Nach zähen Prozessen und unzähligen Maßnahmen gibt es für die Hesse-Bahn endlich einen Starttermin. Ein Blick auf letzte Arbeiten, Hindernisse und Ärgernisse – aber auch große Freude.
„Sehr, sehr anstrengende Monate“ liegen hinter Helmut Riegger. Und hinter dem Team, dass mit ihm zusammen den Zug aufs Gleis setzen will – und wird.
Das bekannte Calws Landrat in der jüngsten Sitzung des Zweckverbands Hermann-Hesse-Bahn.
Die besonders gute Nachricht hatte Riegger indes bereits tags zuvor im Calwer Kreistag verkündet: Es gibt endlich einen Termin für die erste Fahrt. Am Samstag, 31. Januar, soll die Hesse-Bahn erstmals Passagiere befördern.
Doch noch ist nicht alles fertig. Und ein gefährliches Damoklesschwert schwebte bis zuletzt über allem. Trotzdem: Ende gut, alles gut? Naja – fast.
Letzte Arbeiten
Drei große Bauabschnitte, so berichtete Frank von Meißner, Geschäftsführer des Zweckverbands, laufen derzeit noch. Es sind die letzten in einer langen Reihe an Maßnahmen und Bauarbeiten.
Konkret geht es dabei um die beiden Bestandstunnel bei Hirsau und Althengstett sowie um den Abschnitt im Hau, der im Einschnitt zwischen der KSK-Kaserne und Heumaden verläuft.
Diese drei Bereiche waren lange Zeit die Sorgenkinder des Vorhabens gewesen; erst Ende April (im Hau) und Ende August (Tunnel) dieses Jahres trafen die Genehmigungen ein, um dort bauen zu dürfen.
Stark gefährdete Steinkrebse waren im Hau das Problem gewesen. Die EU-Ausnahmegenehmigung, um dort dennoch tätig werden zu dürfen, hatte rund acht Jahre auf sich warten lassen. Hier klafft aktuell noch eine mehr als einen Kilometer lange Lücke, wo noch keine Gleise liegen. „Die wird im Dezember geschlossen", erklärte von Meißner.
In Sachen Tunneln, wo die Bau-Erlaubnis, so Rieger, „viel später, als wir eigentlich mit dem Regierungspräsidium vereinbart haben“, eintraf, laufen derzeit noch umfangreiche Restarbeiten.
Die berühmt gewordenen Trennwände, die den Fledermaus- vom Bahnbereich abschirmen, sind inzwischen eingebaut. „Wirklich ein ingenieurtechnisches Meisterwerk“, würdigte von Meißner.
Nun müssen dort noch Lücken geschlossen werden, etwa mit ineinander verschiebbaren Stahlblechen zur Decke hin.
Diese sind einerseits nötig, weil die Stahlbetonteile alle gleich groß sind, die Tunneldecke aber nicht überall gleich hoch ist. Andererseits sollen die Bleche etwaige Schwingungen durch den Zugbetrieb ausgleichen und trotzdem dichthalten, damit sich keine Fledermaus in den Bahntunnel verirren kann.
Aus diesem Grund müssen in den beiden insgesamt etwa 1,3 Kilometer langen Tunneln auch noch sämtlich Fugen zwischen den Steinquadern geschlossen werden. „Das war viel, viel Handarbeit“, meinte Riegger. Und: Solche Vorgaben, „das war nicht der Nabu“, betonte der Landrat. Sondern „eine Behörde aus Karlsruhe“ – das Regierungspräsidium.
In dieser Woche begannen nun auch die Arbeiten an den Einhausungen vor den Tunneln. Diese sollen bis Ende November fertiggestellt sein.
Nicht zuletzt ist noch einiges in Sachen Funk-System und Signaltechnik zu erledigen.
