Streit zwischen Mieter und Vermieter ist nichts ungewöhnliches. Bei einem Vorfall in Bisingen im Juni des vergangenen Jahres spitzte sich die Situation jedoch so zu, dass sich eine Frau nun vor Gericht verantworten muss. „Versuchter heimtückischer Mord mit gefährlicher Körperverletzung“ lautet die Anklage.
Um 21.30 Uhr klingelt es an der Tür des 77-jährigen Mannes, der es sich mit seiner Frau vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte. Als er die Tür öffnet, gibt es für ihn zunächst keine Anzeichen dafür, dass ihm in nur wenigen Sekunden etwas Schreckliches geschehen wird. Denn vor der Tür steht keine Unbekannte, es handelt sich lediglich um seine Mieterin aus der Wohnung über ihm. „Ich habe mich gefragt, ob wir beide mal vernünftig miteinander reden können“, soll sie gesagt haben. Er sei dafür offen gewesen: „Mit mir kann man immer reden“, habe er ihr geantwortet.
Zwei Stiche in den Bauch
Doch dann sei die 63-Jährige leicht nach vorne geschwenkt, erinnert sich der Mann. „Das war mir unangenehm, deswegen habe ich sie mit der Hand von mir weggeschoben“, erklärte er am Donnerstag vor dem Hechinger Landgericht. Daraufhin sei die Frau nach hinten geschwankt. „Ich habe sie dann hinten am Nacken gestützt, damit sie wieder aufrecht steht.“ Als er daraufhin an sich herabblickte, habe er festgestellt, dass er stark aus dem Bauch blutete. „Sie hielt zwei blutige Messer in ihren Händen“, erinnerte sich der Mann.
Wie konnte es so weit kommen?
Er habe die Tür geschlossen und sei direkt in die Küche gegangen, habe sich Küchentücher auf die beiden Stichwunden gepresst und denn Notruf gewählt. Da die Verletzungen nur oberflächlich waren und keine wichtigen Organe verletzt hatte, kam der Rentner mit dem Schrecken davon. Doch wie konnte es so weit kommen?
Mehrfach aneinander geraten
Immer wieder seien die Mieterin und ihr Ehemann mit ihrem Vermieter aneinander geraten. An jenem Tag hatte es ebenfalls eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Partien gegeben. Bereits am späten Nachmittag war die Angeklagte mit ihrem Vermieter aneinander geraten. Ob er wieder besoffen sei, habe sie ihn gefragt, nachdem er nach dem Arbeiten am Dach des Hauses beim herabsteigen von einer Leiter mit ihr zusammengestoßen war. „Das fragt die Säuferin“, habe er erwidert.
Schwere Schicksalsschläge
Vor Gericht erzählte die Angeklagte von ihrem Lebensweg. Es war kein einfacher. Als siebtes von acht Kindern wuchs sie nicht nur mit einem alkoholkranken Vater sondern auch mit vier Brüdern auf. Regelmäßig wurde sie von ihren Brüdern missbraucht. Auch später wurde sie vergewaltigt. Ihre ersten beiden Ehemänner ließen sie mit einem Schuldenberg von 50 000 Euro zurück. Immer wieder greift sie zur Flasche, vielfache Besuche von stationären Therapieeinrichtungen helfen ihr für eine gewisse Zeit trocken zu bleiben. Nach der Geburt ihres Sohnes schaffte sie das neun Jahre, nach der Geburt ihrer Tochter sechs Jahre. Doch der Missbrauch geht ihr nicht aus dem Kopf, mit Alkohol versucht sie, die Erinnerungen zumindest für kurze Zeit zu vergessen. Am Tag des Messerangriffs sei sie nicht betrunken gewesen. Weitere Sitzungstermine sowie das Urteil folgen nächste Woche.