SPD-Chef Nils Schmid und Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann bei einer Anti-Atomkraft-Demo in Stuttgart. Foto: dapd

Eine Woche vor der Wahl wollen die Baden-Württemberger offenbar mehrheitlich einen Wechsel.

Stuttgart - Eine Woche vor der Landtagswahl wollen die Baden-Württemberger mehrheitlich einen Machtwechsel. Bei einer am Sonntag veröffentlichten Emnid-Umfrage lag Grün-Rot mit 47 Prozent um drei Punkte vor CDU und FDP. Allerdings rückt nun eine Besonderheit im Wahlrecht in den Fokus: Wenn es bei der Landtagswahl am 27. März sehr knapp zugeht, könnte die schwarz-gelbe Landesregierung ihre Mehrheit im Landtag verteidigen, selbst wenn sie weniger Wählerstimmen bekommt als die Opposition. Grund dafür sind die im Landeswahlrecht vorgesehenen Überhangmandate.

Bei der Emnid-Umfrage für das Magazin „Focus“ kam die CDU auf 38 Prozent der Stimmen, die Grünen lagen mit 25 Prozent vor der SPD, die auf 22 Prozent kam. Die FDP erreichte 6 Prozent. Die Linke würde mit 4 Prozent nicht in den Landtag einziehen. TNS Emnid hatte in einer Blitzumfrage am 17. März nach der Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten Stefan Mappus (CDU) und Nils Schmid (SPD) 500 wahlberichtigte Baden-Württemberger befragt. Auch das ZDF-„Politbarometer“ hatte grün-rot am Freitag vorn gesehen.

Knackpunkt Überhangmandate

Ob die grün-rote Mehrheit letztlich für einen Machtwechsel in der Landespolitik reicht, ist aber unsicher, sagte der Freiburger Politikwissenschaftler Uwe Wagschal der Nachrichtenagentur dpa. Der Grund dafür sind Überhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei zwar viele Wahlkreise gewinnt, aber landesweit einen vergleichsweise geringen Stimmenanteil holt. In Baden-Württemberg gewinnt die CDU traditionell den Löwenanteil der 70 Wahlkreise. Bei der Landtagswahl 2006 hat das dazu geführt, dass die CDU zwar nur 44,2 Prozent der Stimmen holte, aber 49,6 Prozent der Landtags-Abgeordneten stellte.

Bei der Landtagswahl am nächsten Sonntag könnte diese Regelung ganz entscheidende Auswirkungen haben. „Das könnte nun beispielsweise dazu führen, dass SPD und Grüne zusammen auf 47 Prozent kommen, aber Schwarz-Gelb mit 46,5 Prozent regiert“, erläuterte Wagschal. In Schleswig-Holstein hatte ein ähnliches Wahlergebnis dazu geführt, dass das Landesverfassungsgericht Neuwahlen anordnete.

Atompolitik dürfte entscheidend sein

Vor allem die Atom-Katastrophe in Japan und die plötzliche Richtungsänderung von Union und FDP in der Energiepolitik könne Grün-Rot nützen, sagte der Professor. „Wir leben zum Teil in einer Stimmungsdemokratie, und solche einschneidenden Ereignisse schlagen voll auf die politische Stimmung durch.“

Das Thema Energie dominierte am Wochenende auch den Wahlkampf. Die Grünen beschlossen, sich auf Bundesebene für einen Turboausstieg aus der Atomkraft bis 2017 einzusetzen. Der baden-württembergische Spitzenkandidat Winfried Kretschmann kündige an, als Ministerpräsident im Südwesten die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ein Sprecher des Umweltministeriums in Stuttgart warf den Grünen vor, völlig überzogene Erwartungen zu wecken. „Es gibt auch einen Tag nach den Wahlen, und dann werden auch die Grünen schneller von der Realität eingeholt als ihnen lieb sein wird“, sagte er.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach sich dafür aus, neben dem Atomkraftwerk Neckarwestheim I auch den Meiler Philippsburg I endgültig abgeschaltet zu lassen. „Es wird schwer werden zu vermitteln, Philippsburg I wieder ans Netz zu nehmen, weil er baugleich ist mit dem havarierten Reaktor in Fukushima“, sagte er.

Die Kirchen in Baden-Württemberg riefen die Gläubigen auf, zur Landtagswahl zu gehen. „Nutzen Sie die Chance, am 27. März 2011 die politische Richtung in Baden-Württemberg für die nächsten fünf Jahre mitzubestimmen“, appellierten die vier katholischen und evangelischen Bischöfe im Südwesten an die Gläubigen. In zahlreichen Gottesdiensten wurde der Wahlaufruf am Wochenende verlesen.

CDU-Generalsekretär Thomas Strobl rief seine Partei trotz der Umfragewerte zu einem entschlossenen Wahlkampf auf. „Die CDU galt schon im letzten Herbst als geschlagen und wir haben eine grandiose Aufholjagd geschafft. Das wird uns auch in dieser Situation gelingen“, sagte er am Sonntag.