So voll wünschten sich Julia Brockmann und Kai Hohenfeld, die Chefs der Albstädter Museen, ihre Häuser wohl immer wie in der langen Nacht der Museen, die dank eines originellen Programms und gut gelaunter Akteure zum echten Großereignis geworden ist.
An Martin Sauter ist ein Geschichtenerzähler verloren gegangen. Im Philipp-Matthäus-Hahn-Museum teilen er und Fritz Brenner sich die zahlreichen Zuhörer und führen sie, mit Taschenlampen gewappnet, durch das spärlich beleuchtete Schatzkästlein, um den Spot auf die Exponate zu richten.
Den Besuchern macht das ebenso viel Spaß wie den beiden, zumal unterm Dachboden ein Gespenst sein Unwesen treibt: ein liebes Gespenst, das Säcke wackeln und haarige Spinnen von der Leine lässt. Da schlägt das Herz ein bisschen schneller, und eine besondere Waage – eigentlich stehen dort nur besondere – macht das sichtbar: „Sie ist so genau, dass sie den Herzschlag anzeigt“, verrät Sauter, während der Zeiger wackelt.
Der neue Vorsitzende des Fördervereins Philipp-Matthäus-Hahn-Museum, Leonhard Sassmannshausen, nimmt sich trotz später Stunde und für nurmehr eine Hand voller Besucher noch die Zeit, die wohl bedeutendste Sammlung von Waagen und Gewichten weltweit zu präsentieren: „Im Haus der 1000 Waagen“ stehen sie dicht an dicht, und so erging es am frühen Abend auch den Besuchern.
Das einzige Dorf der Welt mit eigenem Eichamt
Im Zeichensaal der 1903 erbauten Riedschule seien die jungen Onstmettinger fit gemacht worden für die Mechanikerlehre, erklärt Sassmannshausen, 1903 habe sich dort ein Lehrer erhängt, und rund um das Haus hätten zwölf Waagenbaufirmen produziert – so viele, dass Onstmettingen „als einziges Dorf der Welt 70 Jahre lang sein eigenes Eichamt hatte“.
Romantisch geht es zeitgleich im Stauffenbergschloss Lautlingen zu – nicht bei den Führungen von Tim Delle, der – erfreulich: auch Jugendlichen – die Familie des gescheiterten Hitler-Attentäters nahe bringt, sondern im Saal: Dort spielt Wolfgang Fischer so wunderschön auf dem Flügel, umgeben von Kerzen und orange-rot angestrahlten Wänden, dass Kulturamtsleiter Martin Roscher und seine Frau Petra sich hinter die anderen Zuhörer gesetzt haben, um unbeobachtet ein bisschen kuscheln zu können.
Im Kunstmuseum Albstadt ist zum Kuscheln kein Platz – für Romantik indes schon: In rosa Tutus tanzen die Elevinnen der Ballettschule Armin Weiß zum Klavierspiel von Aksana Stechyshyn im Landenberger-Saal, dem die Sitzplätze ausgehen, und in den Ausstellungen „Volker Lehnert – Land schaffen“, „Kunstschätze – Die Sammlungen“ und „Otto Dix – Alpha Omega“. Vor allem diese wollen alle sehen – schließlich beamt Dix das Kunstmuseum Albstadt in die Champions-League der weltweiten Sammlungen. Kein Wunder, dass Museumsdirektor Kai Hohenfeld und seine Stellvertreterin Melanie Löckel strahlen wie die Glühwürmchen.
„Get together“ – bei einem solchen Andrang ist nichts Anderes möglich
Rund um Anett Frey und ihre Kaltnadel, mit der sie im Forum kräftig radiert und dann druckt, herrscht mehr als ein „Get together“ am Buffet, und auch Stechyshyns Konzert mit Opernsängerin Bahdana Schibarew hält die Besucher fest und lockt weitere an.
Dabei hat das Museum im Kräuterkasten ebenfalls Besonderes zu bieten: Jürgen Scheff führt „Im Festgewand ins Totenland“, erklärt die Bestattungsformen von der Bronze- und Steinzeit bis zu den Kelten, öffnet Glasvitrinen und lässt die Gäste Geschichte selbst fühlen.
Warum es in Ebingen früher viel öfter gebrannt hat
Erlebbar wird sie zudem im Ebinger Heimatmuseum mit Gerd Lichtenberg, der die alte Bauweise mit hölzernem Fachwerk und offenen Feuerstellen in den Fokus rückt, die zwangsläufig zu katastrophalen Stadtbränden führten.
Erst im Jahr 1852 sei eine Freiwillige Feuerwehr gegründet worden, verrät er, die mit technischen Mitteln eine bessere Chance gegen die Feuersbrunst hatte.
Das Maschenmuseum wartet mit einer besonderen Show im Herzen Tailfingens auf. Für ihre Live-Performance haben sich „Die Hunde“ ein spannendes intermediales Kunstarrangement ausgedacht.
Der Vater des Donautal-Künstlers Jeremias Heppeler, Christof Heppeler, hatte Julia Brockmann, Leiterin der Kulturmuseen Albstadt, während ihres Volontariats im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck kennengelernt, und sie war von dieser experimentellen zeitgenössischen Kunst so angetan, dass sie die beiden engagierte: Mit ihrer Aktionskunst unter dem Motto „Wer den Faden verliert, verliert die Orientierung“ sorgen sie für grenzenloses Staunen. Im Foyer sind ganz verschiedene Bereiche wild verknüpft: abgefahrene Texte mit Bezug zu Maschen und Fäden, imaginäre Spinnennetze, die Musik erzeugen und einen Sound, der durch Mark und Bein geht. Dazu tackert Jeremias Heppeler mit einer Art Pistole ein Bild durch die Leinwand, das am Ende an geknüpfte Teppiche erinnert.
Zwei Stockwerke darüber zaubern das Ebinger Kammerorchester und Schützlinge des Vereins Spitzenklänge klassische Musik, und auch die Hochschule Albstadt-Sigmaringen beteiligt sich, lässt Besucher Stofftaschen bedrucken, während Künstlerin Brigitte Ammann sich bei der Entstehung ihrer Kunstwerke über die Schulter schauen lässt.
Im KulTurm wird auch zu später Stunde die Nacht zum Tag
Wer nach der langen Tour noch Puste hat, findet im KulTurm ein fröhlich feierndes Party-Volk vor, das zu Live-Musik in der „pop-up posthum exhibition: Bernd Zimmermann“ tanzt – und allen Grund hat zur Lebensfreude: Wie viel Albstadt zu bieten hat, hat die erste „Lange Nacht der Museen“ für nur ein Ticket knüppeldick gezeigt. Dieses Ereignis darf gerne zum Dauerbrenner werden.