In Stuttgart sind besonders viele Mieter im Nordbahnhofviertel betroffen. Foto: Peter Petsch

Der Verkauf der 21 500 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an die Augsburger Patrizia AG erhitzt auch nach gut eineinhalb Jahren noch die Gemüter. Die CDU sieht es jetzt als bewiesen an, dass ein besserer Mieterschutz möglich gewesen wäre.

Stuttgart - Es sind nur wenige Zeilen, die CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk und den Stuttgarter Abgeordneten Reinhard Löffler dazu bringen, schwere Geschütze gegen die Landesregierung aufzufahren. Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz präsentieren sie am Dienstag die schriftliche Antwort von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia auf eine Anfrage. Darin wollte die Union wissen, welche Auflagen es seitens der EU-Kommission beim Verkauf der 21 500 LBBW-Wohnungen gegeben habe. Die Antwort wertet die CDU als Beweis, dass Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) gelogen habe.

Schmid als Aufsichtsratsmitglied der LBBW war bei dem Milliardendeal in die Kritik geraten, weil nicht ein Konsortium unter Beteiligung der Stadt Stuttgart den Zuschlag erhalten hatte. Dieses hatte den Mietern umfangreiche Sicherheiten geboten. Stattdessen kaufte die Augsburger Patrizia AG für 1,4 Milliarden Euro die Wohnungen, von denen 3800 in Stuttgart liegen. In einer umstrittenen Sozialcharta wurde der Mieterschutz geregelt. Ihre Wirksamkeit wird bis heute angezweifelt. Begründet hatte Schmid das Vorgehen stets mit Auflagen der EU-Kommission. So sagte er in einem Hörfunkinterview, es sei nicht möglich gewesen, einen weitergehenden Mieterschutz zu vereinbaren. Es handle sich um EU-Recht, und deswegen sei „leider nicht mehr drin“ gewesen.

Die CDU sieht das vollkommen anders und reitet damit nach einem ähnlichen Vorstoß im August erneut eine Attacke gegen Schmid. „Die Antwort der EU zeigt klar auf, dass Schmid nicht die Wahrheit gesagt hat“, so Hauk. Aus seiner Sicht sei ein besserer Mieterschutz problemlos möglich gewesen: „Seitens der EU-Kommission gab es keine Vorgaben.“ Zudem sei der Landtag umgangen worden. Die Landesregierung müsse jetzt ein Konzept vorlegen, um die Mieter besser zu schützen.

„Es ist schön, dass auch für die CDU was dabei ist“

In Almunias Antwortschreiben heißt es, die Kommission sei über die Gesamtentwicklung des Verkaufsprozesses informiert gewesen, „hatte jedoch keine Bedingungen gestellt“. Das gelte auch für Vorgaben zum Schutz der Mieter. Allerdings lässt sich manches in der Antwort unterschiedlich interpretieren. Es heißt darin etwa, dass neben dem Preis auch andere Kriterien berücksichtigt werden konnten. Bei aus „wirtschaftlicher und juristischer Sicht weitgehend identischen Angeboten“ habe aber der Preis das ausschlaggebende Kriterium sein müssen. Die Patrizia hatte mehr geboten als das Konsortium mit der Stadt Stuttgart, dessen umfangreicher Mieterschutz blieb bei der Entscheidung unberücksichtigt.

Im Finanzministerium reagiert man ungehalten auf die neuerlichen Vorwürfe. „Wir weisen sie entschieden zurück“, sagt ein Sprecher Schmids. Die Kritik der CDU werde auch im zweiten Aufguss nicht treffender. Der Landtag sei keinesfalls umgangen worden: „Er hatte formal überhaupt keinen Ansatzpunkt. Für den Verkauf ist die LBBW zuständig gewesen.“ Aus der Antwort der EU-Kommission könne man vieles herauslesen, „es ist schön, dass auch für die CDU was dabei ist“, sagt der Sprecher. Das ändere nichts daran, dass der Sachverhalt so gewesen sei, wie Minister Schmid ihn immer wieder geschildert habe.

Stadt Stuttgart reagiert zurückhaltend

Im Finanzministerium verweist man darauf, dass Hauk bis Juli 2011 selbst im Aufsichtsrat der Landesbank gesessen ist. „Viele Rahmenbedingungen für den Verkauf der Wohnungen sind schon in dieser Zeit abgesteckt worden. Da hätte Herr Hauk sich gerne einbringen dürfen“, sagt Schmids Sprecher. Hauk keilt zurück und stellt Schmids Eignung als Minister grundsätzlich infrage: „Er hat gegenüber der Öffentlichkeit ein weiteres Mal die Unwahrheit gesagt. Dies ist für einen Minister ein untragbarer Zustand. Entweder ist er mit der Doppelrolle als Minister für Finanzen und Wirtschaft komplett überfordert, oder er nimmt es mit der Wahrheit nicht genau.“

Bei der Stadt Stuttgart als Teil des unterlegenen Bieterkonsortiums übt man sich in Zurückhaltung. Man wolle die Vorwürfe der CDU nicht kommentieren, sagt ein Sprecher. Auftauchen werden sie bald erneut. Hauk kündigt an, den Vorgang auch parlamentarisch aufarbeiten zu wollen: „Wir fordern die Landesregierung dazu auf, endlich klarzustellen, warum der Verkauf der Wohnungen auf diese Weise vollzogen worden ist.“