Klaus Ruch las am Freitagabend vor rund 100 Zuhörern in der Hausacher Mediathek aus „Vom Versuch, eine Brezel gerade zu biegen“.
„Als ich das Buch gelesen habe, war mir sofort klar: Den will ich für eine Lesung“, sagte Mathilde Sum am Freitagabend vor rund 100 Zuhörern in der voll besetzten Hausacher Mediathek. Sie habe selbst noch sehr viel über Hausach gelernt und noch mehr aus den vielen Gesprächen mit Hausachern über die Zeit, in der „Vom Versuch, eine Brezel gerade zu biegen“ handelt: Von 1930, der Geburt von Lieselotte, bis 1952, der Geburt des Autors. Und dann saß er da mit seinem Buch in der Hand und einem Lächeln irgendwo zwischen Lampenfieber und Vorfreude, dass seine Premiere gerade hier stattfinden konnte. Seine erste Lesung vor Menschen, die zum Teil seine Mutter noch kannten, aus deren Erzählungen diese Biografie entstand. Er übermittelte zunächst die Grüße seiner 95-jährigen Mutter, die sicher dabei gewesen wäre, wäre sie noch reisefähig.
Für viele Zuhörer beginnt Reise in die Vergangenheit
Kaum hatte er die ersten Zeilen gelesen von der fünfjährigen Lieselotte in der Backstube ihres singenden Vaters, begann für viele Zuhörer eine Reise in die Vergangenheit. Geschichten wie warme Brezeln, außen knusprig, innen weich und mit einer ordentlichen Prise Salz. 13 Stunden Videomaterial hat der Autor in 284 Seiten so literarisch aufgearbeitet, dass das Zuhören eine Freude war. Sehr oft reagierte das Publikum mit einem wissenden Raunen. Etwa, als er das Haus der Kittlerbecks beschrieb. „Es wurde 1973 abgerissen“, warf ein Zuhörer ein. Oder als er vom Totengräber Cölestin erzählte, einem Hausacher Original mit pechschwarzem Humor – und wie absurd und ungerecht es der Lieselotte erschien, dass auch Totengräber sterben müssen.
Klaus Ruch streifte nur kurz erzählend das Schicksal der geistig behinderten Schwester des Bäckers und las das Kapitel, wie Lieselottes Mutter Anna nach Hausach und ins Bäckerhaus kam – ein hartes Leben für Frauen. Für arme Frauen noch viel härter. Klaus Ruchs Ehefrau saß ebenfalls im Publikum und soufflierte ihrem Mann ab und an, was er doch auch noch lesen wollte. Wem die Frau irgendwie bekannt vorkam: Es ist tatsächlich Luzia Braun, über viele Jahre das Gesicht der ZDF-Kultursendung „Aspekte“.
Wer es nicht noch selbst erlebt hatte, erfuhr, wie der Nationalsozialismus nach Hausach kam. Wie sich die Menschen vor den Jagdbombern verstecken. Wie ein Mädchen als Heldin gefeiert wurde, weil ihr ein Bein weggeschossen wurde. Aber auch, wie die Teenies im Bund Deutscher Mädchen die Sabotage des Regimes am christlichen Glaubensleben als Befreiung erlebten. Und die Zuhörer erfuhren auch, wie der Titel des Buchs entstand. „Jetzt loss doch des Maidle in Ruh. Ma kann halt kei Brezel grad biege“, beschied die Bäckersfrau ihrem Mann, dem es überhaupt nicht passte, dass sich seine Tochter von den Nazis vereinnahmen ließ. Wie diese schließlich Freundschaften schloss mit den Erzfeinden und was das mit ihrem Verhältnis zum Vater machte, ist alles noch nachzulesen. Der Tisch des Autors verwandelte sich nach dem langen Beifall in einen Ort lebendiger Erinnerung – die Hausacher ließen den Autor beim Signieren der Bücher kaum zum Schreiben kommen, soviel hatten sie selbst noch zu erzählen.
Buch ist erhältlich
Das Buch „Vom Versuch, eine Brezel gerade zu biegen“ ist überall im Buchhandel erhältlich. Auch im Hausacher Schreibwarengeschäft Stifte & Mohr ist es zu bekommen.