Es wirkt wie ein Spiel: Lerntherapeutin Silke Thiercy und die zwölfjährige Meryem arbeiten an Mengen und am Zahlenstrahl. Foto: Ungureanu

Eigentlich ist sie freie Journalistin und Buchautorin. Aber derzeit kümmert sich die Balingerin Silke Thiercy vermehrt auch um Kinder mit Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche – als ganzheitliche Lerntherapeutin.

Balingen - Mit Meryem arbeitet Silke Thiercy in den Räumen der Sprachenwerkstatt gerade mit Rechenschieber, Arbeitsheft und bunten Plastik-Chips. Es geht um den Zahlenstrahl und die Mengenlehre – Dinge, die normalerweise schon in der zweiten oder dritten Klasse sitzen sollten. Die Zwölfjährige, sagt sie, tue sich schwer, sich Mengen vorzustellen oder Zahlen richtig einzuordnen.

Es sind andere Lernmethoden und Lehrmittel als im "normalen" Unterricht. Lehrerin und Schülerin haben Spaß in dem "geschützten Raum, in dem Fehler nicht so schlimm sind und Leistungen nicht mit Noten bewertet werden". Wie Meryem bekommen noch 14 weitere Kinder und Jugendliche – aktuell von Klasse zwei bis Klasse neun – ein Coaching. 

Nach Corona sind Lerntherapeuten besonders gefragt

Lerntherapeuten, sagt Thiercy, seien nach Corona-Lockdown und Homeschooling besonders gefragt. Der monatelange Fernunterricht habe vor allem bei den Grundschülern zu Lernlücken geführt, die nicht so einfach zu schließen seien. Und mit Nachhilfe allein sei dem nicht beizukommen. Ein ganzheitlicher Ansatz sei erforderlich. Das bedeute, dass sie als Lerntherapeutin die Familie des Kindes kennenlernen, Ursachenforschung betreiben und das Kind eingehend testen müsse, um herauszufinden, "was das Problem ist und wo das Kind steht". Wichtig sei bei der Einschätzung auch die psychische Komponente: "Leidet das Kind darunter?" In vielen Fällen müssten Kinder, die neu hinzukommen, erst mal "aufgebaut" werden.

Ganzheitlich? Jawohl: Mitten im Lockdown absolvierte die Balingerin ihre Ausbildung an der Flensburger "Akademie für ganzheitliches Kinder- und Jugendcoaching", holte ihr Diplom, arbeitete zunächst beim Lernforum Brandelik, und seit dessen Schließung in der Sprachenwerkstatt von Svenja Bockorny. Eigentlich, sagt sie, habe sie sich selbstständig machen wollen, habe sich nach einem passenden Raum umgeschaut. Aber das "wäre ein Riesenaufwand gewesen".

Sie ist ihr eigener Chef

So arbeite sie jetzt in der Sprachenwerkstatt auf Honorarbasis, sei praktisch ihr eigener Chef, die Abrechnung laufe aber über die Sprachenwerkstatt. Hinzu komme die Tätigkeit an der Realschule Hechingen und an der Astrid-Lindgren-Schule in Bisingen – innerhalb des Programms "Lernen mit Rückenwind" des baden-württembergischen Kultusministeriums. Ihr Fazit: "Ich hätte nie gedacht, dass Unterrichten so viel Spaß machen kann."

Info: Legasthenie und Dyskalkulie

Eltern und Lehrer bemerken schon sehr früh bestimmte Anzeichen: Manche Kinder lassen beim Lesen oder Schreiben Buchstaben oder Wortteile aus oder fügen welche hinzu, Buchstaben werden vertauscht, ähnlich klingende Laute wie d und t können kaum unterschieden werden. Auch vermehrtes Üben bringt keine sichtbaren Erfolge. Und manchen Kindern gelingt es nicht, Zahlen zu addieren, zu subtrahieren, zu multiplizieren oder zu dividieren. Auch einfache Aufgaben sind für sie eine Herausforderung. In solchen Fällen liegt möglicherweise eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) oder eine Rechenschwäche (Dyskalkulie) vor. Beides kann therapiert werden. Liegt eine fachärztliche Diagnose vor, werden die Kosten vom Jugendamt übernommen. Weitere Informationen: www.die-sprachenwerkstatt.de/lerntherapie