USA-typische Cowboyhüte in Schwarz-Rot-Gold, dazu aufsteckbare Hasenohren – wer zur WM nach Katar fliegen will, sollte das lieber nicht mitnehmen. Die Toleranz der Scheichs dort ist begrenzt. In Hechingen darf man so was natürlich gefahrlos tragen. Aber bislang will das kaum jemand. Foto: Stopper

Katerstimmung statt Katar-Stimmung. Zumindest in Hechingen ist die Nachfrage nach WM-Fanartikeln mau. Dabei wären auch schwarz-rot-goldene Hasenohren im Angebot.

Hechingen - Kein Vergleich zu alten Zeiten. Unvergessen das deutsche Sommermärchen 2016, wo an jedem zweiten Auto Deutschlandfähnchen flatterten, T-shirts, Hüte, Fahnen an Hauswänden – ein Meer aus Schwarz-Rot-Gold. Konditoreien boten Naschkram in Fußballform an.

Aber auch Brasilien davor und Russland danach als WM-Austragungsorte erweckten nationalmannschaftliche Glücksgefühle selbst in solchen Deutschen, die mit Fußball sonst wenig am Hut haben. Viele schmückten sich mit Fanartikeln. Und nun Katar. "Zwei Fähnchen habe ich bisher verkauft", sagt Vera von der Goltz.

Vera von der Goltz: „Zwei Fähnchen habe ich bisher verkauft“

Die neue Fanartikel-Nüchternheit hat mehrere Gründe. Gut: Sie hat die Fanartikel irgendwo hinten in eine Ecke gequetscht, "weil ich den Platz für Weihnachtssachen brauche", erzählt sie. Und es reicht ein Stuhl, um all das zu drapieren. Wobei die Fanartikel auch Fragen offen lassen. Neben den üblichen Fahnen gibt es Cowboyhüte in Nationalfarben und Hasenohren zum aufstecken – was hat denn das mit Katar zu tun? Dabei würde sich eine Scheich-Kopfbedeckung doch auch gut eignen.

Tankstelle mit Fußbällen in Christbaumkugel-Größe

Gleiches Bild in den Hechinger Tankstellen. Agip in der Hofgartenstraße verzichtet ganz auf WM-Schnickschnack, Aral an der Ausfahrt Mitte hat lediglich Fußball-Sammelheftchen, nur Schell hat zumindest eine Mini-Fanartikelecke. Sogar mit kleinen Plastikbällen, die man auch als Christbaumkugeln verwenden könnte. Die Nachfrage halte sich noch in Grenzen, so der Mann an der Kasse.

Schwarz-rot-goldene Schmink-Sets für Kinder kommen an

Auch bei Spielwaren-Strobel fragt man besser die Verkäuferinnen, wo die Fanartikel-Ecke ist. Ganz hinten. Nur das Schmink-Set mit schwarz-rot-goldenen Farben steht direkt an der Kasse. "Kinder mögen das", erzählt Sylvia Strobel. Bei erwachsenen Kunden spürt sie allgemein ebenso wie Vera von der Goltz gewisse Vorbehalte gegen den Austragungsort. Und gegen die adventliche Stimmung, die frühe Dämmerung und das Schmuddelwetter kommt einfach keine WM-Stimmung an.

Kein Public-Viewing in Hechingen geplant

Und so ist es folgerichtig, dass zumindest in Hechingen bislang noch keine Public-Viewing-Events geplant sind. Weder in der Domäne noch im Citypark. Und der städtische Pressesprecher Thomas Jauch wüsste auch sonst nichts von geplantem Fußball-Rudelschauen.

Auch Fußballfans in gedämpfter Stimmung

Und die Fußballer? Marcel Perreau, Vorsitzender des TSV Stetten-Hechingen, stellt angesichts der menschenrechtlichen Grundhaltung in Katar und den verheerenden Arbeitsbedingungen beim Stadionbau dort schon eine gedämpfte Begeisterung für dieses Turnier fest. Klar, zumindest die Spiele mit deutscher Beteiligung anschauen, das sei für viele wichtig. Aber WM-Stimmung bedeute sonst eben auch, auch die Spiele anderer Teams anzuschauen. "Gerade eben habe ich nicht das Gefühl, dass die Stimmung dazu da ist", meint er.

Für die Polizei ist es WM „wie alle anderen“

Als eine WM "wie alle anderen" stuft dagegen Lutz Jaschke, Pressesprecher des für Hechingen zuständigen Polizeipräsidiums in Reutlingen, das Turnier in Katar ein. Er bezieht das weder auf das Austragungsland noch auf die Austragungszeit sondern ausschließlich auf polizeiliche Aspekte und Sicherheitsfragen. Beispielsweise bei einem italienischen Sieg könnte durchaus mit motorisiertem Siegestaumel gerechnet werden. Ausschließen kann man das nicht. Und dass da die Straßenverkehrsordnung nicht allzu sehr strapaziert wird, darauf will die Polizei dann ein Auge haben. So wie immer halt.