Der Autor und Poetry-Slammer Tobi Katze las im Kurhaus in Freudenstadt aus seinem Buch „Morgen ist leider auch noch ein Tag“. Über seine Bekenntnisse tauschte er sich mit dem zahlreichen Publikum aus.
Getragen wurde der Auftritt von Freudenstadt Tourismus in Zusammenarbeit mit der Thalia-Buchhandlung. Veranstaltungsleiterin Corinna Gerlach begrüßte den vielgefragten Autor Tobias Rauh, der sich das Pseudonym Tobi Katze zugelegt hat, und ermunterte das Publikum zum Gespräch mit ihm. Das ließen sich die Gäste auch nicht zweimal sagen, und so ergab sich im Anschluss ein munteres Frage- und Antwort-Spiel.
Schätzungen besagen, dass bis zu 20 Menschen von 100 mindestens einmal im Leben Symptome einer Depression aufweisen.
Tobias Rauh, Jahrgang 1981, geboren in Hamm, geht mit seiner Erkrankung durchaus offensiv um. Ab 2014 informierte er in seinem Online-Blog über zwei Jahre hinweg über das Krankheitsbild und seine damit verbundenen Erfahrungen.
Zum Besteller geworden
2015 kam sein Buch „Morgen ist leider auch noch ein Tag – Irgendwie hatte ich von meiner Depression mehr erwartet“ auf den Markt. In zahlreichen Auflagen mauserte sich das Werk bis heute zu einem Bestseller.
Katzes Werk ist keine nüchtern beschreibende Bestandsaufnahme, sondern ein biografischer Abriss, der sich mit seinem saloppen, mitunter bewusst vulgären Schreibstil grundlegend von rein dokumentarischen Erhebungen unterscheidet. Aber gerade dieser locker-flockige Duktus steigert bei aller Tragik der Erkrankung den Unterhaltungswert seiner Ausführungen. Damit schafft er Distanz zu sich und seinem Leiden.
In 30 Abschnitten entfaltet Tobi Katze Entwicklung und Verlauf seiner Krankheit. Einige Passagen trug er daraus vor. Dabei bediente er sich vorwiegend des rhetorischen Mittels einer nahezu szenischen Lesung, das die Aufmerksamkeit zu steigern vermochte.
Auf seine Frage „Was will ich eigentlich?“ lautet seine Antwort: „Ich will nicht mehr grundlos in Tränen ausbrechen bei dem kleinsten Gedanken an mich selbst…“ Der Therapeut bekennt: „Ich habe aber auch kein Zaubermittel oder eine magische Übung, die Ihnen Ihr Problem nehmen könnte.“ Endlich steht die Diagnose nach langem Austausch zwischen Arzt und Patient fest: Depression! Tobi Katze stellt lapidar fest: „In mir drin – ist Chaos.“
Schleichender Prozess
Seine Erkrankung war ein schleichender Prozess über Jahre hinweg. Nun, da die Diagnose feststeht, kommen Antidepressiva ins Gespräch, die er über drei Monate hinweg nur schweigend anstarrt. Der Therapeut legt ihm dringend nahe, die Tabletten zu nehmen. Die positive Wirkung lässt auf sich warten: „Ich nehme jetzt seit zwölf Stunden und vier Minuten Antidepressiva. Nichts ist bahnbrechend anders.“
Nach zwei Monaten folgert er: „Meine Depression ist immer noch ein vorlautes Arschloch, das sich aber jetzt inzwischen wenigstens vernünftig artikulieren kann.“ An seinem 29. Geburtstag will Tobi Katze die Familie über seinen Zustand aufklären. Aber die Reaktionen sind ernüchternd. Seine Depression wird von der Mutter verharmlosend als Traurigsein klassifiziert und vom Vater als ein vom Therapeuten eingeredetes Erscheinungsbild abgetan. Schließlich gibt’s dennoch Trost von der großen Schwester: „Aber du weißt schon, dass wir dich alle lieben, oder?“
Rauh geht es nach eigenem Bekunden „momentan gut“. Er wisse, was er zu tun habe, versicherte er. Zu den Schritten aus der Depression zählen „Werkzeuge“ wie Psychotherapie und Antidepressiva, meinte Tobi Katze. Zu seinen Überzeugungen gehört, dass Gefühle Ratgeber sein, aber nicht die Kontrolle übernehmen dürfen.
Das Buch: Tobi Katze: „Morgen ist leider auch noch ein Tag“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 13. Auflage 2021, 253 Seiten, zehn Euro.