Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger will die Landkreise abschaffen. Foto: Max Kovalenko

Es wirkt wie ein Stich ins Wespennest: Der Vorstoß von Esslingens OB Jürgen Zieger im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten, die Landkreise oder zumindest die Kreistage abzuschaffen, stößt bei vielen auf Gegenwehr. Die schärfste Kritik kommt aus der direkten Nachbarschaft – von Landrat Heinz Eininger.

Esslingen - Der Kreischef macht aus seinem Ärger keinen Hehl. Der Vorschlag des SPD-Mannes aus dem Esslinger Rathaus ist für ihn „unausgegoren, widersprüchlich und konzeptionslos“. Landrat Heinz Eininger (CDU) redet Klartext: „Ich habe Schwierigkeiten, das ernst zu nehmen. Was soll eine Regionalstadt sein? Das hat so noch niemand vorgeschlagen.“ Er frage sich, ob die Stadt Esslingen dann „Vorstadt von Stuttgart“ sein wolle. Wie solle es gehen, dass eine Kreisverwaltung bestehen bleibt, aber ohne demokratisch legitimierten Kreistag? Für den Landrat ist die Idee des Oberbürgermeisters „ein Rückfall ins königlich württembergische Oberamt und rechtlich nicht möglich“.

Eininger verweist auf das Grundgesetz. Artikel 28 besage, dass Land, Kreise und Gemeinden vom Volk gewählte Vertretungen haben müssen – Ziegers Idee widerspreche dem Grundgesetz. Tragendes Prinzip des Grundgesetzes seien gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Diese Ausgleichsfunktion hätten eben die Landkreise. Sie seien etwa für Schulen, Gesundheit, Straßen und Verkehr zuständig. Umgekehrt: Der Verband Region Stuttgart habe kaum noch eigene Aufgaben und müsste so gesehen noch eher abgeschafft werden.

Das Verhältnis zu Zieger sieht Eininger im Übrigen nicht getrübt. „Ich nehme das einfach nicht ernst und frage mich nur, was er bewirken möchte.“ Diskussionswürdig aus seiner Sicht sei einzig und allein, die Kreisgebiete zu verändern – weil die Größen mit 120.000 bis 540.000 Einwohnern sehr unterschiedlich seien. Geld gespart werden könne durch Ziegers Idee nicht – sehe man von den Sitzungsgeldern für die Kreistage ab.

Bopp: Aufgaben von Landkreis- auf regionale Ebene verlagern

Der Stuttgarter Regionalpräsident Thomas Bopp erklärt auf Nachfrage, dass das Landkreis-Thema zwar in der Regionalversammlung immer mal wieder diskutiert wird. Aktuell gebe es aber keine Beschlusslage. Ganz fremd ist ihm freilich Ziegers Vorstoß keineswegs. Er selbst, so der CDU-Mann, habe vor Jahren dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel schriftlich einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet. Doch Bopp hatte Pech: Zwei Wochen später verkündete Teufel seine bis dahin „streng geheime Verwaltungsreform“ (Bopp), die den Vorstoß dann völlig überflüssig machte. Eine Rückantwort Teufels traf denn auch bis heute nicht bei Bopp ein.

Unabhängig davon hält Bopp es aber für durchaus angebracht, Aufgaben von der Landkreis- auf die regionale Ebene zu verlagern. Etwa beim öffentlichen Nahverkehr. Die Region wolle „nicht blindlings Kompetenzen an sich ziehen, wir wollen keine Führerscheinstelle oder für Baurecht zuständig sein“. Doch bei den Krankenhäusern etwa habe die Abstimmung unter den Landkreisen nicht funktioniert, da wäre eine regionale Konzeption sinnvoll gewesen. Doch weil derzeit die Krankenhäuser längst in Bau seien, könne man dieses Thema allenfalls beim nächsten Schwung an Klinik-Neubauten in vielleicht 30 Jahren angehen.

In eine ähnliche Richtung ging am Montag die Reaktion des Grünen-Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz. „Man kann durchaus über eine Verlagerung von Aufgaben nachdenken“, sagte er unserer Zeitung. Eine Meinung, die auch Eberhard Trumpp, Geschäftsführer des Landkreistags, vertrat. So könne zum Beispiel die Ausweisung von Naturschutzgebieten auf der Landkreisebene erledigt werden statt von Landesbehörden. Aber auch Trumpp wandte sich entschieden gegen eine mögliche Abschaffung der Kreise. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Kreise in Baden-Württemberg nach der Verwaltungsreform die leistungsstärksten Landkreise in Deutschland sind.“