Diskutierten im "Martinique" in Freudenstadt über die Situation der Gastronomie, von links: Beate Gaiser, Carsten Müller, Andreas Stoch, Oliver Widmann, Denis Özgul, Viviana Weschenmoser und Gerhard Gaiser. Foto: Lück

Andreas Stoch auf Wahlkampftour im Martinique. Mundschutz, Skepsis und Gegenwind.

Am 14. März ist Landtagswahl. Doch der Wahlkampf ist schwierig wie nie: Vor allem, wenn Spitzenkandidat Andreas Stoch (SPD) und Landkreis-Kandidatin Viviana Weschenmoser sich in die seit fast einem Jahr geschlossene Disco Martinique in Freudenstadt trauen.

 

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Kreis Freudenstadt - Denn: Hier trifft das SPD-Spitzenduo auf die geballte Skepsis der Gastronomie und Hotellerie und den Frust in der Eventbranche.

Dehoga-Kreisvorsitzende Beate Gaier (Hotel Adler, Freudenstadt) ist genauso da wie Carsten Müller mit seiner (Event-)Gastronomie Gleis Süd aus Horb. Dazu Freudenstadts City-Managerin Deniz Özkul.

Leben von Rücklagen

Oliver Widmann ist ohnehin geladen: Nicht nur, dass sein Martinique seit 13. März 2020 geschlossen ist. Seine Gastro im Panoramabad durfte auch nur knapp vier Wochen im Oktober öffnen.

Widmann: "Ich hatte keinen Super-Sommer. Von der Mehrwertsteuersenkung konnte ich auch nicht profitieren. Ich stehe hier für die ganze Event-Branche. Nicht nur Diskotheken, auch Künstler, Caterer, Licht und Ton brauchen endlich eine Perspektive! Eine Förderung, die nicht nur einen Teil der Fixkosten deckt. Ich wollte jetzt für eine erhebliche Summe das Martinique renovieren. Doch jetzt brauche ich diese Rücklagen, um überhaupt die Löcher zu stopfen!"

Umsatzeinbrüche

Carsten Müller, Gleis Süd: "Normalerweise hätte ich im Oktober die Event-Saison mit den Konzerten gestartet. Doch durch die Corona-Maßnahmen ging das nicht – und im Lokal hatten wir im Vergleich zum Vorjahres-Monat 40 Prozent Umsatzeinbußen! Wenn man den Künstlern dann absagen muss, tut einem das in der Seele weh. Auch wenn man hört, wie auch die um ihre Existenz bangen."

Beate Gaiser, Dehoga-Kreis-vorsitzende berichtet: "Gerade müssen alle unsere Beschäftigten, die in Kurzarbeit sind, ihren Lohnsteuerjahresausgleich machen. Das ist Pflicht. Viele müssen Steuern nachzahlen."

Widmann fügt hinzu: "Inzwischen sind viele unserer Aushilfen in der Diskothek in andere Berufe gewechselt. Ins Krankenhaus, in den Handel! Ob ich die noch einmal wiederbekomme, weiß ich nicht."

Gaiser ergänzt: "Hotelkollegen mit Wellness-Bereichen haben jetzt das Wasser abgelassen, um Kosten zu sparen. Um das alles wieder hochzufahren, braucht es einen relativ langen Vorlauf. Deshalb ist es wichtig, dass es endlich Öffnungskonzepte gibt, damit die Branchen der Hotellerie, Gastronomie und der Events rechtzeitig darauf einstellen können!"

Wumms. Jede Menge Frust und Forderungen. Andreas Stoch – auch Landesvorsitzender der SPD: "Die Landesregierung unter Winfried Kretschmann hat bei den Corona-Maßnahmen getrennt: Was ist wichtig, was ist unwichtig. Ich habe immer darauf bestanden, darauf zu achten, welche Maßnahmen wirksam sind. Als Kretschmann entschieden hat: Die Gastro wird beschränkt, hat mich das geärgert!"

Beim Stufen-Plan ist der SPD-Spitzenkandidat dabei: "Ich denke, einmal muss es verschiedene Stufen mit Öffnungsperspektiven geben. Bei den Förderungen muss man differenzieren!"

Förderung für alle?

Stoch will vor allem die Unternehmen in der Gastro und Event-Branche unterstützen, die schon "solide Konzepte über Jahre haben."

