Nachforschungen konnte bisher nicht ermittelt werden, wann und von wem das Schafott errichtet worden ist. Es ist seit 1925 als Baudenkmal ausgewiesen und wurde nach Mitteilung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg 1683 anlässlich eines spektakulären Falles erwähnt. Wie lange es im Wimberger Wald Hinrichtungen gegeben hat, konnte ebenfalls nicht eindeutig geklärt werden.

Wer das Schafott besichtigen möchte, kann dies unter anderem vom Waldparkplatz Zavelsteiner Straße auf dem Wimberg aus in Angriff nehmen. Von dort geht es geradeaus in den Wald, nach rund 100 Metern dann links der rot-schwarzen Wanderwegmarkierung folgend Richtung Calw. Nach ungefähr 500 Metern ist auf der rechten Seite die runde Steinbühne mit Treppe zu sehen – die ehemalige Richtstätte.