Rainer Stickelberger ist ganz entspannt und genießt seinen Ruhestand. Foto: Siegfried Feuchter

Auf einen Kaffee mit Rainer Stickelberger. Der ehemalige Justizminister, Landtagsabgeordnete, Richter, Bürgermeister und Rechtsanwalt genießt seit vier Jahren seinen Ruhestand.

Der gebürtige Haltinger war ein populärer SPD-Politiker mit Bodenhaftung, galt während seines langjährigen politischen Wirkens als Pragmatiker und war über die Parteigrenzen hinaus geschätzt. Doch die unzähligen Sitzungen, Konferenzen, Reden, Besprechungen und Besuche von Veranstaltungen, die während seiner 20-jährigen Abgeordnetenzeit in Stuttgart und seiner achtjährigen Amtszeit als Weiler Bürgermeister zum Politikeralltag gehörten, vermisst er nicht. Schließlich hat alles seine Zeit. Und als Ruheständler kann er nun selbstbestimmt seine Termine festlegen.

 

„Ich war sehr gerne und leidenschaftlich Politiker, doch es ist mir nicht schwer gefallen, schnell Abstand zu gewinnen“, sagt Rainer Stickelberger, da er auf den Tag seines beruflichen Abschieds bestens vorbereitet war und sich auf den neuen Lebensabschnitt gefreut hatte. Wenn man den 74-Jährigen nach den Höhepunkten seines beruflichen und politischen Wirkens fragt, kommt spontan die Antwort: Jede seiner Funktionen habe angenehme und belastende Seiten gehabt, doch die Bürgermeisterzeit in Weil am Rhein an der Seite des ehemaligen OB Peter Willmann und die Ministertätigkeit in Stuttgart seien herausragend gewesen. „Im Weiler Rathaus habe ich gelernt, wie man einen Haushaltsplan liest“, sagt Stickelberger.

„Zeitung muss sein“

Nach wie vor verfolgt er „äußerst interessiert“ das Zeitgeschehen wie auch die Kommunalpolitik in Stadt und Landkreis. „Zeitung muss sein“, sagt der bekennende intensive Zeitungsleser, der auch auf Social Media wie Instagram und Facebook unterwegs ist. Apropos Kommunalpolitik: Da macht er Oberbürgermeisterin Diana Stöcker ein dickes Lob. „Es ist imponierend, wie sie mit ihrer profesionellen, sympathischen Art ihre im Wahlkampf dargelegte Strategie Schritt für Schritt umsetzt.“ Sie sei eine charmante Repräsentantin der Stadt. Auch Haltingens Ortsvorsteher Peter Reinacher, ebenfalls erst ein gutes Jahr im Amt, mache seine Sache gut.

Überzeugter Sozialdemokrat

Weniger gut kommt „seine“ Partei weg. „Die SPD ist in einer schwierigen Situation. „Was die Leute im Alltag bewegt wie Wohnraum, Mieten, Energie und soziale Kosten, diese Themen vermissen viele“, sagt der überzeugte Sozialdemokrat, der als geselliger Mensch mit zahlreichen Leuten aus allen gesellschaftlichen Gruppen zusammenkommt und das Ohr am Volk hat. Der Vater einer Tochter besucht zwar hin und wieder noch Parteiveranstaltungen, jedoch nur als „einfaches Mitglied“. Sitzungen leiten oder Grußworte sprechen – das war einmal.

Das Gesellige ausleben

Rainer Stickelberger, der in seinem beruflichen und politischen Leben es immer mit Menschen zu tun gehabt hat, schätzt an seinem Ruhestandsdasein besonders, dass er das Gesellige besser ausleben kann. So trifft man den ehemaligen Politiker zusammen mit seiner Frau Yvonne an zahlreichen Festen und Veranstaltungen nicht nur in Haltingen und Weil am Rhein, sondern auch in Umlandgemeinden.

Nur am Wochenend zuhause

„Während meiner 20 Jahre in Stuttgart ist mir aus zeitlichen Gründen doch manches entgangen. Denn ich war oft nur am Wochenende zuhause“, resümiert der Haltinger, der er aus vollem Herzen ist. Sporadische Kontakte in Landtagsfraktion und Ministerium pflegt er noch, doch sagt er auch: „Weil am Rhein ist von Stuttgart halt doch weit weg.“

Ohnehin ist Rainer Stickelberger keiner, wie er sagt, der „gern in der Vergangenheit lebt“, sondern immer gern etwas Neues macht. So hat er noch vor der Corona-Pandemie angefangen, an der Volkshochschule einen Spanischkurs zu belegen. „Das macht richtig Spaß“, sagt der 74-Jährige, der mit dem VHS-Kurs auch schon zwei Reisen nach Madrid und Valencia unternommen hat, um die erworbenen Sprachkenntnisse vertiefen zu können.

Sportlich aktiv

Sportliche Betätigung gehört zu seinem Alltag, sei es Joggen am Tüllinger Berg oder Besuche des Fitnessstudios, wo er unter anderem Kampfsporttraining betreibt. Auch Yoga stand schon auf seinem Freizeitplan. Und als Fußballfan verfolgt Rainer Stickelberger nicht nur Spiele am Fernsehen, sondern besucht zusammen mit seiner Tochter Mona gelegentlich Frauenfußballspiele des SC Freiburg im alten Stadion. Auch bei der Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz konnte man ihn in Basel antreffen wie auch bei der Saisoneröffnung des SC Freiburg im Europa-Park-Stadion. „Ich bin jetzt mit allen Fanutensilien des SC ausgestattet“, sagt der Ex-Justizminister schmunzelnd, der es auch schätzt, im Ruhestand Zeit zu haben, ein Buch an einem Stück lesen zu können.

Rainer Stickelberger

Geboren
 1951 in Lörrach, aufgewachsen in Weil am Rhein. Er besuchte das Kant-Gymnasium in Weil am Rhein und wechselte später auf das Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach, wo er 1970 das Abitur machte.

Studium
 der Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Zwischen 1979 und 1984 war Stickelberger Richter an den Verwaltungsgerichten in Freiburg und Karlsruhe. Von 1992 bis Mai 2011 war er in Lörrach als Rechtsanwalt tätig

Die politische Karriere
 begann 1984 als Bürgermeister (Erster Beigeordneter) der Stadt Weil am Rhein. Das Amt übte er bis 1992 aus.

Mitglied des Landtags
 war Stickelberger von 2001 bis 2021. Von 2011 bis 2016 war das SPD-Mitglied (seit 1971) Justizminister der damaligen grün-roten Landesregierung.