Die Unterbringung von unbegleitet einreisenden minderjährigen Ausländern macht dem Ortenaukreis derzeit zu schaffen. Als Ausweichquartier soll nun die Pflegeschule des Ortenau-Klinikums in Achern dienen. Foto: Deck

Der Kreis hat mit der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern zu kämpfen: Seit Dezember steigen die Zahlen deutlich, die Kapazitäten sind am Limit. Nun weicht die Verwaltung auf eine Pflegeschule in Achern aus – das sorgt für Zündstoff.

„Aktuell werden jede Nacht junge Menschen im zweistelligen Bereich durch die Bundespolizei aufgegriffen und in die Inobhutnahmestelle des Ortenaukreises gebracht“, erklärt Landrat Frank Scherer in einer Stellungnahme.

 

„Für diese hohe Anzahl an Zugängen sind weder räumliche Kapazitäten noch Betten verfügbar: In den Unterbringungen waren zeitweise die Fluchtwege mit Feldbetten verstellt, Matratzen wurden auf jede freie Stelle ausgelegt.“

Das Jugendamt habe über die Katastrophenhilfe drei Zelte mit je zehn Feldbetten auf dem Parkplatz einer Einrichtung aufbauen lassen müssen. „Und mit Blick auf die Zugänge über das Wochenende werden zwei weitere Zelte inklusive der mobilen sanitären Anlagen angefordert“, so Scherer.

Jugendamt organisiert Zelte für die Unterbringung

Als „letzte Möglichkeit“, zumindest einen Teil der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) in regulären Rahmenbedingungen unterzubringen, soll nun die Pflegeschule am Ortenau-Klinikum Achern dienen. In dem Wohnheim würden in einem für sich abgetrennten Stockwerk 20 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht, teilt der Kreis auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Diese sind zwischen 16 und 17 Jahre alt und stammen aus Afrika oder Afghanistan.“

Dass in direkter Nachbarschaft zu den weiblichen Lehrkräften der Pflegeschule und meist jungen Schülerinnen eine Gruppe Heranwachsender untergebracht wird, sorgte derweil in Achern für Unmut. Laut Kreis scheint es aber keine Alternative zu geben: „Trotz hohem Aufwand bei der Immobiliensuche steht aktuell kein anderer geeigneter Wohnraum mehr zur Verfügung“, betont Scherer und versichert: „Bei der Unterbringung in der Pflegeschule im Ortenau-Klinikum Achern wird dafür gesorgt, dass bestmögliche Rahmenbedingungen bestehen.“

Die jungen Menschen werden „zunächst mit zweimal fünf Stunden täglich betreut, der Security-Service ist 24 Stunden eingesetzt“. In Abwesenheit des pädagogischen Personals sei eine Rufbereitschaft eingerichtet.

Grenzlage verschärft die Situation in der Ortenau

Der Kreis steht bei der UMA-Situation grundsätzlich unter Druck, denn das Jugendamt ist für deren vorläufige Inobhutnahme zuständig. „Das bedeutet: Wir haben die gesetzliche Verpflichtung nach dem achten Sozialgesetzbuch, alle UMA im Zuständigkeitsbereich zunächst in Obhut zu nehmen“, erläutert Scherer. „Unser Jugendamt muss alles dafür tun, um dieser Verpflichtung nachzukommen.“ Ein Stopp der Zugänge liege nicht in der Hand des Kreises. „Durch die Grenzlage ist der Ortenaukreis besonders stark von Zugängen betroffen.“

Bereits seit Herbst ist laut Kreis ein enormer Anstieg an UMA zu verzeichnen. Gemeinsam mit anderen massiv betroffenen Stadt- und Landkreisen habe Scherer schon im Dezember und Januar gegenüber der Landesregierung auf die schwierige Lage aufmerksam gemacht. Die Kreise seien für eine UMA-Landeserstaufnahmestelle eingetreten sowie für eine Absenkung der Standards bei der Unterbringung und eine Beschleunigung der Verfahren zur Altersfeststellung – bislang offenbar ohne Erfolg.

Security-Dienst ist rund um die Uhr in Bereitschaft

Zusätzlich zur vorläufigen Inobhutnahme besteht eine Aufnahmeverpflichtung nach der Quotierung des sogenannten Königsteiner Schlüssels. Die danach zugewiesenen jungen Flüchtlinge sind auf Dauer unterzubringen. Die Quote im Ortenaukreis ist laut Landratsamt seit Dezember konstant steigend. Seit Juni 2023 muss das Jugendamt für UMA, die im Kreis verbleiben, zusätzlich 50 Plätze schaffen, was eine Zunahme um rund ein Drittel bedeutet. Demnach waren die zuvor 150 Plätze nicht ausreichend.

Die Nachfrage, wie viele UMA sich derzeit insgesamt im Zuständigkeitsbereich des Kreises aufhalten, beantwortete das Landratsamt am Freitag nicht. Auch die Frage, wie der Kreis mit weiter steigenden Eingangszahlen in Zukunft umzugehen plant, blieb unbeantwortet.