Es war die politische Zeitenwende im Ländle: Vor zwei Jahren siegte Grün-Rot bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Zum Jubiläum wird die Landesregierung von ihrem größten Konfliktthema eingeholt. Foto: dpa

Es war die politische Zeitenwende im Ländle: Vor zwei Jahren siegte Grün-Rot bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Zum Jubiläum wird die Landesregierung von ihrem größten Konfliktthema eingeholt.

Stuttgart - 58 Jahre lang regierte die CDU in Baden-Württemberg. Am 27. März 2011 kam die Zeitenwende: Nach dem Reaktorunfall von Fukushima, dem Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 und den Eskapaden des vorerst letzten CDU-Regierungschefs Stefan Mappus gewann Grün-Rot die Landtagswahl. Winfried Kretschmann wurde der erste grüne Regierungschef in Deutschland. Heute kämpfen CDU und FDP mehr oder weniger erfolgreich an zwei Fronten gleichzeitig: gegen die neue Regierung und intern um die eigene Ausrichtung. Und auch die grün-rote Landesregierung müht sich an ungelösten Konflikten ab.

Das Thema Stuttgart 21 galt zwar mit einer Volksabstimmung im Herbst 2011 als befriedet. Doch nun drängt es abermals mit aller Macht an die Oberfläche. Die Bahn pocht darauf, dass das Land sich an den Milliarden-Mehrkosten für das umstrittene Bahnprojekt beteiligt. Grundsätzlich lehnen Grüne und SPD das ab. Doch bei der Anbindung des Tiefbahnhofs Stuttgart 21 an den Flughafenbahnhof gehen die Meinungen weit auseinander.

Die Projektpartner von S21 hatten einen Bürgerdialog veranstaltet. Seitdem wird eine bessere Variante für den Flughafenbahnhof diskutiert, die aber auch teurer ist. Während die Grünen darauf pochen, dass es vom Land nicht mehr Geld gibt, ist die SPD bereit, hier Mehrkosten mitzutragen. Ministerpräsident Kretschmann hat sich offen für eine Mehrkostenübernahme in geringer Höhe gezeigt. Seit kurzem ist die offizielle Linie der Landesregierung, dass man bei dem Thema gesprächsbereit sei - ob dies auch Zahlungsbereitschaft bedeutet, wird sich zeigen.

Problemfeld Stuttgart 21

Stuttgart 21 gilt für den Politikwissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim als eines der großen Problemfelder von Grün-Rot. Auch die Haushaltskonsolidierung und die Bildungspolitik zählt er dazu. „Das sind Bereiche, da ist der Honeymoon vorbei.“ Der Ausbau der Ganztagsschulen geht nur schleppend voran. Und bis 2020 sollen 11.600 Lehrerstellen nicht mehr besetzt werden, weil die Schülerzahlen zurückgehen und gespart werden muss.

Auch bei den Einsparungen im Landeshaushalt kommt Grün-Rot nur langsam voran. Bis 2020 muss ein strukturelles Defizit von jährlich 2,5 Milliarden Euro verschwunden sein, damit das Land die im Grundgesetz vorgesehene Schuldenbremse einhalten kann. Im aktuellen Doppelhaushalt 2013/2014 macht Grün-Rot aber erstmal 3,3 Milliarden Euro neue Schulden. Weitere Einsparungen quer durch alle Ressorts werden folgen müssen.

Derweilen kämpft die CDU als größte Oppositionspartei mit ihrer Vergangenheit und um ihre politische Zukunft. Mappus hatte den Rückkauf von Aktien des Karlsruher Energieunternehmens EnBW durch das Land am Landtag vorbei eingefädelt - und mutmaßlich zu einem zu hohen Preis. Im Zuge eines Untersuchungsausschusses kommen immer wieder neue Details zum Vorschein. CDU-Fraktionschef Peter Hauk räumt ein: „Es ist ärgerlich, dass uns die Schatten der Vergangenheit immer dann öffentlichkeitswirksam einholen, wenn wir gerade so im Steigflug sind.“ Die FDP kam nur mit Ach und Krach in den Landtag. Dort versucht Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke mehr mit markigen Worten als mit Alternativkonzepten auf sich aufmerksam zu machen.

Bildungspolitik, Haushaltspolitik oder Stuttgart 21: Die Angriffe der Opposition auf Grün-Rot nehmen zu, meint Brettschneider. Auch Kretschmann selbst, der in der Bevölkerung ungebrochen eine hohe Wertschätzung genießt, wird nun stärker ins Visier genommen. „Inwiefern das erfolgreich sein wird, ist fraglich“, meint der Wissenschaftler. „Bislang hat sich Kretschmann nicht reizen lassen.“