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Millionenschwere Sanierungsarbeiten stehen an - Erkundungsbohrungen sollen im März starten.

Leonberg - Der Engelberg gibt einfach keine Ruhe. Es rumort im Inneren, aufquellendes Gestein drückt auf Betonwände und Fahrbahnen des Tunnels. Die Schäden sind groß und sorgen für ständige Reparaturen. Nun soll noch einmal viel Geld aufgewendet werden - in der Hoffnung, das Problem dauerhaft zu lösen.

Der vielbefahrene Engelbergtunnel auf der A81 bei Leonberg bleibt eine Dauerbaustelle. Auch im neuen Jahr rücken wieder Bautrupps an. "Es kann erforderlich werden, bis zu zwei Fahrstreifen zu sperren", sagt ein Sprecher des Regierungspräsidiums Stuttgart (RP). Um die Staus auf dem mit etwa 120000 Fahrzeugen am Tag belasteten Autobahnabschnitt nicht grenzenlos werden zu lassen, soll nur nachts zwischen 20 und 6 Uhr und an Wochenenden gearbeitet werden. Der genaue Zeitpunkt freilich steht noch nicht fest. "Wir werden über die Medien rechtzeitig informieren", so der Sprecher.

Voraussichtlich bleiben Auto- und Lastwagenfahrer noch bis zum März 2012 unbehelligt. Dann sollen Erkundungsbohrungen im Engelberg starten. Sie dauern zwei bis drei Monate und sind das Vorspiel für eine beabsichtigte umfassende Sanierung. Mit diesen Bauarbeiten, die den Verkehr dann deutlich mehr und länger behindern dürften als die Bohrungen, ist nach heutigem Stand aber erst im Jahr 2014 oder später zu rechnen. Möglicherweise muss dafür jeweils eine Tunnelröhre ganz gesperrt werden.

Bei der großen Tunnelsanierung ist wenig klar

Vorsichtige Formulierungen wie "beabsichtigt", "möglicherweise" oder "voraussichtlich" sind deshalb angebracht, weil bei der großen Tunnelsanierung noch wenig klar ist. Das geht aus den Antworten von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf eine Kleine Anfrage des Leonberger Landtagsabgeordneten Bernd Murschel (Grüne) hervor. So soll mit den im Frühjahr startenden Erkundungsbohrungen erst "eine hinreichende Grundlage zur abschließenden Festlegung des Sanierungskonzepts" geschaffen werden.

Klar ist, wo in Leonberg gebohrt werden wird: an der Stuttgarter Straße beim Kreisverkehr Forchrainstraße und in der nahe gelegenen Wolfschlucht. Sechs Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimeter werden ungefähr 80 Meter in die Tiefe getrieben. Sie enden kurz oberhalb oder unterhalb des Tunnels. In die Löcher kommen Messapparate. Sie würden dann nach ein bis zwei Jahren die für die Sanierung relevanten Daten geliefert haben, weiß der RP-Sprecher. Erkundungsbohrungen gibt es zudem von den Tunnelröhren aus. Wenn diese - voraussichtlich ebenfalls ab März - gemacht werden, kommt es zu Verkehrsbehinderungen. Die Kosten für den Blick ins Innere des Engelbergs werden laut Hermann auf 300.000 Euro geschätzt.

Doch warum wird gebohrt? Die Ursache für die Probleme in den beiden 2520 Meter langen Röhren des Engelbergtunnels gilt schließlich als bekannt. Es ist das Mineral Anhydrit. Das Gestein quillt wie Gips auf, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Es dehnt sich um bis zu 50 Prozent seines ursprünglichen Volumens aus. Der Tunnel führt auf einer Länge von rund 440 Metern durch eine Anhydritschicht. Die Betonröhren wurden daher während des Tunnelbaus erheblich verstärkt - statt der ursprünglich vorgesehenen 70 Zentimeter sind sie drei Meter dick. Genutzt hat es wenig.

"Risse unterschiedlicher Intensität"

Derzeit, so Hermann, gibt es in den Tunnelröhren auf 100 bis 150 Meter Länge "Risse unterschiedlicher Intensität". Sie seien nach heutigem Kenntnisstand durch Quellungen des Anhydrits ausgelöst worden. Es müsse aber untersucht werden, ob es noch andere Probleme im Berg gebe, die zu den Schäden beigetragen haben könnten. So sollen bei den Bohrungen Gesteinsproben entnommen werden. Außerdem sollen dabei Informationen zum restlichen Quellpotenzial des Anhydrits gewonnen werden.

Die erhofften neuen Erkenntnisse sollen dann zu einem "geeigneten Sanierungskonzept" (Hermann) führen. Der Verkehrsminister geht davon aus, dass damit "eine dauerhafte Stabilisierung" des bei der Eröffnung im Jahr 1999 als Jahrhundertbauwerk gepriesenen Engelbergtunnels erreicht werden kann. Zu den Kosten sagt er: "Eine belastbare Schätzung ist erst auf Grundlage des Sanierungskonzepts möglich. Es sei aber mit einem "zweistelligen Millionenbetrag" zu rechnen.

Im Engelbergtunnel hat es von Anfang an Probleme gegeben. Schon 2002 wurde bekannt, dass durch Bewegungen im Berg drei der je zehn Meter langen Tunnelsegmente um bis zu zwei Zentimeter auseinandergetriftet waren. Es kam zu Verwerfungen der Fahrbahn und ersten Rissen im Beton. Seither wird am Tunnel, an seinen Rissen, Verwerfungen und Verschiebungen, herumgeflickt. Zuletzt bei einer dreiwöchigen Nachtbaustelle im Sommer 2010, als am Straßenrand Trennschnitte gemacht wurden, um die Spannung von der unter der Fahrbahn liegenden Betonplatte zu nehmen.

Zwischendurch wurde auch mal ein Stahlnetz eingehängt, um von der Decke bröckelnden Beton aufzufangen. Und nach Wassereinbrüchen im Winter mussten für Autofahrer gefährliche Eiszapfen von der Decke geschlagen werden. Allein in den vergangenen vier Jahren wurden laut Verkehrsminister Hermann "rund drei Millionen Euro für die Erhaltung des Engelbergtunnels aufgewendet". Die jährlichen Betriebskosten der beiden für 435 Millionen Euro gebauten Röhren mit je drei Fahrspuren liegen bei rund 750000 Euro.