Regieren ist süß – Grün-Rot sorgt da schon selbst dafür. Foto: dpa

Die einen regieren nicht mehr viel, die anderen tun so, als ob sie regierten: zwei Beobachtungen von Winfried Kretschmann und seinem Herausforderer Guido Wolf.

Stuttgart - Es soll ja Leute geben, die das Wahlkampfgetöse satthaben. Solche, die Begriffe wie „Fehlentwicklung“ nicht mehr hören können und bei Zwei-Wort-Sätzen mit Ausrufezeichen wegblicken. Sie wollen einfach nur regiert werden, vernünftig, ruhig, normal.

Das Problem ist nur: Es gibt nicht mehr viel zu regieren in dieser Wahlperiode, auch wenn sich die diensthabende grün-rote Koalition nach Kräften darum bemüht. Der Themenkatalog ist dünn geworden.

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Am Dienstag zum Beispiel vergewisserte sich die hochmögende Ministerrunde, dass sie mit ihren Investitionen an Hochschulen in den vergangenen fünf Jahren „den Standort Baden-Württemberg gestärkt“ habe, und ließ dies sogleich die Öffentlichkeit wissen. Viel Neues erfuhr diese allerdings nicht. Auch die „Einsatzmedaille Bevölkerungsschutz“, die in der Ministerratssitzung das Licht der Welt erblickte, wird kaum Schlagzeilen prägen.

250 Gramm Exklusive Auslese

War’s das also? Nein. Schließlich strich man sich gegenseitig auch noch Honig ums Maul – pardon: Winfried Kretschmann bedachte jedes Kabinettsmiglied mit einem halben Pfund Deutschen Blütenhonig aus regierungseigenem Anbau.

„Exklusive Auslese des Ministerpräsidenten aus dem Park der Villa Reitzensein“ ist auf dem Etikett des 250-Gramm-Glases zu lesen, das normalerweise als Geschenk für Regierungsgäste dient. Die Bienen des Staatsministeriums arbeiten schließlich rein dienstlich. Doch beim 171. Treffen der Ministerriege – es war das letzte vor der Landtagswahl am 13. März – machte man eine Ausnahme: „Um die Nerven zu stärken“, sagte Kretschmann. Und dass sich alle gefreut hätten. Es stimmt also doch: Opposition ist Mist.

Für Guido Wolf ist das Leben derzeit allerdings nicht so süß. Der CDU-Spitzenkandidat kann einstweilen nämlich nur so tun, als ob er regierte. Ob er dazu jemals imstande sein wird, steht angesichts der schlechten Umfragewerte für seine Partei noch in den Sternen.

Sofortprogramm der CDU

Doch was bleibt ihm? Wolf gibt einstweilen den kraftvollen Ministerpräsidenten und präsentiert vier Tage vor der Wahl das, „was sofort getan werden muss“. Es sind insgesamt zehn Dinge, die er „in den ersten Wochen und Monaten“ anpacken will. Eine Milliarde Euro in den Landesstraßenbau investieren zum Beispiel. Oder 1500 Stellen für die Polizei schaffen. Oder ein Familiengeld einführen, das Eltern dabei unterstützt, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen. Oder eine Allianz für den Wohnungsbau bilden, in der Immobilienwirtschaft, Kommunen, Architekten und Stadtplaner zusammenarbeiten.

„Das wird ein Ministerpräsident Guido Wolf sofort anpacken“, sagte auch CDU-Landeschef Thomas Strobl. Doch was, wenn Wolf gar nicht Ministerpräsident wird? Wenn es für die CDU nur zum Juniorpartner in einer Koalition mit den Grünen reichen würde?

Solche Fragen hören Wahlkämpfer nicht gerne. Wolf hat vor wenigen Tagen trotzdem darauf geantwortet. „Dafür stehen wir nicht zur Verfügung“, sagte der Spitzenkandidat der „Stuttgarter Zeitung“.

Diese Festlegung hat ihm intern viel Ärger eingetragen. Denn abgesprochen war sie in der CDU-Spitze wohl nicht. Am Dienstag jedenfalls wollte Wolf diesen Satz nicht mehr wiederholen. Es sei noch gar nicht ausgemacht, dass die CDU als Zweiter über die Ziellinie komme, sagte er, man sei schließlich angetreten, um die Landtagswahl zu gewinnen.

Wolf: Am Wahlabend schon Geschichte?

Und wenn nicht? „Es gibt viele Übereinstimmungen mit FDP-Positionen“, entgegnet Wolf da. Man werde aber nicht den Fehler von 2011 wiederholen und sich einseitig auf eine Koalition festlegen. Bündnisszenarien würden sich verbieten. Auch CDU-Landeschef Strobl, dem man nachsagt, dass er sich mit einer grün-schwarzen Koalition unter Kretschmanns Führung arrangieren könnte, ließ sich nichts entlocken. Die Frage nach einer Juniorpartnerschaft sei zwar statthaft, was koalitionstechnisch möglich sei, werde man aber erst am Wahlabend sehen.

Auf die Frage, ob Wolf bei jedem Wahlergebnis und in jedem Fall Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen führen werde, überlegte Strobl lange und sagte dann: „Wir machen einen Schritt nach dem anderen.“ Jetzt habe man erst einmal das Sofortprogramm vorgelegt. „Und dann warten wir mal den Sonntag ab, wie das Wahlergebnis sein wird, und dann werden wir uns am Sonntag darüber unterhalten, wer möglicherweise mit wem reden wird.“

Heißt das also, Wolf wäre bei einem schlechten Ergebnis schon am Wahlabend Geschichte? Dass man diesen Schluss aus seinen Äußerungen ziehen könnten, dämmerte Strobl wohl kurz danach. Am Nachmittag schob er jedenfalls die schriftliche Erklärung nach: „Wer und mit wem und in welcher Personenkonstellation nach dem Wahlsonntag Sondierungs- und Koalitionsgespräche führt, besprechen wir in der CDU Baden-Württemberg gemeinsam am und nach dem 13. März.“ Es gehe jetzt um Inhalte. „Selbstverständlich“ würden die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen aber „gemeinsam von unserem Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden Guido Wolf und mir als Parteivorsitzenden geführt“.

Kretschmann ist auch in dieser Hinsicht besser dran. Auf die Frage, ob er bei jedem Wahlergebnis die Verhandlungen führe, antwortete er: Ganz gewiss. Selbst SPD-Landeschef Nils Schmid, dessen politische Karriere sich ebenfalls am 13. März entscheiden wird, gab sich sicher: Als Landesvorsitzender werde er die Verhandlungen führen.