Am Ortsausgang von Kuhbach in Richtung Reichenbach sind besonders viele Fahrer zu schnell unterwegs. Möglicherweise, da sie die Blitzersäule übersehen, die auf der anderen Straßenseite steht, aber in beide Richtungen misst. Foto: Baublies

Seit Jahresbeginn ahndet es die Stadt, wenn Fahrer auf der B 415 in Kuhbach und Reichenbach schneller als mit Tempo 30 unterwegs sind. Die Debatte um die Temporeduzierung dort wurde beim Besuch von Landrat Thorsten Erny in Seelbach erneuert.

Tempo 30 auf der B 415 in Lahr ab dem Friedrich-Ebert-Platz sowie in den Ortsdurchfahrten in Kuhbach und Reichenbach hatte bereits seit November gegolten. Doch die Stadt hatte Autofahrern eine Eingewöhnungszeit zugestanden und die Blitzersäulen dort deshalb erst nach Dreikönig scharf gestellt. Vorwarnen statt abkassieren, lautete die Devise.

 

Genutzt hat es nicht viel, wenn man sich die Zahlen betrachtet, die die Stadt unserer Redaktion auf Nachfrage mitgeteilt hat. Demnach haben die Radarfallen in den ersten gut drei Monaten mehr als 5000 Mal zugeschnappt. Vor allem am Ortsende von Kuhbach in Richtung Reichenbach sind zahlreiche Autofahrer zu flott unterwegs – dort blitzt es am häufigsten. An der Stelle wurde auch der bisherige „Rekordhalter“ in Sachen Tempoüberschreitung festgestellt: Ein Mann wurde mit 92 km/h gemessen und musste daraufhin natürlich seinen Führerschein abgeben.

Die einen wollen schneller vorwärtskommen, die anderen keine Blechlawine

Ungewöhnlich waren die Begleitumstände der Temporeduzierung. Gegen Tempo 30 in den beiden östlichen Lahrer Stadtteilen protestierten nämlich sowohl Pendler als auch Anwohner. Die einen wollen schneller vorwärts kommen, die anderen stört der stockende Verkehr in ihren Ortschaften.

Für die Stadt ist das Ganze eine mehr als undankbare Situation, wie Guido Schöneboom jetzt in einem Gespräch mit unserer Redaktion dargelegt hat. Dabei hebt der Bürgermeister hervor, dass die Stadt gar nicht anders hätte handeln können, als die Geschwindigkeit in den Ortsdurchfahrten zu verringern. Denn man müsse die Anwohner vor zu viel Fahrzeuglärm schützen. „Die Gesundheit hat Vorfahrt“, bringt Schöneboom diese Position auf den Punkt. Gleichzeitig macht er gegenüber unserer Redaktion keinen Hehl aus seinem Wunsch, dass sich die Debatte um Tempo 30 dort beruhigt.

„Die Situation ist so, damit müssen wir leben“, sagt Reichenbachs Ortsvorsteher Klaus Girstl. Entsprechend hätten die Diskussionen um Tempo 30 im Stadtteil nachgelassen. Gleichwohl sei das Thema noch „in den Köpfen der Leute“, wie er es formuliert. Die Hoffnung, dass die Regelung kassiert wird, man zu Tempo 40 zurückkehrt, habe er nicht, konstatiert der Ortsvorsteher nüchtern. „Es gibt rechtliche Vorgaben, an die die Stadt sich halten muss“, gibt Girstl zu bedenken.

Unternehmer beschweren sich

Zu Tempo 30 auf der B 415 in Lahr, Kuhbach und Reichenbach hat zuletzt auch Landrat Thorsten Erny Stellung genommen. Bei seinem Antrittsbesuch in Seelbach machten ihn dortige Unternehmer darauf aufmerksam, dass Kunden sich nur noch ungerne auf den Weg ins Schuttertal machen würden, da ihnen der Weg zu lange dauere. Das gleiche Argument würde bei Bewerbungsgesprächen geäußert.

Erny nahm die Stadt Lahr in Schutz. Er verstehe zwar die Sorgen der Firmenchefs und erkenne auch, dass einige Seelbacher zum Einkaufen lieber „über den Berg“ nach Haslach oder Zell als nach Lahr fahren, doch die Stadt habe das Ergebnis des Lärmaktionsplans umsetzen müssen. „Der Gesundheitsschutz der Anwohner ist höher zu werten als die Befindlichkeiten der Seelbacher Unternehmer“, äußerte er sich deutlich. Ansonsten wolle er nicht in interkommunale Diskussionen eingreifen. „Was will der Landrat da besser wissen?“

Heiko Wagner, Geschäftsführer der Seelbacher Firma Holiday Heimtex, wollte von Erny wissen, ob denn die Stadt Lahr auf das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten Einfluss hätte nehmen können. Sein Verdacht: Die Stadt hätte der Fachfirma vorschreiben können, an welcher Stelle sie Lärmwerte messen solle, um das gewünschte Ergebnis, laut Wagner Tempo 30, zu bekommen. Der Landrat, zuvor 13 Jahre Rathauschef von Gengenbach, wies den Vorwurf einer solchen Einflussnahme entschieden von sich. „Das ist mir in meiner Zeit als Bürgermeister nie untergekommen.“

Auch Seelbachs Bürgermeister Michael Moser verteidigte die Stadt: Außer mit Blick auf die Gesundheit der Anwohner habe es für die Verwaltung keinen Grund gegeben, Tempo 30 umzusetzen. Moser betonte wiederholt, in gutem Austausch mit Lahr zu stehen. „Sie kennen unsere Haltung und wir kennen deren Zwänge und wissen, dass die Möglichkeiten begrenzt sind. Wir müssen schauen, wie wir damit umgehen.“

Zwei Petitionen: die eine gegen Tempo 30, die andere dafür

Zu Tempo 30 in Kuhbach und Reichenbach gibt es auf der Internetseite change.org  zwei gegensätzliche Petitionen. Den Anfang machte am 18. November eine gegen die Temporeduzierung. „Von der Einführung von Tempo 30 in Lahr war erwartet worden, dass sie die Lebensqualität der Anwohner verbessert. Leider haben wir das genaue Gegenteil erlebt – nur Staus, erheblich verlängerte Wege, stockender Verkehr und die Busse kommen ständig zu spät“, heißt es darin. Offenbar als Reaktion darauf wurde dann am 28. November auf Change.org eine Petition für die Temporeduzierung geschaltet. Auszug: „Die Einführung von Tempo 30 in Lahr dient nicht nur der Verkehrsberuhigung, sondern hat messbare positive Auswirkungen auf die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger.“ Beide Petitionen können nach wie vor unterzeichnet werden. Aktueller Stand: Gegen Tempo 30 haben 7546 Menschen unterschrieben, dafür gibt es 275 Unterschriften.