Wieder Kultur in der Schenke & mehr: Der Förderverein Bürgertreff Tumlingen bot einen literarisch-musikalischen Sonntagnachmittag. Gut gelaunt präsentierten sich Vorstandsmitglied Carla Dikkers (von links), Simone Hirth, Pianistin Katharina Wilding, Vorstandsmitglied Regina Martini. Foto: Maier

Lesung: Schriftstellerin Simone Hirth gestaltet in der Schenke & mehr einen Nachmittag mit ihrem neuen Werk und Musik

Eben zurück von der Frankfurter Buchmesse, wählte Autorin Simone Hirth ihre Heimatgemeinde Waldachtal, um auch hier ihr neues Buch "365 Tassen Kaffee mit der Poesie" vorzustellen. Beim literarisch-musikalischen Sonntagnachmittag präsentierte sie in der Schenke & mehr in Tumlingen konnte ihr neues 180-Seiten-Werk.

Waldachtal. Viele kennen Simone Hirth von Kindestagen an. Jetzt las die 36-jährige Schriftstellerin aus ihrem druckfrischen neuen Prosa-Miniaturen-Band. Hier trifft sie sich jeden Tag auf einen Kaffee mit der Poesie und entdeckt ihre rebellische, widerspenstige und vor Ideen sprühende Seite. Mitunter aufrüttelnd.

Gedichte und Prosa-Miniaturen gelten als heimliche Vorliebe im literarischen Repertoire von Hirth. Bekannt ist die Autorin für ihre formenreiche Sprache. Bei der 278. Tasse von 365 bricht sie der Poesie den Bann: "Unzählige Bleistifte liegen vor uns. Sie müssen alle gespitzt werden, sagt die Poesie. In der Welt draußen wird aufgerüstet. Wir wappnen uns ebenfalls." Bei der 322. Tasse kam ihr Kurioses in den Sinn: "Ein Wal hat die Poesie verschluckt. Ich habe sie auf der Stelle schmerzhaft vermisst, Kaffee zum Mitnehmen gekocht, mich dem Tier gestellt und ebenfalls verschlucken lassen. Nun sitzen wir im Bauch des Wals und warten ab. Es ruckelt und rumpelt und pocht. Das muss der Herzschlag des Ozeanriesen sein."

Hirth weiß zu berichten: "Die Poesie ist kein sanftmütiges Wesen mit all den klischeehaften Eigenschaften, die man ihr gerne andichtet, im Gegenteil."

Voller Humor

Bei der Lesung wurden die Waldachtaler Zuhörer mit einer Poesie konfrontiert, die sich mal kratzbürstig verhält, dabei aber immer liebenswert bleibt, voller Humor und progressiver Ideen. Sie ist keine "naive", sich selbst genügende Kunstform, sondern tatsächlich ein lebendiges, intelligentes, vor Ideen sprühendes Geschöpf, das sich nicht abfinden will mit Dingen, die vielleicht geändert werden können. Die Waldachtaler Schriftstellerin zeigt ein Jahr lang in Form von Prosa-Miniaturen, dass ein Leben mit der Poesie nicht nur Rückzug und Kontemplation bedeutet, sondern gleichzeitig Partizipation, Interaktion, Fortschrittlichkeit, wenn auch nur in allerkleinsten Rahmen. Ein Leben respektive Alltag mit der Poesie bedeutet Überraschungen, Subversion, Entfaltung, Offenheit und Wachheit gegenüber der Welt. Und es bedeutet, sich dieser Welt mit all ihren Untiefen und ihrem Wahnsinn zu stellen und kritisch zu bleiben.

Zuhörer in der Schenke fühlten sich mitgenommen: "Es waren tiefsinnige Texte zum Nachdenken. Man ist satt davon geworden." Und Autorin Hirth merkte an: "Es ist fast eine familiäre Atmosphäre für mich in der Schenke." Tags zuvor nahm sie bei der Frankfurter Buchmesse Glücksgefühle mit: "Es war total schön. Man trifft Leute vom Studium und aus der Welt der Literatur."

Pianistin Katharina Wilding gestaltete den kreativ-geistigen Nachmittag mit Stücken des zeitgenössischen italienischen Komponisten Ludovico Maria Enrico Einaudi (*1955) am Klavier einfühlsam mit. Wie maßgeschneidert passten die Titel "I Giorni" (Die Tage) und "Una Mattina" (Ein Mittag) wie das weiße Wolken-Feeling in "Nuvole Bianche" zu den Texten von Hirth. Übrigens: Ein Großvater von Einaudi war Staatspräsident von Italien und der andere Komponist und Dirigent. In heimeliger Atmosphäre erlebten die Zuhörer einen gelungenen Mix aus Prosa-Kunst und anspruchsvoller Musik.

Carla Dikkers vom Vorstandsteam des Fördervereins Bürgertreff Tumlingen zeigte sich berührt: "Wunderschön! Wir haben einen feinfühligen Nachmittag erlebt, voll filigraner Poesie und Musik. Und Frauenpower!" Unter Beifall des Auditoriums bescheinigte sie der Buch-Autorin einen "feinen Humor".

Leben in Österreich

Simone Hirth ist als Tochter von Edgar und Ines Hirth im Luftkurort Lützenhardt aufgewachsen. Ihre Eltern wohnen inzwischen in Dornstetten. Nach ihrem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und diversen Jobs zog sie nach Wien. Seit 2012 lebt die freischaffende Autorin in Österreich. In Kirchstetten hat die inzwischen 36-jährige mit ihrem vierjährigen Sohn eine neue Heimat gefunden, wo sie sich wohlfühlt. Sie erhielt viele Stipendien. 2014 wurde sie mit dem Schwäbischen Literaturpreis ausgezeichnet. Jüngst, am 27. Oktober, ist ihr im Literaturhaus in Wien der österreichische Reinhard-Priessnitz-Preis verliehen worden.

Was inspirierte Sie, 365 Tassen Kaffee mit Poesie zu umgarnen?

Die Inspiration kam bei einer Tasse Kaffee, bei der ich ein Gedicht las, wie ich es oft tue, wenn kurz Zeit ist.

Was ist das Wichtigste in Ihrem neuen Buch?

Das Wichtigste am neuen Buch ist, dass es ein "Jahresbuch" ist. Es kann einen täglich begleiten, wenn man das möchte, 365 Tage lang.

Brauchen wir nicht alle mehr Poesie und Fantasie für unseren Alltag?

Auf jeden Fall, denn Poesie hilft in sehr vielen Lebenslagen!

Bonus-Frage: Was ist das Fazit des neuen Buches in einem Satz zusammengefasst?

Es ist eine Art Rettung, wenn die Welt untergeht, dann bleibt die Poesie. In jeder Lebenslage ist es hilfreich, wenn man die Poesie im Haus hat.nDie Fragen stellte Walter Maier.