Ein Traktor fährt über ein Feld Foto: dpa

Trotz aller Proteste verteidigt Minister Schmid seine kritische Haltung zur Landwirtschaft.

Stuttgart - Die Reaktionen glichen einem Sturm mitten im Sommer. Kaum hatte Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) Anfang der Woche laut über die Zukunft des Ländlichen Raums nachgedacht und den Satz „Bildung und Betreuung sind wichtiger als die Frage, ob es einen Bauern mehr oder weniger gibt“ ausgesprochen, hagelte es Kritik aus allen Richtungen. Nicht nur CDU und FDP zeigten sich entsetzt, selbst der koalitionsfreundliche Naturschutzbund und Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) distanzierten sich. „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, Bildung gegen Landwirtschaft auszuspielen“, zog der Regierungschef die Reißleine.

Doch Schmid bleibt bei seiner Linie. Die Landesregierung sei sich einig, sagte er am Mittwoch unserer Zeitung, „dass das Thema Ländlicher Raum weit über die Landwirtschaft hinausreicht und zu einem Infrastrukturthema geworden ist“. Deshalb werde Grün-Rot in den nächsten Jahren „auch alles dafür tun“, diese Regionen weiter zu stärken – durch eine „gute Bildungsstruktur, eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und verlässliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, weil das Land gerade auch in der Fläche stark ist und dort die Arbeitslosenzahlen niedriger sind als in vielen Ballungsräumen“.

Schmid: „Ich habe nichts gegen die Landwirtschaft“

Schmid betonte aber auch, „angesichts knapper Kassen“ müsse er als Finanzminister Prioritäten setzen. „Man verlangt von mir, dass ich den Landeshaushalt saniere, da darf kein Bereich außen vor bleiben.“ Er habe „nichts gegen die Landwirtschaft“, ähnlich wie beim geplanten Abbau der Lehrerstellen könne es „um die Landwirtschaft und die Agrarsubventionen aber keinen Schutzzaun geben“. Es sei „unbestritten, dass die Landwirtschaft nicht mehr die Bedeutung hat wie vor zehn oder 20 Jahren, und manches Tal im Schwarzwald menschenleerer wird, weil es dort keinen landwirtschaftlichen Betrieb mehr gibt, der die Flächen beackert“. Allein die Anzahl der Betriebe mit Rinderhaltung sei von 1979 bis 2007 um 73,7 Prozent zurückgegangen, die Schweinehaltung habe um 85 Prozent abgenommen und die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sei von 130 600 auf fast 53 000 abgestürzt. Der Minister kündigte deshalb an, die grün-rote Haushaltsstrukturkommission, die nach dauerhaften Sparwegen sucht, werde sich alsbald mit dem Thema Agrarsubventionen befassen. Derzeit schüttet das Land jährlich rund 156 Millionen an die Landwirte aus, damit verbunden sind weitere 130 Millionen Euro von der EU und dem Bund.

Protest geht weiter

Der Protest freilich geht weiter. Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags, warf Grün-Rot am Mittwoch vor, alle Beteuerungen des Koalitionsvertrags, den Ländlichen Raum stärken zu wollen, seien „nun als reine Lippenbekenntnisse ohne Fundament zu werten“. Den ländlichen Kommunen drohe „das Abstellgleis“, so Kehle, obwohl es „im Schwarzwald und in anderen Regionen des Landes knallhart um Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft geht“. Die Äußerungen von Schmid seien „unverantwortlich“. Auch die CDU legte am Mittwoch nach. Landeschef Thomas Strobl forderte Schmid auf, sich für die „ungeheuerlichen Äußerungen“ zu entschuldigen: „Wenn der stellvertretende Ministerpräsident meint, es sei egal, ob im Schwarzwald mal ein Tal zuwachse, und ihn auch die Frage, ob es einen Bauern mehr oder weniger gibt, nicht interessiert, zeigt sich, dass diese Landesregierung den Ländlichen Raum abgeschrieben hat.“