Carolin Haentjes ist Co-Autorin eines Buchs über Femizide in Deutschland. Foto: Carolin Haentjes

Carolin Haentjes hat ein Buch über Femizide in Deutschland geschrieben. Angetrieben hat sie und ihre Co-Autorin die Frage, wie sich solche Taten verhindern lassen. Am Mittwochabend findet in Althengstett eine Lesung mit der Leipzigerin statt.

Femizid: Das ist die Tötung von Frauen oder Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Außerdem ist es nach Meinung der Autorin Carolin Haentjes ein Thema, das alle angeht. Gemeinsam mit Julia Cruschwitz hat sie das Buch „Femizide – Frauenmorde in Deutschland“ geschrieben. Am Weltfrauentag, 8. März, hielt sie einen Vortrag in Althengstett. Veranstalter war die Volkshochschule Calw in Kooperation mit dem Familienzentrum der Gemeinde Althengstett.

Carolin Haentjes lebt in Leipzig. Dort wurde im Frühjahr 2020, mitten am Tag, eine Frau von ihrem Ex-Freund ermordet. Ein Femizid. „Wir waren geschockt von der Tat in unserer direkten Nachbarschaft, und wir wollten die politische Dimension besser verstehen. So begannen wir uns damit intensiv zu befassen.“ Die beiden Autorinnen recherchierten weitere Femizide, sprachen mit Mitarbeiterinnen von Schutzeinrichtungen, Anwälten und anderen Experten. Angetrieben habe sie dabei immer die Frage, wie solche Fälle verhindert werden können.

Die Arbeit an zwei Fernsehbeiträgen – die Leipzigerinnen sind freie Journalistinnen – und dem Buch machten Carolin Haentjes deutlich, dass unsere Gesellschaft noch nicht gleichberechtigt ist. Auch das Selbstbestimmungsrecht von Frauen werde nicht voll anerkannt. „Am deutlichsten wird dies aus meiner Sicht an der Rechtsprechung“, erklärt sie. Bei Trennungstötungen in Deutschland töte zumeist ein verlassener Mann seine Ex-Partnerin. 90 Prozent der Opfer sind in solchen Fällen weiblich, die Täter fast immer Männer.

Totschlag statt Mord

Doch die Taten werden oft nicht als Morde, sondern als Totschlag verurteilt, kritisiert Haentjes. „Das liegt an dem Mordmerkmal der ,niedrigen Beweggründe’, welches nicht zutreffen muss, wenn die Trennung vom Tatopfer ausging, so hat der Bundesgerichtshof zuletzt 2018 wieder geurteilt.“

Auch sonst hakt es ihrer Meinung nach. Sie bemängelt – übrigens genau wie die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses im Landkreis Calw – dass es hierzulande viel zu wenige Plätze in Schutzeinrichtungen für Opfer von häuslicher Gewalt gibt. Stand 2020 halte Deutschland nur ein Drittel der geforderten Frauenhausplätze vor. Darüber hinaus weist Carolin Haentjes ebenfalls darauf hin, dass die Finanzierung dieser Einrichtungen weder geregelt noch ausreichend ist.

Um Gewaltopfern schnell und unkompliziert helfen zu können, müssten die Strukturen ausgebaut werden. Die Autorinnen meinen: „Ein Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Schutzeinrichtung könnte eine sinnvoll Maßnahme sein.“ Darüber hinaus helfen Betroffenen Zivilcourage und aktives Einschreiten ihrer Mitmenschen.

Für die Recherchen zum Buch hat die Leipzigerin mit Überlebenden von Femizid-Versuchen gesprochen. Die Gepräche waren erschütternd. „Wegen der Grausamkeit, die diese Menschen erleben mussten. Und weil sie oft froh waren, dass ihre Geschichte endlich gehört wurde.“ Gleichzeitig war Haentjes beeindruckt von der Stärke, mit denen die Frauen durchs Leben gehen.

Carolin Haentjes hat den Eindruck, dass das Bewusstsein für das Thema Femizide in der Gesellschaft zunimmt. Gleichwohl stellt sie fest: Bei ihren Lesungen sitzen vor allem Frauen im Publikum. Das findet Haentjes schade. Ihrer Meinung nach ist sehr wichtig, dass auch Männer sich für das Thema interessieren. Denn ihr Einschreiten gegenüber anderen, gewalttätigen Männern sei oft entscheidend. „Selbstbewusste Männer müssen Frauen nicht niedermachen, um sich in ihrer Männlichkeit zu bestätigen. Ich fände schön, wenn sie das offener zeigen und vorleben würden.“