Die Mitglieder der CDU in Schleswig-Holstein hat der Wahlausgang in einen Glücksrausch versetzt. Foto: dpa/Christian Charisius

Der Kieler Ministerpräsident Daniel Günther spielt seine Koalitionspartner Grüne und FDP an die Wand – und wird sich von einem trennen müssen.

Da wo der THW Kiel seine Siege feiert, hat auch die CDU Schleswig-Holstein eine rauschende Wahlparty gefeiert, in der VIP-Lounge der Wunderino-Arena und bei der Hochrechnung am Abend war der Jubel der 450 Geladenen groß. „Hey, hey, hey“ skandierte die Menge und später, als der Sieger in die Lounge marschierte: „Daniel Günther, Ministerpräsident, Ministerpräsident!“ Nach den Hochrechnungen war der mit weitem Abstand erste Platz für die Christdemokraten sicher – und die Höhe des Wahlsieges überraschte viele. „Ein geiles Ergebnis, ein Wunschtraum“, meinte eine Christdemokratin um die 40, das Weinglas hebend. „Günther hat solide regiert, er kommt bei Wählern mit seiner ruhigen, ausgeglichenen Art gut an“, kommentierte das Junge-Union-Mitglied Sven-Owe Steensen in der fröhlichen Menge den Erfolg. Die Leute wollten eben„keine Politik der Extreme“.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Die Bundesparteien blicken jetzt nach NRW

„Es ist ein schönes Gefühl, heute hier vorne zu stehen. Das ist ohne Zweifel ein Wahlsieg für die CDU“, sagte Günther vor seinen Parteifreunden. Das Ergebnis habe ihn persönlich überrascht und berührt. Seit 40 Jahren habe die Nord-CDU so etwas nicht erlebt. Es handele sich um einen Vertrauensbeweis für die CDU, aber auch für die beiden Partner in der Jamaikakoalition: Es sei vollkommen klar, dass er jetzt mit beiden – Grüne und FDP – demnächst Koalitionsgespräche führen werde.

Mit allen reden – aber lieber nicht mit der SPD

Lange hatte Günther behauptet, er wolle die Jamaikakoalition, die er seit fünf Jahren mit FDP und Grünen führt, fortsetzen. Das geht nach diesem Ergebnis natürlich nicht mehr. Günther wird sich entscheiden müssen, ob er mit den Grünen weiterregiert oder mit der FDP. Auch eine Koalition mit der dänischen Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) wäre rechnerisch wohl möglich. Bei Befragungen an den Stehtischen in der VIP-Lounge war da kein einhelliges Meinungsbild über eine Wunschkoalition zu erfahren. „Nur nicht mit der SPD!“, meinte eine Christdemokratin. Viele äußerten Skepsis gegen ein Bündnis mit dem SSW, die seien doch „linker als die SPD“.

Ob Günther nun ein konservativ ausgerichtetes Bündnis mit den gebeutelten Liberalen anstrebt, dessen Spitzenkandidat Bernd Buchholz, der Wirtschaftsminister, auf jede Frage nach der künftigen Infrastruktur „Bessere Straßen!“ ruft, ist noch nicht ausgemacht. Inhaltlich und personell würden CDU und FDP gut zueinanderpassen, mit den beiden FDP-Ministern im Kabinett – neben Buchholz ist es Gesundheitsminister Heiner Garg – versteht sich Günther bestens, und die würden auch gerne weitermachen.

Mit den Grünen gab es nicht nur Harmonie

Bei den Grünen ist künftige Harmonie mit der CDU nicht unbedingt garantiert: In jüngster Zeit knirschte es merklich zwischen Günther und den Grünen. Es sei „kompliziert“ mit CDU und FDP, wenn es um Klimaschutz, Tierwohl, Energie- und Sozialpolitik gehe, hat die Grünen-Finanzministerin Monika Heinold noch drei Tage vor der Wahl bei einer Talkrunde der „Kieler Nachrichten“ gesagt, und Günther konterte: „Mit den Grünen ist es auch kompliziert.“ Auch der konservativ geprägten CDU in den ländlichen Gebieten würde Schwarz-Gelb gut gefallen. Auf der anderen Seite würde Schwarz-Grün die grünen Perspektiven des Ministerpräsidenten stützen, der mit dem Motto „Für Klimaschutz, der Arbeitsplätze schafft“ wirbt.

Als Sieger fühlten sich an diesem Abend nur noch die Grünen, deren Spitzenduo Heinold und Aminata Touré in der Lille-Lokalbrauerei ihren Stimmenaufschwung und das Rausfliegen der AfD aus dem Landtag mit 300 Leuten feierten. Und wie ein Superstar ist dort der Auftritt vom in einer dunklen Limousine angereisten Robert Habeck („Super für mich, nach Hause zu kommen“) dort gefeiert worden. Habeck betonte, dass Schleswig-Holstein nun ein „modernes, weltoffenes Land geworden“ sei, auch Dank der Grünen. Der Grünen-Chef warb eindringlich, jetzt nicht in eine Sehnsucht nach der Opposition zu verfallen: „Wir müssen wollen, das Land weiter mit zu gestalten.“ Mit dem modernen Daniel Günther sei das möglich, der sei ja „nicht als kleiner Bruder von Friedrich Merz“ gewählt worden.

Die Stimmung bei der FDP ist am Boden

Bitterkeit aber herrschte bei der FDP, die im schicken Bootshaus 1862 direkt an der Förde hatte feiern wollen. Und kaum besser war die Stimmung bei der SPD. Es sei schwierig gewesen, gegen den „populärsten Ministerpräsidenten“ und gegen drei andere Parteien, die in Jamaika geschlossen gestanden seien, anzukämpfen, so SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller. Noch am Samstag hatte der 49-jährige Volkswirt, der erst 2020 von den Grünen zur SPD gewechselt war, Haustürwahlkampf gemacht, um seine Bekanntheit zu steigern. Das scheint misslungen in einem Land, wo Björn Engholm einst für die SPD nach der Barschel-Affäre fast 55 Prozent geholt hatte und wo die Partei stets einige Punkte über dem Bundestrend gelegen hatte, der sich derzeit um 23 Prozent bewegt. Der Ex-SPD-Landesvorsitzende und Bundestagabgeordnete Ralf Stegner sprach von einem „Debakel“.