Zusätzliche Aufgabe für berufliche Schulen: sie sollen junge Flüchtlinge auf die Berufswelt vorbereiten. Foto: dpa

Lehrer an beruflichen Schulen im Südwesten müssten früher eingestellt werden, fordert der Berufsschullehrer- verband. Andernfalls drohe nach den Sommerferien regelmäßig Personalmangel.

Stuttgart - Rund 1200 Lehrer kommen nach den Sommerferien neu an die beruflichen Schulen in Baden-Württemberg. Alle Stellen, die wegen Ruhestands oder aus anderen Gründen frei wurden, sind wiederbesetzt worden, 300 Stellen wurden zusätzlich geschaffen. Dennoch rechnet der Berufsschullehrerverband mit Engpässen in einigen Fächern. „Es fehlt an Ingenieuren in den Bereichen Metall- und Elektrotechnik, aber auch in Fertigungstechnik,Automatisierungstechnik, Betriebswirtschaft, Sozialpädagogik, Gerontologie, Physik und Mathematik“, sagte Herbert Huber, Landesvorsitzender des Berufsschullehrerverbandes am Montag in Stuttgart.

Um die nötigen Fachlehrer zu gewinnen, seien weitere Sonderzuschläge für Lehrer in Mangelberufen erforderlich, forderte Huber. Um Experten aus der Wirtschaft an die Schulen zu locken, hat vor einigen Jahren die damalige CDU-FPF-Koalition Zulagen für Ingenieure aus dem Bereich Elektro- und Metalltechnik eingeführt. Diese liegen bis zu 900 Euro über den regulären Lehrergehältern. Zudem müssten die Stellen für Fachkräfte aus der Wirtschaft bereits im November des Vorjahres ausgeschrieben werden, damit diese Kündigungsfristen einhalten könnten. Im April kämen die Ausschreibungen für Direkteinsteiger aus der Wirtschaft für viele zu spät.

Verantwortlich für den Mangel macht Huber auch die langjährige Praxis Baden-Württembergs bei der Einstellung von Junglehrern. Nach Abschluss des Referendariats am Ende des Schuljahrs werden diese in die Arbeitslosigkeit entlassen und erst zu Beginn des neuen Schuljahres in den Schuldienst übernommen. Das führe zur Abwanderung in andere Bundesländern oder auch in die Schweiz, sagte Huber. Zahlen legte er nicht vor.

Kleine Berufsschulen bangen um Zukunft

Huber warnte auch davor, kleine Berufsschulklassen zu schließen. „Die Jugendlichen dürfen nicht Verlierer einer regionalen Schulentwicklung sein“, sagte er. Fahrzeiten über eine Stunde seien unzumutbar. Wie für allgemeinbildende Schulen gibt es künftig auch für berufliche Schulen regionale Schulentwicklung. Wenn sich in drei aufeinanderfolgenden Jahren weniger als 16 Schuler für einen Ausbildungsgang anmelden, kann dieser geschlossen werden. Auszubildende müssten dann eine möglicherweise eine weiter entfernt liegende Berufsschule besuchen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Berufsschüler gesunken, vor allem im Bereich Nahrung. Kleinklassen gebe es beispielsweise bei Metzgern oder Fleischverkäufern, so Huber.

Würden die Auszubildenden überregional unterrichtet, müsse die Landesregierung die Unterbringung in Wohnheimen besser finanziell unterstützen, forderte Karl Schäuble, Vizepräsident der Arbeitgeberverbände. „Eine berufliche Ausbildung darf nicht an den Unterbringungskosten scheitern.“ Derzeit trage das Land nur ein Sechstel der Kosten.

Auch die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart verlangt ausbildungs- und wohnortnahen Schulen für Auszubildende. „Die Entfernungskilometer sind für Betriebe und Azubis ein Thema. Wenn die Berufsschule schwierig zu erreichen ist, überlegt sich so mancher Betrieb und Auszubildender, ob er die richtige Wahl getroffen hat“, erklärte Hauptgeschäftsführer Andreas Richter.

Kultusministerium weist Kritik zurück

Huber warnte auch davor, Flüchtlinge in Sporthallen von beruflichen Schulen unterzubringen. Schüler an beruflichen Gymnasien und Berufsfachschulen müssten Sport belegen und alle Prüfungen ablegen können.

Das Kultusministerium wies die Kritik des Verbandes zurück. „Durch mehrere Rekordeinstellungsrunden haben wir den Fehlstundenanteil, der zu Zeiten der Vorgängerregierung noch bei landesweit 4,4 Prozent lag, nahezu halbiert“, erklärt Kultusminister Andreas Stoch (SPD). „Wir sind überzeugt, dass wir mit den Instrumenten der regionalen Schulentwicklung auch im beruflichen Bereich langfristig leistungsfähige Standorte sichern und dadurch auch künftig möglichst viele Ausbildungsgänge in erreichbarer Nähe für die jungem Menschen anbieten können“, sagte er. Zum kommenden Schuljahr stelle das Land den beruflichen Schulen 300 zusätzliche Stellen zur Verfügung, damit junge Flüchtlinge in Vorbereitungsklassen Deutsch lernen und auf eine Berufsausbildung vorbereitet werden können. Bei Bedarf würden weitere Lehrerstellen geschaffen.