„Wohlstand durch Wachstum und Freihandel – aber was bleibt für die Bauern außer Bürokratie?“ Um dieses Thema ging es im Brigachhaus.
Das Forum Pro Schwarzwaldbauern hatte zu seinem Aschermittwochsgespräch den Schweizer Ökonom Mathias Binswanger als Referenten geladen. Wer allerdings von ihm den umfassenden Lösungsansatz – gewissermaßen „aus einem Guss“ – für all die Probleme der Landwirtschaft erwartete, wurde enttäuscht.
Binswanger setzte sich damit auseinander, warum Volkswirtschaften scheinbar immer weiter wachsen müssen, selbst wenn Bedürfnisse gedeckt sind. Er stellte die Frage nach einen Ausweg aus dem Wachstumszwang und der damit einhergehenden „Tretmühle“. Zudem zeigte er einzelne Handlungsalternativen auf.
Zunächst beschäftigte sich der Referent mit dem Begriff des (Wirtschafts-)Wachstums. Entscheidender Fixpunkt sei hier die Industrielle Revolution gewesen. Ab da habe es infolge massiver Kapitalisierung eine Marktwirtschaft mit – scheinbar gesetzmäßigem – ständigem Wachstum gegeben, trotz baldiger zunehmender Sättigung der Bedürfnisse.
Binswanger zeigte auf, dass sich die Schere zwischen Glück und Einkommen immer weiter auseinanderentwickelt – trotz wachsenden Freihandels. Der Index des Bruttoinlandsprodukts sage nichts über die Lebensqualität aus, argumentierte er. Das kapitalistische Wirtschaften bedinge zwingend Gewinn, Fortschritt, Investitionen, Konkurrenz. Stillstand werde „vom Markt“ bestraft.
Maxime: „Wachsen oder weichen“
Die Maxime – gerade auch für die Agrar- oder Landwirtschaft – heiße: „Wachsen oder weichen“. Die Gesellschaft habe bestimmte Ansprüche an die Landwirtschaft, so etwa die Produktion von hochwertigen aber preisgünstigen Lebensmitteln, Beachtung von Umwelt-, Klima- und Tierschutzstandards sowie die Pflege der Kulturlandschaft.
Vergleiche man ihre Wertschöpfung mit anderen Wirtschaftsbereichen, werde aber deutlich, dass die Landwirtschaft vom Ertrag allein nicht existieren könne. Es brauche beispielsweise Handelsabkommen, Subventionen und weitere Regulierungen, die politisch gewollt seien.
Bei der vorherrschenden Marktstruktur mit Produzent, Weiterverarbeitung, Handel und Transport sowie Konsument habe der Handel eine enorme Marktmacht. Nur wenige Prozent der Erzeugnisse würden direkt vermarktet. Die Erzeuger gerieten zunehmend in die „Tretmühle“, so Binswanger.
Profite machen vor allem die Händler
Für die Bauern gelte, bei sinkenden Erlösen immer mehr und effizienter produzieren zu müssen. Und trotzdem stiegen für den Konsumenten die Preise. Die Profite machten weitestgehend die Händler.
Binswanger stellte das Streben nach quantitativem Wirtschaftswachstum in Frage – vor allem aus klimapolitischen, gesellschaftlichen und sozialen Gründen. Es müsse ein qualitatives Wachstum angestrebt werden, Stichwort: mehr Qualität, weniger Masse. Binswanger forderte faire Preise für die Produzenten, mehr Marktmacht, mehr Differenzierung und mehr Direktvermarktung. Er nannte als konkrete Alternative und als Beispiel für Veränderung den Verein Faire Märkte Schweiz, in dem er sich engagiere.
Rege Debatte im Anschluss
In der anschließenden regen Aussprache sagte Martina Braun, grüne Landtagsabgeordnete und selbst Bäuerin, dass die Landesregierung mit dem „Strategiedialog Landwirtschaft“ ein Dialogformat zur Zukunft der Landwirtschaft und der biologischen Vielfalt durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen habe. Rund 50 Verbände, Unternehmen, Kirchen und Institutionen hätten sich hinter eine gemeinsame Erklärung gestellt.
In weiteren Wortmeldungen ging es vor allem um dringliche Reformen des Wirtschaftssystems, Gerechtigkeit, Klimawandel, sinnlose Verordnungen und um überbordende Bürokratie. Mehr Verlässlichkeit und Kontrolle beim Handel wurden ebenfalls eingefordert. Die in großen Teilen „nach Hektar“ ausgerichtete Agrarförderung der Europäischen Union sei der falsche Weg.