Rotary-Präsident Andreas Mebold (links), Stadtbücherei-Chefin Tanja Wachter (stehend), Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und Kulturamtsleiter Martin Roscher (rechts) feiern Lesepatin Ursula Baumgärtner und ihre Kolleginnen. Foto: Karina Eyrich

Seit zehn Jahren kommen Lesepaten an Albstädter Schulen, um mit jenen Kindern das Lesen zu üben, die sich damit schwer tun – und zwar längst nicht nur Migranten. Stellvertretend für die 13 Aktiven ist Ursula Baumgärtner geehrt worden.

„Vorsicht! Nicht betreten! Lebensgefahr!“ Für eines ihrer Lesepatenkinder sei es ein Schlüsselerlebnis gewesen, diesen Warnhinweis lesen zu können: „Könnte ich es nicht, wäre ich jetzt tot!“ Ursula Baumgärtner, Motor der Lesepaten, die vor zehn Jahren vor den baden-württembergischen Kinder- und Jugendliteraturtagen in Albstadt mit ihrer Arbeit begonnen haben, ist es nur eine Anekdote von vielen, die zeigten, wie wichtig es ist, lesen zu können.

Dass diese Fähigkeit bei erschreckend vielen Kindern teils deutlich zu wünschen übrig lässt, beobachtet sie seither: Smartphones, Computer, Videospiele und der Fernseher seien allzu verlockende Alternativen zu Büchern, die es in vielen Haushalten gar nicht mehr gebe, bestätigt Andreas Mebold, Präsident des Rotary-Clubs Ebingen-Zollernalb, dessen Frau selbst lange Lesepatin war.

Eigene Bücher für 1,3 Millionen Kinder

Der Club unterstützt nicht nur die Lesepaten, sondern hat sie mit der Aktion „Lesen lernen. Leben lernen“ flankiert, bislang 48 500 Schulklassen und 1,3 Millionen Schüler bundesweit mit Büchern und Unterrichtsmaterial versorgt. „Lese- und Schreibfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie, Stabilität und wirtschaftliches Wohlergehen“, begründet der Rotary Club sein Engagement für Bildung, und Ursula Baumgärtner betont: „Keinem Kind ist es egal, wenn es nicht lesen kann.“ Müsse es aber in der Schulklasse vorlesen, habe es Angst, sich zu blamieren – und schließe erst recht zu.

Die Lesepaten hingegen arbeiten mit bis zu fünf Kindern, „und jedes Kind bekommt die Zeit, die es braucht“, betont Baumgärtner. „Es gilt: Wir loben, wir lachen nicht und wir kommentieren nichts.“ Nur so gelinge es, dass die Kinder oft schnell Fortschritte machten und sich richtig darauf freuten, vorlesen zu dürfen.

Das Angebot muss verbindlich sein

Wichtig ist den Lesepaten, zu Unterrichtszeiten zu kommen, denn in der Freizeit blieben Kinder schnell weg. „Jeder Lesepate vereinbar seine Stunden selbst mit der Schule, und von Schulleitern höre ich oft, was die Lehrer sagen: ‘Ohne Euch wüssten wir nicht mehr, wie wir’s machen sollen.‘“

Während der Corona-Lockdowns, als manche Kinder sich selbst überlassen gewesen seien, habe sich die Lesefähigkeit eher verschlechtert, berichtet die Lesepatin. „In großen Klassen können sich Lehrer um solche Einzelfälle nicht kümmern, und so gebe es Kinder, die in der vierten Klasse noch nicht richtig lesen könnten.

Ursula Baumgärtner und ihre derzeit zwölf Kolleginnen – drei von ihnen sind Männer, zwei von jenen ehemalige Lehrer – haben also noch viel zu tun, doch „es ist eine sehr sinnstiftende, erfüllende Tätigkeit“, sagt sie und erzählt, wie ihr oft Kinder und Jugendliche in der Stadt zuriefen, von ihren zwischenzeitlichen Erfolgen in der Schule berichteten.

Mit Geduld und großem Herzen

Baumgärtner selbst und Tanja Wachter, Leiterin der Stadtbücherei, schwärmen von der Zuverlässigkeit, Geduld und Einsatzfreude der Lesepaten, die an 13 Albstädter Schulen tätig sind. Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und Martin Roscher, Leiter des Amtes für Kultur, Tourismus und bürgerschaftliches Engagement, sind ihnen „sehr dankbar“ dafür und hoffen, dass die beiden altersbedingten Ausfälle der jüngsten Zeit bald kompensiert werden: Neue Lesepaten sind höchst willkommen, dürfen sich in der Stadtbücherei, Telefon 07431/55 8 30, melden und brauchen nichts mitzubringen außer ein paar Stunden Zeit jede Woche – und einem Herzen für Kinder.