Lesen ist ein wunderbarer Zeitvertreib - wer aber beruflich oder fürs Studium viel liest, könnte das mit entsprechenden Technik schneller tun und hätte dann mehr Zeit für anderes.

'Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.' Das Zitat stammt von Aldous Huxley. Heute bekommt mancher, der eine schriftliche Information nicht sofort realisiert, zu hören: 'Wer lesen kann, ist stets im Vorteil' - was ebenfalls auf die Lesequalität anspricht. Fast alle Menschen hierzulande haben in der Schule Lesen gelernt - können lesen, aber auf ganz unterschiedlichem Niveau. Wer ständig einer großen Informationsflut ausgesetzt ist und viel lesen muss, seien es Studierende oder Berufstätige, wünscht sich manchmal, schneller und effizienter lesen zu können.

'Wenige wissen, dass man das lernen kann', sagt Thomas Wunderberg. Keine andere Schlüsselqualifikation werde so wenig weiterentwickelt wie das Lesen. Er möchte Menschen für Lesetechniken begeistern und sagt, dass Lesen viel mit Sport zu tun habe - Lesesport, den man trainieren kann. Wer schneller und effizienter lese, habe mehr Zeit für andere Dinge. Wunderberg vermittelt Lesetechniken in Improved-Reading-Kursen. Deren Methode geht auf den australischen Wirtschaftspsychologen Dr. Stan Rodgers zurück.

Um schneller und effizienter zu lesen, müsse man die Hauptlesefehler beseitigen. 'Viele Menschen schweifen beim Lesen mit den Gedanken ab, sind unkonzentriert und müssen den Text dann noch einmal lesen', weiß Wunderberg. Das liege am langsamen Lesen und damit einer Unterforderung des erwachsenen Gehirns, erläutert der Geschäftsführer von Improved Reading in Karlsruhe in seinem Kurs. Die meisten lesen mit einer Geschwindigkeit von 150 bis 300 Wörtern pro Minute, dabei ist das Gehirn nur zu etwa 25 Prozent ausgelastet.

Der zweite Kardinalfehler ist die "Regression"

Es kann aber Informationen mit 800 bis 1000 Wörtern pro Minute verarbeiten. Wird schneller gelesen, vermeidet man das Abdriften. Der zweite Kardinalfehler ist die sogenannte Regression, das Zurückspringen im Text. 'Man muss sich zwingen, vorwärts zu lesen, und die Bedeutung aus dem Kontext erschließen', sagt der Lesetrainer. Da kommt der Einwand, dass man den Text nicht verstanden hat. 'Lesen Sie mindestens einen ganzen Absatz schnell am Stück und wenn nötig, noch einmal.' Die Technik sei effizienter, als wenn das Auge immer wieder zurückspringt.

Der dritte Fehler ist, Wort für Wort zu lesen, eben so wie es in der Grundschule gelernt wurde. Das bessere Lesen beginnt mit der Körperhaltung. Wunderberg rät, das Buch oder das Papier in die Hand zu nehmen und aufrecht zu sitzen. Am Computer muss gutes Licht herrschen und der richtige Abstand zwischen Augen und Bildschirm eingehalten werden. Wichtige Texte sollten besser ausgedruckt werden. Nun besteht natürlich ein großer Unterschied darin, was man liest, E-Mails, lange Anhänge mit Fließtext, die Zeitung, ein Sachbuch, einen wissenschaftlichen Text oder einen Roman - deswegen sollte der Leser erst mal eine Vorausschau machen, sichten, auswählen und das Leseziel festlegen - will ich mir nur einen Überblick über eine Sache verschaffen, oder muss ich den Text studieren? 'Dabei bleiben viele Dinge hängen', sagt Wunderberg.

Das eigentliche Lesen geschieht dann durch "Chunken"

Vorausschau bedeutet, den Text zu überfliegen und dabei auf sogenannte Sinnsignale wie Absätze, Hervorhebungen, Bilder, Diagramme, Tabellen oder ungewöhnliche Wörter zu achten. Durch Fragen, die dabei entstehen, wird das Interesse geweckt. Skimming und Scanning heißt bei Improved Reading die Auseinandersetzung mit dem Text. Das eigentliche Lesen geschieht dann durch 'Chunken'. Das bedeutet, nicht mehr Wort für Wort zu lesen, sondern Sinngruppen zusammenzufassen. Zum Beispiel die drei Wörter 'auf dem Dach' nicht einzeln mit dem Auge zu erfassen, sondern mit einem Blick. Denn für jeden Blick brauche man eine Viertelsekunde.

Das menschliche Auge kann bei einem Abstand zum Text von 35 bis 40 Zentimetern einen Bereich von drei bis dreieinhalb Zentimetern scharf sehen, also meistens mehrere Wörter auf einen Blick. Um das zu demonstrieren und zu trainieren, wird bei Improved Reading ein sogenannter Reading Rate Controller eingesetzt. Mit dem Gerät wird eine Art Lineal von oben nach unten von Zeile zu Zeile geschoben und zwingt zum Vorwärtslesen. Die Geschwindigkeit gibt der Lesetrainer vor. Wenn dann noch Fragen zum Text beantwortet werden müssen, hat der Übende ein messbares Ergebnis, wie schnell er gelesen hat und wie viel er verstanden hat. 'Lesen ist eine Interpretation von Symbolen', erklärt Wunderberg.

Deswegen wird in den Kursen viel mit Buchstaben- und Zahlenreihen geübt - alles auf Zeit. Das weckt den Ehrgeiz bei den Teilnehmern. Schon nach wenigen Stunden erhöht sich die Lesegeschwindigkeit um das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zum Beginn des Trainings. Wie bei jeder Fertigkeit muss effizientes Lesen geübt werden, und so erreicht die Teilnehmer noch Wochen nach dem Kurs immer wieder eine E-Mail mit Tipps und Übungen. 'Aufmerksamkeit, Lesefluss und Automatisierung entscheiden über die Qualität des Lesens', erläutert Wunderberg und rät, so schnell zu lesen, um zu verstehen, was man verstehen will.