Bis die Akte Alessio geschlossen werden kann, wird es wohl noch dauern. Der Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald hat am Mittwoch Schritte beschlossen, um den Fall aufzuarbeiten. Foto: Rothermel

Knapp zwei Monate nach dem Tod des dreijährigen Jungen wird ein Expertenausschuss auf den Weg gebracht.

Freiburg/Lenzkirch - Geplant ist es seit Längerem, nun ist es beschlossene Sache: Der Tod des dreijährigen Alessio aus Lenzkirch wird fachlich aufgearbeitet. Das beschloss der Kreistag des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald am Mittwoch. Demnach soll zunächst ein 18-köpfiger Begleitausschuss eingerichtet werden, der dann wiederum eine Expertenkommision zusammenstellt. Diese soll sich schließlich mit der Aufarbeitung des Todesfalls beschäftigen. Der Abstimmung ging allerdings eine längere Debatte voraus, da die SPD-Fraktion in letzter Minute aus der am Tag zuvor einmütig beschlossenen Vorgehensweise für die Expertenkommission ausscherte.

Den Sozialdemokraten passt nicht mehr, dass lediglich ein Experte aus dem Bereich der Pädagogik und Sozialpädagogik in der Expertenkommission die Fallakten des Jugendamts auswerten soll. Während die SPD sich mehr Kontrolle innerhalb der Expertengruppe wünscht, pochen die restlichen Fraktionen im Parlament auf die Datenschutzprobleme, die eine erweiterte Aktenauswertung mit sich bringen würden. Die SPD unterlag schließlich mit ihrem Antrag.

Der Begleitausschuss im Kreistag wird nun in der kommenden Woche zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen und die Zusammensetzung der Expertenkommission für die Alessio-Aufarbeitung beraten. Klar ist bisher lediglich, dass der ehemalige Freiburger Landgerichtspräsident Jochen Teigeler die Kommissionsarbeit moderieren und koordinieren soll.

Als mögliche Experten sind beispielsweise Vertreter von Polizei, Jugendhilfe und anderen Institutionen im Gespräch. Als Experten für die Aktenarbeit stehen dem Kreistag zwei Wissenschaftler zur Wahl: Der Münchner Heinz Kindler vom Deutschen Jugendinstitut und der Sozialwissenschaftler und Pädagoge Christian Schrapper von der Uni Koblenz-Landau, der gestern dem Kreistag auch gleich seine Arbeitsweise vorstellte: Aus Schrappers Sicht muss nach der Überprüfung des Falls durch die Rechtsaufsicht des Regierungspräsidiums nun die Frage geklärt werden, ob der Tod Alessios auf einen fachlichen Fehler innerhalb des Jugendamtes zurückzuführen ist, oder ob es sich um einen "unvermeidbaren Unglücksfall" handelte, dem das Kind zum Opfer gefallen ist.

Ziel der Analyse müsse es sein, Erkenntnisse zu gewinnen, was künftig beim Kinderschutz im Kreis besser gemacht werden kann. Am liebsten, so Schrapper, würde er im Fall seiner Beauftragung eine "Fallwerkstatt" einrichten, in der alle betroffenen Seiten, die mit der Familie Alessios zu tun hatten, zu Wort kommen. Bis zum Sommer könne er sich vorstellen, seine Arbeit mit einem schriftlichen Bericht abzuschließen, so Schrapper, der neben der "Fallgeschichte" Alessios auch dessen Familiengeschichte aufarbeiten will. Auch Heinz Kindler hat angekündigt, bis zum Sommer einen Expertenbericht vorlegen zu können. Bei seiner Arbeit würde die Rekonstruktion der Entscheidungen des Jugendamtes zu dem vorliegenden Fall eine zentrale Rolle spielen, so seine schriftliche Bewerbung.

Alessio wurde Mitte Januar vermutlich von seinem 32-jährigen Stiefvater zu Tode geprügelt. Der Mann sitzt in U-Haft. Das Jugendamt des Landkreises steht in der Kritik, weil der Junge in der Familie belassen wurde, obwohl es bereits Misshandlungsvorwürfe gegen den Stiefvater gab. Zuletzt stand zudem die Frage im Raum, ob die Entscheidung, Alessio bei der Mutter (24) und dem Stiefvater zu belassen, von einem Mitarbeiter der Behörde im Alleingang getroffen wurde. Dies, so Landrätin Dorothea Störr-Ritter (CDU), sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Tod des Jungen habe auch die Mitarbeiter ihrer Behörde schwer getroffen, so die Landrätin weiter: "Das Schlimmste ist passiert: Das Kinderschutzkonzept hat nicht gegriffen, Alessio ist getötet worden." Nun müsse "aufgeklärt werden, was schiefgegangen ist."