Gaiser hält entgegen: "Gerade in unserer Branche muss viel ausprobiert werden. Aus unserer Sicht muss man sehen: Wer zu dem Zeitpunkt, an dem die Corona-Maßnahmen gestartet wurden, aktiv war, dem wurden die Geschäftsgrundlagen entzogen."

Dann bringt der SPD-Spitzenkandidat die schwarzen Schafe ins Gespräch. Die während der Öffnung die Freiheiten genutzt haben, um discoähnliche Partys zu veranstalten. Widmann: "Solche schwarzen Schafe sind die Ausnahme." Carsten Müller: "Wir Wirte in Horb haben uns öfter getroffen. Wir waren alle der Meinung – wir müssen uns an die Vorgaben halten. Auch für die Kollegen, damit auch die eine Öffnungsperspektive haben."

Öffnungsdebatte

Das Stichwort für Stoch. Der SPD-Spitzenkandidat: "Wenn wir jetzt in eine Öffnungsdebatte kommen, die ich sehr begrüße, müssen sich alle am Riemen reißen. Ich werde mich für eine Öffnungsstrategie einsetzen. Die Grundlage: Welche Öffnungsschritte sind die am wenigsten gefährlichen? Auch der vermehrte Einsatz von Tests und Schnelltest gehört dazu, damit man die Tendenzen präziser erfassen kann. Meine Hoffnung ist – wenn man die Impfung beschleunigt, dass es für die breite Masse vielleicht Mitte des Jahres wieder Normalität geben kann. In diesem Falle könnte es ab der zweiten Jahreshälfte eine Perspektive auch für Discos und Events geben."

Und ergänzt: "Mir ist es wichtig, falls man dann doch Events absagen muss, dass dann sofort passgenaue Entschädigungsprogramme parat stehen und ausgezahlt werden!"

Wirte kritisieren SPD

Dann noch ein schnelles Gespräch an der Bar. Stoch sagt: "Steuersenkungen sind nicht das Allheilmittel. Es darf auch nicht zur Absenkung des Arbeitsschutzes kommen. Dennoch muss es ein passgenaues Unterstützungskonzept für Gastronomie, Hotellerie und die Eventbranche geben. Denn wenn diese Bereiche sterben, verarmt unser Land!"

Mit dem Arbeitsschutz-Argument trifft Stoch einen wunden Punkt. Aus den Reihen der Gastronomen heißt es: "Die SPD stellt uns gern als die Sünder dar, die es mit dem Arbeitsschutz nicht so genau halten!"

Dazu passt der Appell von Carsten Müller: "Was bei der ganzen Diskussion völlig außer Acht gelassen wird: Essen und trinken sind natürlich wichtig, aber der Mensch braucht auch die Gemeinsamkeit. Im Gefängnis ist Einzelhaft eine verschärfte Strafmaßnahme. Die Situation jetzt mit der kompletten Schließung der Gastronomie kann man so nicht mehr weiterführen. Die Leute treffen sich dann heimlich!"

Weschenmoser wird aktiv

Und wie reagiert Viviana Weschenmoser, SPD-Spitzenkandidatin für den Landkreis Freudenstadt auf die emotionale Diskussion in der leeren Disco?

Die Horberin meint: "Anpacken statt rumlabern. Ich werde jetzt Akteure aus dem ganzen Kreis aus Gastro, Stadtmarketing, Künstler und dem Eventbereich zusammen an einen Tisch holen. Da will ich auch Stefan Lazar (FDP-Kreischef, selbstständiger Bühnentechniker) dabei haben – den kenne ich noch vom Mini-Rock. Das Ziel muss sein, Punkte für ein passgenaues Förder- und Unterstützungsprogramm sowohl auf lokaler als auch auf Kreisebene zu entwickeln. Und dieses Programm will ich auch auf Landesebene einbringen!"

Zumindest mit dieser regionalen Vernetzung ist die SPD-Landtagskandidatin, wie es scheint, genau auf Linie der Gastronomen. Oliver Widmann lobt die Kommunalpolitik allgemein: "Hier im kommunalen – egal ob Gemeinderäte, Kreisräte, Landkreis oder die OBs – da versteht man uns. Toll, wie sich alle für unsere Branche einsetzen! Je weiter weg die Politiker sind, desto mehr nimmt die Unterstützung ab!"

Und was ist das Fazit der Gastronomen und Veranstalter? "Uns ist wichtig, Gehör für die Besonderheiten unserer Branchen zu finden. Im Moment bleibt uns nur, immer wieder den Finger zu heben!"