Seit Ende November greift der Strafvorwurf der Urkundenfälschung auch bei falschen Impfausweisen. Foto: Maier

Das Landgericht Hechingen lehnt die Eröffnung der Anklage wegen Urkundenfälschung nach der Vorlage eines gefälschten Impfausweises ab. Die Staatsanwaltschaft wird dagegen Beschwerde einlegen.

Zollernalbkreis - Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen hat auf eine im Dezember erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Hechingen beschlossen, das Hauptverfahren aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen. Der Anklage liegt der Fall der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises durch einen 51-Jährigen am 8. November in einer Apotheke zugrunde. Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf der Urkundenfälschung in Gestalt des Gebrauchs einer gefälschten Urkunde. Die Strafkammer hat das angeklagte Verhalten allerdings als zum genannten Zeitpunkt noch nicht strafbar bewertet.

Erst am 24. November 2021 ist laut Mitteilung des Landgerichts eine Änderung des Strafgesetzbuchs in Kraft getreten, die eine Ahndung sämtlichen strafwürdigen Verhaltens im Bereich der Fälschung von Impfausweisen zweifelsfrei sicherstellen soll. Die nach Bewertung der Großen Strafkammer bestehende Strafbarkeitslücke wurde damit geschlossen. Aufgrund des Rückwirkungsverbots entfaltet diese Änderung allerdings Wirkung nur für die Zukunft.

Gegen die Entscheidung steht der Staatsanwaltschaft Hechingen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart zur Verfügung. Dies ist laut Mitteilung der Behörde auch geplant. Die Staatsanwaltschaft hatte schon davor angekündigt, dass sie den Sachverhalt höchstrichterlich klären lassen will.

Ob die Vorlage gefälschter Impfnachweise vor dem 24. November strafbar war oder nicht, wird innerhalb der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nach wie vor nicht einheitlich beantwortet. Ebenso wie nun auch die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen haben bislang – neben weiteren Gerichten im Bundesgebiet – auch die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Hechingen sowie Spruchkörper der Landgerichte Stuttgart und Karlsruhe entschieden. Die gegenteilige Auffassung wurde durch eine Kammer des Landgerichts Konstanz vertreten.

Nun haben am Landgericht Hechingen zwei unabhängige Spruchkörper mit Blick auf die alte Rechtslage, also für Fälle vor dem 24. November, die gleiche Rechtsauffassung geäußert – allerdings in jeweils selbstständigen Verfahren und in unterschiedlichen Verfahrensarten. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der bezeichneten Fragestellung deckt sich die nun ergangene Entscheidung der 1. Großen Strafkammer inhaltlich weitgehend mit einem Beschluss der 3. Großen Strafkammer. Die 3. Kammer hat bereits im Dezember vergangenen Jahres der Beschwerde einer Frau stattgegeben, die sich im Rahmen eines anderen, seinerzeit bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahrens gegen einen Durchsuchungsbeschluss gewandt hatte, der auf die Vorlage eines gefälschten Impfdokuments gestützt war. Die Kammer hatte über die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses zu erkennen – und die Entscheidung für rechtswidrig erklärt.

Demgegenüber hatte nun die 1. Große Strafkammer auf eine Anklage der Staatsanwaltschaft nach Abschluss eines (anderen) Ermittlungsverfahrens im sogenannten Zwischenverfahren zu überprüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht, ob also eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist. Hierbei galt es ebenfalls zu überprüfen, ob das konkret angeklagte Verhalten des Angeschuldigten am 8. November (welches dieser eingeräumt hatte) strafbar war oder nicht, denn die Durchführung einer Hauptverhandlung setzt voraus, dass das Gericht das angeklagte Verhalten für grundsätzlich strafbar hält. Dies verneinte die 1. Große Strafkammer und entschied, dass die Vorlage gefälschter Impfnachweise nach der bis zum 24. November geltenden Rechtslage aufgrund einer Strafbarkeitslücke keiner Strafvorschrift unterfiel. Diese Lücke wurde – wie beschrieben – inzwischen vom Gesetzgeber geschlossen.