Bestseller-Autor Andreas Altmann schonte bei seiner Lesung das Publikum nicht. Foto: Meinert

Andreas Altmann hat im Kurhaus aus seiner Autobiografie vorgelesen. "Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend" – so der Titel.

Freudenstadt - Es kommt nicht eben häufig vor, dass ein allseits gefeierter Bestseller-Autor sich höchstpersönlich im Kurhaus in Freudenstadt die Ehre gibt. Und dann noch mit einer Lesung aus seinem Buch, dessen Titel schon manchen abschrecken mag.

"Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend" heißt das Werk. Und Autor Andreas Altmann richtet denn auch gleich zu Anfang eine Warnung an sein Publikum: "Sie haben Eintritt bezahlt, daher mute ich Ihnen auch einiges zu."

Mutter wollte ihn nach der Geburt ersticken

Man sieht ihm seine 73 Jahre nicht an, als sich Altmann an das Tischchen mit dem Mikrofon setzt. Angetan mit hellem Mantel und weißem Schal sowie einer Kopfbedeckung, die man früher salopp als Schiebermütze bezeichnet hätte, aber die heute kaum noch jemand trägt, beginnt er aus seinem Buch zu lesen, das 2011 erschien und damals seinen literarischen Durchbruch markierte.

Die ersten Sätze, die er liest, stimmen die Zuhörer auf Stimmung und Dramatik seiner 250-Seiten-Biografie ein: "Ich kam mit einem Verzweiflungsschrei zur Welt. Er stammt von meiner Mutter. Kaum war sie allein mit mir im Wochenbett, drückte sie das Kopfkissen auf mich. Lieber töten, als noch einen auszuhalten, der zum Unglück der Welt beitrug." Es sei die Hebamme gewesen, die ihn, den Neugeborenen, damals gerettet habe.

Die eigene Familie als Kampfzone

Das Wort "schonungslos" wird von Literaturkritikern nicht immer wirklich berechtigt verteilt – auf Altmanns Beschreibungen seiner Kindheit und Jugend trifft es allerdings zu wie die Faust aufs Auge. Neben der Mutter beschreibt er den prügelnden Vater, den Rosenkranzhändler aus dem bayerischen Wallfahrtsort Altötting, wo Altmann Kindheit und Jugend verlebte.

Die Gewaltszenen sind bedrückend. Originalton Altmann: "Ich wurde immerhin Vaters bevorzugter Prügelknabe, ich habe ein Recht auf meinen Hass." Aber der Sohn lernt später auch: "Als mein Vater aus dem Krieg zurückkam, war er bereits verwüstet. Aber diesmal diente nicht der ferne Ural als Kampfzone, sondern die eigene Familie."

Die Opferrolle ist nicht für ihn

Doch eines, betont Altmann vor seinem Publikum noch bevor er überhaupt mit dem Lesen beginnt, will er auf keinen Fall sein: ein Opfer, ein "lahmer Tränensack". "Ich bin kein Opfer, ich bin erwachsen geworden", sagt Altmann. Am Ende der Biografie steht denn auch die Befreiung, die Altmann nach seiner Jugend in Altötting erlebt.

Er habe sich mit unzähligen Jobs durchgeschlagen, als Spüler und Privatchauffeur, als Bauarbeiter und Nachtportier, sei um die halbe Welt gereist. Zeitweise lebte Altmann in einem Zen-Kloster in Japan sowie in einem Ashram in Indien. Er absolvierte die Schauspielschule in Salzburg, sei aber "als Schauspieler nicht gut gewesen", wie er in Freudenstadt freimütig bekennt.

Erste Erfolge mit Reisereportagen

Das Glück kam mit dem Schreiben. Erst verfasste der Globetrotter Altmann Reportagen und Reiseberichte. Später kamen Bücher hinzu, bis heute habe er 22 Titel geschrieben, sieben davon seien Bestseller, heißt es. Unter anderem erhielt er den Egon-Erwin-Kisch-Preis.

Er habe Glück gehabt, dass er mit dem Schreiben begonnen habe, sagt Altmann, der seit vielen Jahren in Paris lebt. Und zu der Biografie, aus der er in Freudenstadt liest, meint er in aller Offenheit: "Ich habe das Buch natürlich auch aus Rache geschrieben, mir ging’s danach zumindest besser als zuvor."

Schade nur, dass Altman nach der Lesung im Kurhaus von Freudenstadt keine Gelegenheit zu Fragen und Diskussion gab – das Publikum wäre sicherlich dankbar gewesen