Marco Freiherr von Münchhausen malt sich innere Bilder. Foto: Seegmüller

Lernen ist jenseits schmerzhafter Erfahrung und großem Interesse eine mühsame Sache.

Stuttgart - "Das kannst du eh nicht!" Diese innere Stimme haben bereits Kinder im Kopf - und sie ist der Motivationskiller Nummer eins beim Lernen. Sie schafft unsichtbare Grenzen in und um uns, und da sich an dieser Haltung durch alle Bildungsinstanzen hindurch bis ins hohe Alter kaum etwas ändert, ist Lernen eine zähe Angelegenheit. Ohne Motivation bleibt jedoch der Lernerfolg aus, und der innere Schweinehund, der sich ungern auf Neuland begibt - und nichts anderes ist Lernen -, hat wieder einmal recht behalten. Der Status quo bietet Sicherheit, und so wird die innere Stimme immer daran arbeiten, Veränderungen schon im Vorfeld abzuwenden.

Dabei können wir viel, wenn wir wollen: "Wir besitzen den besten Computer der Welt", sagt Marco Freiherr von Münchhausen, Motivations- und Gedächtnistrainer, Autor und Deutschlands bekanntester Schweinehund-Forscher. "Er besteht aus 1,3 Kilogramm grauer Gehirnmasse, aber leider haben wir keine Bedienungsanleitung mitbekommen." Womit von Münchhausen nicht sagen will, dass er Handbücher für Hard- und Softwareprodukte für besonders hilfreich hält. Der Arbeitsspeicher - das Kurzzeitgedächtnis - saugt Informationen auf wie ein Schwamm, doch die Daten werden schnell wieder gelöscht. Der Weg auf die Festplatte - also ins Langzeitgedächtnis - ist deutlich schwieriger.

Am schnellsten lernt der Mensch über Erfahrungen. Wer sich einmal am Ofen verbrennt, braucht keine weiteren Experimente, um den Wahrheitsgehalt dieser Erkenntnis zu überprüfen. Denn die physische Erfahrung hat sich im wahren Sinn des Wortes im Gedächtnis eingebrannt. "Schmerz ist die wirkungsvollste Art, umzudenken und umzulernen", sagt der Trainer der Jahre 2002 und 2005, "das Nervensystem merkt sich das sofort." Der zweite Direktzugang heißt Interesse. "Ich habe ein ganz schlechtes Gedächtnis", hört von Münchhausen oft in seinen Seminaren. Wenn er dann nach den persönlichen Interessen fragt, können die Teilnehmer stundenlang über jedes Detail ihrer Hobbys erzählen.

Je abstruser die Bilder, desto besser

Alles, was jenseits von schmerzhafter Erfahrung und brennendem Interesse liegt, muss sich seinen Platz im Gedächtnis mühsam erkämpfen. Man kann sich das vorstellen wie in einem Büro: Das Langzeitgedächtnis ist das Chefzimmer, das Kurzzeitgedächtnis ist das Sekretariat. "Natürlich will jeder zum Chef", schmunzelt von Münchhausen, "aber davor sitzt die Sekretärin und wimmelt unwichtige Kandidaten gleich ab." Dass Auto auf Französisch "voiture" heißt, hält das Gehirn weder für überlebenswichtig noch für sonderlich spannend. "Mehr als fünf bis sieben Informationseinheiten passen sowieso nicht ins Wartezimmer", meint von Münchhausen. Drängen mehr Informationen ins Gehirn - wenn jemand beispielsweise auf eine Prüfung büffelt -, wird selektiert. So haben es Vokabeln oder die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre sehr schwer, bis ins Langzeitgedächtnis vorzudringen. Die einzige Chance besteht in der Hartnäckigkeit. Wer weiß, vielleicht öffnen sich beim siebten oder achten Anlauf die Türen? "Genau aus diesem Grund muss man Vokabeln so häufig wiederholen." Was man nicht wiederholt, ist innerhalb von einem Tag aus den grauen Zellen verschwunden.

Das Gehirn lernt über Bilder

Allerdings gibt es Techniken, wie sich das mentale Sekretariat überlisten oder umgehen und die Anzahl der Lernwiederholungen reduzieren lässt: innere Bilder. "Bilder wirken zehn- bis 100-mal so stark wie Worte oder Zahlen, und sie werden auch zehn- bis 100-mal schneller verarbeitet", erklärt von Münchhausen. Wer sich einzelne oder mehrere Begriffe merken will, sollte sie sich im wahren Sinn des Wortes ausmalen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt - je abstruser die Geschichte, desto besser das Ergebnis. Man merkt sich den Begriff Schlauchboot also nicht mit einer 08/15-Visualisierung, sondern gibt dem Boot rote Streifen, gelbe Paddel und einen Holzfußboden. "Die linke Gehirnhälfte denkt dann: Was für ein Schwachsinn! Die rechte dagegen freut sich über das bunte Spektakel." Das Gehirn merke sich alles, was es hört oder liest, nicht über die Sprache, sondern über die Bilder, die es dazu entstehen lässt.

Motivation hat auch mit dem richtigen Verhältnis von Herausforderungen und Fähigkeiten zu tun. "Über- und Unterforderung sind weitere Motivationskiller", so von Münchhausen. Wenn Lernen Spaß machen soll, dann muss das Verhältnis zwischen Aufgaben und Können ausgewogen sein. "Ideal ist, wenn jemand im Rahmen seiner Fähigkeiten gefordert ist. Dann entsteht eine entspannte Höchstleistung, der Flow." Natürlich lässt sich das Ideal nicht dauerhaft aufrechterhalten - in vielen Bereichen sind Lernende entweder gestresst oder gelangweilt. Wichtig sei, dass die Tendenz stimmt. "Zum Lernen gehört ein Gefühl der Machbarkeit."

Spaßfaktor und positive Emotionen


Wer seinen Schweinehund zum Lernen motivieren will, muss ihm also einiges bieten: Spaßfaktor und andere positive Emotionen, eine nette Verpackung der Lerninhalte, eine prachtvolle Visualisierung und die richtigen Prioritäten: "Schweinehund-Angelegenheiten haben Vorfahrt", heißt die Devise. Wer seiner beruflichen Weiterbildung täglich 30 Minuten widmen will, sollte das so früh wie möglich am Tag hinter sich bringen: In den ersten Wochen darf es keine Ausnahmen geben, denn sonst folgt der "Schweinehund-Dreisatz": ausfallen lassen, schleifen lassen, sein lassen. "Gestalten Sie den Einstieg so einfach wie möglich, fangen Sie mit kleinen Schritten an, und steigern Sie sich sehr langsam," sagt von Münchhausen. Wer eine neue Gewohnheit täglich trainiert, hat sie nach sechs bis acht Wochen verinnerlicht. Wer sie nur einmal wöchentlich praktiziert, braucht ein halbes Jahr. Sei das Lernen erst einmal in einer neuen Gewohnheit verankert, spiele der Schweinehund freiwillig mit.