Wirklich noch einmal eine Koalition mit der CDU? Wirkliche Begeisterung weckt die Vorstellung bei kaum einem Grünen. Beim Parteitag in Heilbronn übt sich die Partei aber in Geschlossenheit.
Heilbronn - Um zu erklären, warum es mit den Christdemokraten vielleicht doch gar nicht so schlimm werden muss, berichtet Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand von politischen Spaziergängen. Er sei zur Zeit der Sondierungsgespräche mit CDU-Generalsekretär Manuel Hagel im Schlossgarten unterwegs gewesen, erzählt Hildenbrand am Samstag beim Parteitag der Südwest-Grünen in Heilbronn. „Manuel Hagel und ich sind ungefähr gleich alt“, sagte er. „Damit enden die Gemeinsamkeiten eigentlich auch schon.“ Hagel käme aus dem Finanzbereich, er selbst aus der Psychologie. Hagel lebe mit Frau und Kindern im Alb-Donau-Kreis, er selbst mit seinem Freund in Stuttgart. Aber auch wenn sie in unterschiedlichen Welten zuhause seien: „Wir sind miteinander im Gespräch. Ich glaube das ist von großem Wert.“ Es gehe darum, dass man versuche, zu verstehen, was den anderen umtreibe. Außerdem: Man habe im Park Gänsebabys gesehen.
Kretschmann gewann die Machtprobe
Aufbruchstimmung soll versprüht werden bei diesem Parteitag der Grünen in Heilbronn für eine Verbindung, die alles andere als Aufbruch verspricht. Seit fünf Jahren bereits koalieren Grüne und CDU im Ländle, oft genug stellte man sich dabei gegenseitig ein Bein statt gemeinsam voranzugehen. Hildenbrand selbst nannte die CDU im Wahlkampf beim Klimaschutz noch einen „Klotz am Bein“. „Jetzt muss sie die Bremsen endlich lösen“, sagt er jetzt.
Die Begeisterung war groß bei den Grünen über das Wahlergebnis, das Ministerpräsident Winfried Kretschmann Mitte März im Südwesten einfuhr. Die Grünen kamen auf 32,6 Prozent, die CDU nur noch auf 24,1 Prozent. Umso gedämpfter war die Stimmung bei vielen, als sich das Verhandlerteam um Kretschmann für eine Neuauflage von Grün-Schwarz und gegen eine Ampel mit SPD und FDP entschied. Im Landesvorstand kam es am Gründonnerstag gar zum Eklat. Kretschmann gewann die Machtprobe.
Keine Koalition der Beinfreiheit
Nun ist der Drops gelutscht. Wehklagen bringt nichts mehr. Und der Landesverband schart sich hinter den konservativen Obergrünen. Peter Seimer vom Kreisverband Böblingen prophezeit den grünsten Koalitionsvertrag der Welt. Die Ulmer Stadträtin Lena Schwelling lobt, was für Pflöcke die Grünen bereits in das siebenseitige Sondierungspapier „reingehauen“ hätten, das die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen bilden soll. Es werde keine Koalition der Beinfreiheit geben, sichert Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz zu. Die Grüne würden die nächsten Jahre klar die Richtung vorgeben. Die CDU müsse nun die Vorhaben beim Klimaschutz mittragen, sagt die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner, die die Südwest-Grünen auf Listenplatz 1 in den Bundestagswahlkampf führen soll. „Wir werden keine Vertragsbrüche mehr zulassen.“
Nur die Grüne Jugend zeigt sich noch skeptisch. Man werde den Prozess kritisch begleiten, betont Landessprecher Deniz Gedik mit Blick auf die seit Donnerstag laufenden Koalitionsverhandlungen. Die Grüne Jugend behalte sich das Recht vor, dem Koalitionsvertrag nicht zuzustimmen, wenn zu viele Kompromisse gemacht würden.
„Ich verspreche euch einen echten Neuanfang“
„Das wird kein „Weiter so“ sein“, verspricht Kretschmann selbst in seiner Rede. Die Arbeit mit der CDU habe in den letzten Jahren zwar einige Grüne „ernüchtert und frustriert“. Aber für den Kampf gegen den Klimawandel brauche es ein gesellschaftliches Bündnis, weil es dagegen Widerstand geben werde. Grüne und CDU seien die beiden Parteien, die am tiefsten in der Gesellschaft verankert seien, sagt Kretschmann - mit Blick auf die starke Verankerung der CDU in den Kommunen. Was man in dem Sondierungspapier erreicht habe, sei „wirklich grasgrün“. Dort hat man sich etwa geeinigt auf ein umfangreiches Sofortprogramm für den Klimaschutz - mehr Windräder, mehr Solaranlagen, mehr Nahverkehr. Mit der FDP wäre das nicht möglich gewesen, sagt Kretschmann.
„Ich verspreche euch einen echten Neuanfang“, gelobt der Ministerpräsident. Und wiederholt, was er nach dem Eklat im Vorstand bereits sagte: Die Grünen seien eben „kein Abnickverein“. Aber zumindest am Samstag wird reichlich genickt bei den Grünen.
Franziska Brantner auf Listenplatz 1
Die Südwest-Grünen bestimmen am Wochenende weiter, mit welchen Kandidaten sie in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen. Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner setzte sich am Samstag in einer Kampfkandidatur um Listenplatz 1 gegen die Abgeordnete Agnieszka Brugger durch. Auf Platz 2 kam Cem Özdemir, auf Platz 3 landete dann Brugger. Derzeit sitzen 13 Abgeordnete der Grünen aus Baden-Württemberg im Bundestag - in der Parteispitze rechnet man mit etwa einer Verdopplung der Zahl bei der Bundestagswahl. Am Sonntag (ab 9.30 Uhr) sollen die Listenplätze 21 bis 60 bestimmt werden.