In diesem Jahr haben die meisten Landwirte schon in den ersten August-Wochen die Ernte abgeschlossen. Das ist ungewöhnlich, im Vorjahr begann die Ernte erst Mitte August. Der Klimawandel lässt den Erntetermin immer weiter nach vorne rücken.
Donaueschingen/Hüfingen/Bräunlingen - Uwe Münzer vom Talackerhof in Neudingen ist Vorstandsmitglied im Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband, kurz BLHV. Er sieht die Entwicklung hin zu einem früheren Erntetermin ebenfalls. Jedoch müsse man sich an die Gegebenheiten des Klimawandels anpassen, so Münzer. Oft werde die Tatsache nicht erkannt, dass die Landwirtschaft wohl am stärksten vom Klimawandel betroffen sei. Und somit, wenn auch zeitversetzt, der Verbraucher.
"Egal ob wir Futter für die Tierproduktion, zur Strom- und Wärmeerzeugung in Biogasanlagen oder Marktfrüchte anbauen, die Erträge hängen sehr stark von den Niederschlagsmengen in der Vegetationsperiode ab", sagt Münzer. Im Großen und Ganzen seien die Erträge bei den Ackerkulturen in diesem Jahr zufriedenstellend. "Sowohl Ertrag als auch Qualität haben gepasst. Anders sieht es beim Grünland aus", erklärt er. Hier gebe es aufgrund des fehlenden Niederschlags und der Hitze in den Sommermonaten erhebliche Einbußen, sowohl beim Ertrag als auch bei der Qualität.
Verlängerte Vegetationsperiode
Sein Kollege Lothar Seiffert vom Wiesenackerhof in Sumpfohren berichtet von einer verlängerten Vegetationsperiode auf der Baar durch den Klimawandel. Die frühe Erntezeit durch die Hitzeperiode und den trockenen Sommer habe zu einer durchgängigen Abreife des Getreides geführt, mit einer guten Qualität und einer relativ einfachen Arbeitswirtschaft. "Durch die lange Trockenzeit gab es ein entspanntes Arbeiten", so Lothar Seiffert. Allerdings hätten Gewitter mit Starkregen auch zu lokal ganz unterschiedlichen Ernten geführt, vor allem beim Mais. Während Seiffert manche seiner Felder schon abernten konnte, dauert es bei anderen noch fünf bis sechs Wochen. Nach der Getreideernte wird die Zwischenzeit für die Bodenverbesserung genutzt und Senf, Buchweizen und Ölrettich angesät. Dies bindet den Kohlenstoff, gerade für die Winterzeit, in den Böden, wie Lothar Seiffert informiert.
BLHV-Präsident sieht auch Positives
Bernhard Bolkart, BLHV-Präsident, sieht im frühen Erntetermin schon gewisse Vorteile. Sicherlich können die Landwirte die längere Tageszeit besser nutzen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Witterung entsprechend gut ist. Dieses Jahr konnte sehr früh abgeerntet werden, unterstreicht Bernhard Bolkart, der bei seinem Bruder in Donaueschingen tatkräftig mithilft. Im vergangenen Jahr sei dies nicht der Fall gewesen. In seiner Jugend hätte man mit dem Abernten der Wintergerste, es ist das erste Korn, das auf der Baar geerntet wird, meist erst Mitte August, Anfang September begonnen. Da hätte sich die Ernte bei schlechter Witterung schon mal bis in den Oktober hineingezogen.
Im Oktober sind allerdings die Nächte frisch und auch der Nebel gehöre zu dieser Jahreszeit. Somit hätten die Baaremer Landwirte sehr viel Geld für das notwendige Trocknen des Getreides aufbringen müssen.
Mehr Ertrag beim Mais
Das sei heuer auf der Baar nicht mehr der Fall. Das frühe Abernten sei auch für den Mais von Vorteil, so Bernhard Bolkart. Dieser werde schon seit den 1980er-Jahren auf der Baar vor allem als Futter und auch für die Biogasanlagen angebaut. Durch die längere Vegetation könne man hier auch den Ertrag steigern. Allerdings seien diese Veränderungen auf der Baar nicht so gravierend wie etwa in der Rheinebene, wo man nun Soja anbauen könne. "Auf der Baar sind es vor allem Raps und Mais, welche in der klassischen Fruchtfolge angebaut werden."
Ralf Brodscholl vom Landwirtschaftsamt sieht gleich zwei große Vorteile in der frühen Ernte. Zum einen bleibe genug Zeit für die Zwischenfrüchte, zum anderen gebe es genügend Zeit für die mechanische Unkrautbekämpfung, was zu weniger Pflanzenschutzmitteln führe. Die heißen Temperaturen sorgten für eine trockenere Ernte, weniger Pilzkrankheiten und keine Fusarium-Belastung.
Weizen leidet unter Wassermangel
Natürlich gebe es auch Nachteile, die sich im Ertrag und in der Qualität auswirken könnten. Jedes Jahr sei als gesondert anzusehen. In diesem Jahr habe vor allem die Wintergerste profitiert, während der Weizen unter dem Wassermangel teilweise gelitten habe. "Es hat sich gezeigt, dass in trockenen und heißen Jahren der Roggen oft bessere Erträge bringt als der Weizen, weil dieser durch sein besseres Wurzelwerk tiefer liegende Wasser-Reserven besser erreichen kann."
Info: Zur Bodenfeuchte
Nach einem nassen Winter seien die Startbedingungen in die Vegetationsperiode 2022 von der Bodenfeuchte her gut gewesen, schreibt der Deutsche Wetterdienst auf seiner Internetseite. Der ungewöhnlich sonnige und niederschlagsarme März habe für eine deutlich unter das Mittel sinkende Bodenfeuchte gesorgt. Im trockenen, teils schon sommerlich warmen Mai habe eine tieferreichende Austrocknung der Böden begonnen, die sich bis jetzt fortsetze. Besonders stark seien die Böden im Osten Deutschlands und in den Beckenlagen des Südwestens ausgetrocknet.