Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster in ein Flugzeug. Foto: dpa

Die Zahl der Abschiebungen hat sich im Vergleich zu 2014 in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr verdoppelt. Der Innenminister will die Abschiebungen noch erhöhen.

Stuttgart - Die Zahl der Abschiebungen soll nach den Plänen von Innenminister Reinhold Gall (SPD) in diesem Jahr deutlich zunehmen - auch in nordafrikanische Staaten. „Wir müssen die Zahl der Rückführungen weiter erhöhen“, sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Seit Einführung eines „Rückkehrmanagers“ im Südwesten habe die Zahl der Ausweisungen bereits zugenommen. Nach Angaben des Ministeriums gab es bis Ende November 2449 Abschiebungen sowie 5289 freiwillige Ausreisen. „Das sind in beiden Bereichen doppelt so viele wie im Jahr davor“, sagte Gall. Derzeit gebe es rund 25 000 Geduldete im Südwesten, die ausreisepflichtig seien.

„Straffällig gewordene Asylbewerber leichter abschieben“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln offen für Gesetzesverschärfungen gezeigt, um straffällig gewordene Asylbewerber leichter abschieben zu können. Dafür erntete er Kritik aus der Grünen Jugend. Deren Landessprecherin Lena Schwelling sagte, die Rechtslage für Abschiebungen sei ausreichend. Die grün-rote Landesregierung habe sich bislang dadurch ausgezeichnet, dass sie Gesetzesvorhaben in Ruhe durchdenke. „Wir würden uns wünschen, dass das in der aktuellen Situation beibehalten würde“, mahnte die Landessprecherin.

Der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Leon Hahn, sagte, die bestehenden Gesetze müssten überprüft werden. „Die Vorfälle in Köln haben das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erschüttert. Es braucht politische Antworten, aber ich warne vor Schnellschüssen.“ Er sprach sich ebenso wie seine grüne Kollegin Schwelling dagegen aus, Menschen aus Nordafrika unter Generalverdacht zu stellen. „Klar ist, dass der überwiegende Teil der Asylbewerber sich friedlich verhält.“ Kretschmann hatte erklärt, dass augenscheinlich vor allem aus den Ländern Nordafrikas problematische Gruppen nach Deutschland kämen.

Gall sagte, den geduldeten Asylbewerbern werde deutlich gemacht, dass sie in ihre Heimat zurückkehren müssten. Das sei auch das Signal an die Bürger im Südwesten. „Die Menschen erwarten von einem handlungsfähigen Staat, dass er handelt.“ Dabei setzt das Land aber vor allem darauf, dass Menschen ohne Zwang Deutschland wieder verlassen. Für die freiwilligen Rückführungen seien im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Euro eingeplant gewesen. Dabei werde Freiwilligen geholfen, die Rückreise mit einem Charterflug oder auch mit Bussen anzutreten. Ausweisen könnten die Behörden hingegen nur, wenn keine Hindernisse - wie etwa Krankheit oder ungeklärte Identitäten - vorlägen. „In den ersten beiden Monaten des Jahres machen wir sechs Sammelcharter. Das ist viel mehr als sonst“, sagte Gall.

„Zahl der Migranten reduzieren“

Die CDU hatte der Landesregierung immer wieder vorgeworfen, zu wenig Ausländer abzuschieben. Als Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl am 13. März hatte CDU-Fraktionschef Guido Wolf mehr Anstrengungen gefordert, die Zahl der Migranten zu reduzieren. Gall wies diese Vorwürfe zurück: „Abschiebehindernisse kann auch der Herr Wolf nicht beseitigen.“ Bei der Vielzahl der Menschen sei das Problem logistisch kaum schneller zu lösen. „Wir haben 2014 nicht erwartet, dass die Zahl der Flüchtlinge 2015 so stark ansteigt“, räumte er ein.

Zurückhaltend äußerte sich der Innenminister zu Forderungen, Straftäter schneller abzuschieben. „Wenn es die Möglichkeit gibt, Straftäter abzuschieben, dann machen wir das auch.“ Allerdings müssten in den jeweiligen Ländern auch die Bedingungen dafür gegeben sein. In Kriegsgebieten gibt es oft weder intakte Behördenstrukturen noch Gefängnisse. Mit Blick auf geforderte härtere Strafen sprach sich Gall dafür aus, das mögliche Maß erst einmal auszuschöpfen. „Ich bin zurückhaltend, was Gesetzesverschärfung angeht.“

Unterdessen teilte das Integrationsministerium mit, dass Baden-Württemberg im Jahr 2015 so viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie nie zuvor. Es hätten hier rund 98 000 Menschen das erste Mal einen Antrag auf Asyl gestellt. Im Vergleich zu 2014 sei das fast eine Verdreifachung. Der bisherige Rekordzugang aus dem Jahr 1992 mit rund 51 600 Erstantragstellern sei damit weit übertroffen worden.