Letzte Hindernisse
Erst vor rund einem Monat wurde indes das letzte, wirklich gefährliche Damoklesschwert gewissermaßen unschädlich gemacht. Denn Mitte September wurde der jüngste Vergrämungsversuch an den Tunneln abgeschlossen, mit dem die Fledermäuse davon abgehalten werden sollen, in die Bahntunnel zu fliegen. Und dieser zeigte nun endlich zu 100 Prozent Wirkung.
Als Lösung erwiesen sich schließlich weder Licht noch Wind, sondern Ultraschallwellen, die an den Eingängen ausgesandt werden. „Diese Vergrämung ist eine Daueraufgabe“, erklärte von Meißner, muss also auch während des Betriebes weiterlaufen. Jeder Tunnel „muss fledermausfrei sein und bleiben“, sagte der Geschäftsführer.
Das letzte große Hindernis davor war die Genehmigung für den Bau der Trennwände in den Tunneln gewesen.
Noch zwei Wochen, bevor diese Ende August erteilt wurde, sei unklar gewesen, ob sie erteilt werde, berichtete Susan Knowles, Kaufmännische Geschäftsführerin des Zweckverbands. Und man habe an manchen Stellen noch nachjustieren müssen.
Letzte Ärgernisse
Bereits im Kreistag am Montag hatte Riegger von einem „unverhältnismäßigen Artenschutz“ gesprochen.
Auch in der Zweckverbandssitzung klang sein Ärger immer wieder durch. Nach und nach sei eine Maßnahme nach der anderen verordnet worden – und „manche Sachen versteht man einfach nicht“.
Etwa dass ganz kurzfristig nun vor den Tunneleingängen noch die Vegetation gerodet und mit dicken Folien abgedeckt werden musste, damit sie nicht nachwächst – um den Tieren keinen Platz fürs Schwärmen wegzunehmen. Daraufhin musste teilweise der Hang stabilisiert werden.
Nicht zuletzt, dass so viel für den Artenschutz getan werde und dann Plastik den Boden bedecke, als gebe es kein Mikroplastik, stieß dabei auf Rieggers Unverständnis.
Von Meißner brach indes eine kleine Lanze für die Artenschutz-Experten: Auch diese bewegten sich bei diesem Projekt auf Neuland, „so wie es für uns ein Pionierprojekt war“.
Der Landrat bezeichnete es dagegen als „typisch deutsch“ und ein gesellschaftliches Problem. Alles Neue werde erst mal als etwas Schlechtes angesehen – und dann müsse 200-prozentig vorgegangen werden.
Auch dass der Zug frühestens ab Juni auch bis Renningen fahren kann, rief Rieggers Unmut hervor. Denn der Grund dafür sind Signalanlagen, die erst im Mai eingebaut werden könnten. „Wir kriegen es im 21. Jahrhundert nicht innerhalb von eineinhalb Jahren hin, dass zwei Stellwerke miteinander kommunizieren“, meinte er dazu einigermaßen fassungslos. Das liege aber nicht am Zweckverband.
Große Freude
Trotz allem wollte sich der Landrat die Stimmung nicht vermiesen lassen. „Es war viel Ärger, aber wir haben was geschafft“, resümierte er. Endlich komme der Anschluss der Region Calw an die Metropolregion Stuttgart.
Als „ein neues Kapitel der Schienenanbindung im Kreis Calw“ und das wichtigste Verkehrsprojekt der vergangenen 40 Jahre bezeichnete er die Hesse-Bahn.
25 Kilometer Schiene seien am Ende in Calw entstanden – ein nennenswerter Teil der bundesweit nur 61 Kilometer Gleise, die 2025 in Deutschland verlegt worden seien.
„Wir bringen 3000 Leute vom Auto auf die Schiene“, sagte der Landrat, der auch von einem positiven wirtschaftliche Effekt auf die Region überzeugt ist. Eine Chance für die Zukunft. Daher wolle er nun zuversichtlich nach vorn blicken. Nun zähle, was gemeinsam erreicht wurde.