Immer wieder zeigte die Polizei bei Machtdemonstrationen von Rockern (wie hier 2015 in Ludwigsburg) Präsenz. Foto: 7aktuell

Gesichert von einem Großaufgebot der Polizei hat am Landgericht Stuttgart der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der sogenannten Stuttgarter Kurden begonnen. Die Angeklagten sollen zwei Mitglieder der Straßenbande Osmanen Germania BC fast getötet haben.

Stuttgart/Ludwigsburg - Ein Großaufgebot der Polizei ist am Donnerstag angerückt, um rund um dem Prozess gegen vier Männer und eine Frau am Landgericht Stuttgart für Sicherheit zu sorgen. Auch die Justizwachtmeister haben ihren Körperschutz angelegt, die Zuhörer werden registriert und gefilzt. Vier Männern und einer Frau werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Hintergrund der Attacke, die sich in der Nacht auf den 21. April 2016 in Ludwigsburg ereignet hat, sollen Konflikte zwischen den sogenannten Stuttgarter Kurden, die aus der verbotenen Straßenbande Red Legion hervorgegangen sind, und den Osmanen Germania BC sein. Dabei werden auch Unbeteiligte bedroht.

Auf Schlag folgt Gegenschlag, darauf kann man sich im Milieu der Straßenbanden fast immer verlassen. Am 20. April vergangenen Jahres prügelten mehrere Männer einen 25-Jährigen gegen 22 Uhr in Stammheim zusammen. Das Opfer soll zu der seit 2013 verbotenen Straßenbande Red Legion gehören. Nur drei Stunden darauf kam der Gegenschlag: Zwei mutmaßliche Mitglieder der verfeindeten Osmanen Germania BC wurden in Ludwigsburg von rund 20 Legionsten, die sich seit dem Verbot Stuttgarter Kurden nennen, zusammengeschlagen und mit Messerstichen attackiert. Um den zweiten Vorfall geht es seit Donnerstag vor der 9. Strafkammer.

Eine Frau soll Fluchtwagen gefahren haben

Gegen 1 Uhr fahren drei Autos durch Ludwigsburg. Sie sind jeweils besetzt mit mindestens fünf Personen. Am Steuer des einen Wagens sitzt laut Anklage eine 27-jährige Deutsch-Griechin aus Kornwestheim. Die Stuttgarter Kurden sollen inzwischen ebenso multinational besetzt sein wie andere Straßengangs. Auf dem Gehweg sehen sie zwei 25 und 41 Jahre alte Männer, die sie als Mitglieder der Osmanen identifizieren. Die Truppe ist mit Schlag- und Stichwerkzeugen bewaffnet. Der Anklage zufolge steigen aus jedem der drei Autos fünf Personen aus und greifen die zwei Fußgänger an.

„Mit voller Wucht“, so Staatsanwältin Melanie Rischke, hätten die Täter auf die zwei Männer eingeschlagen und -gestochen. Ein 21-jähriger Angeklagter habe beispielsweise mit einem Baseballschläger auf den Kopf eines Opfers eingeprügelt, ein 23-Jähriger habe zugestochen. Die Männer erleiden schwere Kopfverletzungen, dem einen wird durch das Messer eine Rippe durchtrennt, der andere trägt einen Stich in den Oberschenkel davon. Erst als Polizeisirenen zu hören sind, ergreifen die Täter die Flucht. Dabei sollen sie auch noch unbeteiligte Zeugen bedroht haben.

Angeklagte und Opfer schweigen

Auf der Anklagebank vor der 9. Strafkammer sitzen vier 21 bis 23 Jahre alte Männer aus Stuttgart, Eislingen und Esslingen - drei Deutschtürken und ein Mann mit aserbaidschanischen Wurzeln. Komplettiert wird das Quintett von der Deutsch-Griechin. Die Polizei hat zudem zwei junge Männer ermittelt, die ebenfalls an der fast tödlichen Attacke beteiligt gewesen sein sollen. Die Heranwachsenden müssen sich zu einem späteren Zeitpunkt vor einer Jugendstrafkammer verantworten. Die anderen Täter sind bisher unbekannt geblieben.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Angeklagten, wie auch jetzt am ersten Prozesstag, eisern schweigen. Auch die Opfer fühlen sich dem Schweigegelübde der Straßenbanden verpflichtet. Von ihnen ist kaum Aufklärungshilfe zu erwarten. Nur ein kleiner Aspekt, der sich allerdings als entscheidend für den 21-jährigen Angeklagten aus Aserbaidschan auswirken könnte, kommt zur Sprache. Einer seiner Verteidiger erwähnt, dass es zwei Zeugen gebe, die aussagen, sie seien zusammen mit dem 21-Jährigen erst an den Tatort gekommen, als alles schon vorbei gewesen sei. Der Prozess wird am 14. Februar fortgesetzt.